Der Freier

Hallo,

was ist ein Freier, der Freier ?

Lt. Etym.Wö.Bu. Pfeifer (1989, 1993), abgeleitet von „freien=heiraten
wollen“ ein „Eheanwärter“. Sonst nichts.

Der andere, heute öfter zu lesende (weniger zu hörende) Sinn: „Kunde
einer Dirne oder eines Strichjungen“ steht als 2.Verwendung mit dem
Vermerk „verhüll.“ im Universal-Wö.Bu. Drosdowski (1983).

Verhüllend ist aber keine wirklich treffende Klassifikation.
Eher scheint mir das Wort „Freier“ eine aus Sprachnot entstandene,
mit pseudoironischem Beiklang versehene Lösung dafür zu sein,
dass es eigentlich - noch immer, trotz aller Patriarchatskritik -
kein adäquates Wort für jene „Kunden“ gibt (die ja auch sonst, obwohl
weit zahlreicher als die „Dirnen“, meist anonym/namenlos bleiben).

Weiss jemand hier, seit wann Freier in diesem Sinn in Gebrauch ist ?
Kennt jemand dazu eine - feministische ? - Abhandlung ?

Gruss
Nescio

ein zusatz: das wort freier gibt es im israelischen slang. frajerim sind leute, die blöd sind und sich verarschen lassen. der konnex zu huren existiert zwar nicht, ist aber der ursprung. ein frajer ist der letzte trottel, der sich über den tisch ziehen läßt und über den man dann lacht. ich mag diese konnotation, da sie wenigstens der hure die position der starken gibt, die den mann ausnimmt (was in der realität wohl nicht so sein dürfte).

gruß
dataf0x

Hallo Nescio,

interessante Frage.

„Das Wort „Freier“ ist im übrigen nicht (oder
zumindest nicht direkt) mit „frei sein“ in
Verbindung zu bringen. Vielmehr kommt es von einem
mittelniederdeutschen Wort „vrien“ - heiraten,
umwerben - durch Luther in die hochdeutsche
Sprache. Es soll eine Spezialbildung aus einem
allgemeineren Verb mit der Bedeutung „freundlich
behandeln, umwerben“ sein und hat in anderen
Sprachen Entsprechungen wie " hold sein, beistehen,
sorgen für“ oder „eigen, lieb, freundlich“ (Kluge).
Der Freier, wie der Prostitutionskunde (auch so ein
Euphemismus) heute heißt, ist nicht
wiederzuerkennen. Im Gegenteil, die Vorurteile
weisen den Freier als eher defizitären,
schmuddeligen Mann aus, der sich einen Kick
außerhalb seiner Beziehungen (so er denn welche
hat) im Rotlichtmilieu sucht."
http://www.beitraege-redaktion.de/archiv/editorial/
heft58.htm

„58 Auch die deutsche Gaunersprache kennt das Wort
freier, doch bezeichnet es, im Unterschied zum
Russischen, nicht nur den Nicht-Dieb, den Naivling,
den Uneingeweihten (Freier-ursprünglich für Bauer),
sondern laut Sigmund Wolfs Wörterbuch des
Rotwelschen auch noch den «Aufgestocherten»,
denjenigen, der zur Begaunerung, zum
Bestohlenwerden ausgewählt wurde. Wegen dieses
Bedeutungsunterschieds wollen wir im folgenden die
russische Schreibform Frajer verwenden.“
http://www.utopie1.de/S/Solschenizyn/anmerk.htm

Das Wort scheint auch von Krafft-Elbing und
Hirschfeld verwendet worden zu sein, möglicherweise
zuerst mit Bezug auf homosexuelle Prostitution.

Grüße
J.

Bei solchen Fragen, liebe® Nescio,

Weiss jemand hier, seit wann Freier in diesem Sinn in Gebrauch
ist ?

hilft stets ein Blick in den Grimm (übrigens hier verlink!).

Dort findet man:

_ FREIER [Lfg. 4,1], m. procus, petitor, mnhstÀr, minner, nnl. vrijer, dän. frier, böhm. frejir, bei DIEFENBACH unter procus viele belege aus 15 jh., der werbende, bulende, nicht schon der bräutigam und heiratende , sowol mit dem gen. als praepositionen:

weil französisch, wie man saget, ist, latein, dein hurenkind,
wie dann, dasz um sie bei Deutschen so viel tolle freier sind? LOGAU 3, 83, 43,

um sie, um die französische sprache, tochter der lateinischen; es wird ihr an stattlichen freiern nicht mangeln. ‚ja wol, sie müssen sich sehr umb mich reiszen, wie um das saure bier‘. WEISE erzn. 135;

im anfang scheint es schön, wanns mädchen aufgeputzt,
wie eine puppe vor des freiers augen stutzt. eine frau ein nothwendig übel s. 143;

ein freier kam, man wies ihm Philippinen. GELLERT 1, 135;

ein freier bat einst einen freund,
ihm doch ein mädchen vorzuschlagen. 1, 206;

verlangt dein kind ein freier. LESSING 1, 18;

nu, einen freier hat er ihnen doch wol nicht gebracht? obgleich jetziger zeit die freier auch zu einer art von geldborgern geworden sind. 2, 391; ein so alter soldat und ein so hitziger freier! 7, 203; als ehemaliger verehrer der mutter, als jetziger freier der tochter. GÖTHE 31, 213;

hast du nicht schon mutige freier?
ich komme zur hochzeit, nicht wahr?
doch Dorchen, ist dieses nicht heuer,
so ists aufs künftige jahr. WEISZE kom. op. 1, 189; [4,108]
des königs töchterlein war schön
und auch schon flück geworden,
drum lieszen itzt sich freier sehn
von ost, süd, west und norden. BLUMAUER Aen. 3, 21;

frau füchsin sind sie da?
‚ach ja, mein kätzchen ja‘.
es ist ein freier draus.
‚mein kind, wie sieht er aus?‘ Km. no 38;

jetzo fand sie die freier, die üppigen, die an des hauses
doppelter pfort ihr herz mit steineschieben erfreuten,
hin auf häute der rinder gestreckt, die sie selber geschlachtet. Od. 1, 106.

sprichwort: wo viel freier sind, da sind wenig nehmer. SIMROCK 2680; sie hat freier aber keinen nehmer. in der Wetterau nennt man die von der zimmerdecke niederhangenden spinnefäden, an welche sich staub ansetzt, freier. bedeuten sie spinnenden mädchen freier vor? [Abschnitt reduzieren]

FREIERCHEN [Lfg. 4,1], n. nnl. vrijertje.

FREIERDINGS [Lfg. 4,1], sponte, von freien stücken, wie allerdings, für freier dinge, aller dinge:

ob dich nicht sonst ein argwohn treibt, mir dieses
erbieten freierdings zu thun. LESSING 2, 282;

so wären sie es werth, dasz man ihnen nachsagte, dasz sie, bei eigener einschauung der handschrift, sich freierdings der nemlichen oscitanz schuldig gemacht, die ich an Gottscheden bewundere. 10, 332.

FREIEREI [Lfg. 4,1], f. procatio:

der freierei wir gar gnug han,
ein anders mals bleib wir zu haus. AYRER 348a;

aber seine freierei ist nichts als politik. LESSING 7, 203; siehst du, das hast du von deinem plaudern. hätten wir nu nicht von unserer freierei (unserm liebeshandel) sprechen können? WEISZE kom. op. 3, 25; mich so auf die freierei zu führen! FR. MÜLLER 2, 174.

**FREIERIN [Lfg. 4,1], f. proca: pulerin, kupplerin, sponsirerin. voc. 1482 i 3a, also die selbst bulende und geworbene, wie die für andre werbende. nnl. vrijster.

FREIERISCH [Lfg. 4,1], amatorius, bulerisch:

wo die freierischen westen (westwinde)
buhlen mit den schwanken ästen,
und wehn einen hall darein,
als es solten küsse sein. FLEMING 442.**

FREIERSCHAFFEN [Lfg. 4,1], libere creatus:

dies that auch die natur, die hier mit starker hand
den abscheu und die lust mit eurem thun verband.
dadurch bewog sie euch, ihr feierschafnen seelen,
das böse selbst zu fliehn, das gute selbst zu wählen. LICHTWER 169.

FREIERSFÜSZE [Lfg. 4,1], pl. proci pedes: auf freiers füszen gehn, freiers gedanken haben;

ein bettler gieng auf freiersfüszen. LESSING 1, 13;

steht ihre erbschaft auf freiersfüszen? 2, 394; ein herlich sinnbild, Simsons nackter schädel, für einen der auf freiersfüszen geht wie ich. FR. MÜLLER 178.

FREIERSGEDANKEN [Lfg. 4,1], pl., dän. friertanke.

FREIERSMANN [Lfg. 4,1], m. nuptiarum conciliator, der einem die braut wirbt, brautwerber: ich will freiersmann sein. was krieg ich, wenn ich sie dir kupple? GÖTHE 11, 14; só war ich freiersmann, só bin ich jetzt gesandter. 20, 306;

hatten die eltern die braut für ihren sohn sich ersehen,
ward zuvörderst ein freund vom hause vertraulich gerufen.
diesen sandte man dann als freiersmann zu den eltern
der erkorenen braut, der dann in stattlichem putze
sonntags etwa nach tische den würdigen bürger besuchte,
freundliche worte mit ihm im allgemeinen zuvörderst
wechselnd, und klug das gespräch zu lenken und wenden verstehend.
endlich nach langem umschweif ward auch der tochter erwähnet
rühmlich, und rühmlich des manns und des hauses, von dem man gesandt war.
kluge leute merkten die absicht, der kluge gesandte
merkte den willen gar bald und konnte sich weiter erklären.
lehnte den antrag man ab, so war auch ein korb nicht verdrieszlich.
aber gelang es denn auch, so war der freiersmann immer
in dem hause der erste bei jedem häuslichen feste,
denn es erinnerte sich durchs ganze leben das ehpaar,
dasz die geschickte hand den ersten knoten geschlungen. GÖTHE 40, 301._

Demzufolge ist der Freier schon vor dem 18. Jahrhundert, zumindest als „Kuppler“, nicht der um eine Ehefrau sich Bewerbende, sondern einer, der ein sehr viel kurzfristigeres Interessa an einer Frau hat.
Und es gibt auch die „Freierin“.

Und da scheint auch Platz zu sein für datafOxens Anmerkung.

Kluge bietet dazu:

_ freien
wschwaches Verb „um eine Frau werben“ erweiterter Standardwortschatz obsolet (12. Jh.)Stammwort.
Ursprünglich nicht oberdeutsch, durch Luther allgemein eingeführt. Mhd. vrien, mndd. vrien, vrigen „heiraten, umwerben“ ist eine Spezialisierung von g. *frijO- Vsw. „freundlich behandeln, umwerben“, wohl unter dem Einfluß von as. frI „(Ehe)Frau“. Das Verb auch in gt. frijon, anord. frjá, ae. frEogan, mndl. vrien „hold sein, lieben“. Es ist grundsprachlichen Alters, vgl. ai. priyAyáte, akslav. prijati „hold sein, beistehen, sorgen (für)“, ein Denominativ zu ig. *prijo- „eigen, lieb, freundlich“ (s. frei). Zu beachten ist allerdings kymr. priodi „heiraten“ (heute fast nur noch als „Kunde einer Prostituierten“. Zur alten Bedeutung noch auf Freiersfüßen gehen „sich mit dem Gedanken einer Hochzeit befassen“. S. auch Freite.
Scheller (1959), 89-101;
Mezger, F. ZVS 79 (1964), 32-38 (etwas anders);
Bomhard (1995), 47f. deutsch iz_

Meine älteren Dudenausgaben von vor 1945 geben diese Bedeutung nicht an, vielleicht aus Prüderie (?); Mackensen von 1983 hat sie.

Den Befund des Nachkriegsduden hast du ja genannt. Heute heißt es da:

_ Frei|er , der; -s, - [mniederd., mhd. (md.) vrier]: 1. (veraltend) jmd., der um ein Mädchen freit; Bewerber: der F. wurde abgewiesen. 2. (verhüll.) Kunde einer Dirne od. eines Strichjungen.

© Duden - Deutsches Universalwörterbuch 2004_

Es scheint also so, dass die Bedeutung Kunde einer Hure schon in frühneuhochdeutscher Zeit vorhabden war; heute gibt es nur noch diese.

O tempora, o mores! :wink:

Gruß Fritz

Hallo Nescio.

was ist ein Freier, der Freier ?

Lt. Etym.Wö.Bu. Pfeifer (1989, 1993), abgeleitet von
„freien=heiraten
wollen“ ein „Eheanwärter“. Sonst nichts.

Das ist richtig und die Betonung liegt auf ‚wollen‘. Das Verb ist transitiv, also zielgerichtet. Der Freier ging zu den Eltern ‚um die Tochter zu freien‘, also aus der elterlichen Fürsorge zu befreien, evtl. durch Geld oder Naturalien freizukaufen.
Die andere Verwendung des Wortes Freier, als Dirnenkunde, ist m.E. über das Rotwelsch oder eine andere Gaunersprache eingedeutscht worden. Dafür dass dieser Gebrauch des Wortes schon älter ist, spricht auch, dass es in ähnlicher Form im Jiddischen vorkommt.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Berresheim

Hallo Fritz,

ein Blick in den Grimm (übrigens hier verlink!).
Dort findet man:
[…]

Erstmal vielen Dank für Hinweis und Kopiertes.

Demzufolge ist der Freier schon vor dem 18. Jahrhundert,
zumindest als „Kuppler“, nicht der um eine Ehefrau sich
Bewerbende, sondern einer, der ein sehr viel kurzfristigeres
Interessa an einer Frau hat.
Und es gibt auch die „Freierin“.

So wie ich’s herauslese, mag die Dauer des Interesses an der Frau da
kurz sein; aber die Art des Interesses war doch eine andere als die
des Puffgängers.
Auch war der Sinn des „Kuppelns“ nicht der, der bis vor ein paar
Jahren hierzulande noch unter Strafe stand.

Meine älteren Dudenausgaben von vor 1945 geben diese Bedeutung
nicht an, vielleicht aus Prüderie (?); Mackensen von 1983 hat
sie.
Den Befund des Nachkriegsduden hast du ja genannt. Heute heißt
es da:
_ Frei|er , der; -s, - [mniederd., mhd. (md.) vrier]:

  1. (veraltend) jmd., der um ein Mädchen freit; Bewerber: der
    F. wurde abgewiesen. 2. (verhüll.) Kunde einer Dirne od.
    eines Strichjungen
    ._

Deinen folgenden Schluss kann ich nicht mitvollziehen:

Es scheint also so, dass die Bedeutung Kunde einer Hure
schon in frühneuhochdeutscher Zeit vorhabden war; heute gibt
es nur noch diese.

Oder habe ich in den langen Auszügen etwas überlesen oder nicht
richtig verstanden ? (Dann nenn’ mir bitte das Zitat unter den
vielen, aus dem du das herausgelesen hast)

Gruss
Nescio

sondern laut Sigmund Wolfs Wörterbuch des
Rotwelschen auch noch den «Aufgestocherten»,
denjenigen, der zur Begaunerung, zum
Bestohlenwerden ausgewählt wurde.

große klasse!! siehe meinen beitrag direkt unter deinem. damit hast du die erklärung geliefert, woher die „frajerim“ = trotteln die man ausnimmt, kommen.

gruß
dataf0x

Hallo, Nescio.

So wie ich’s herauslese, mag die Dauer des Interesses an der
Frau da
kurz sein; aber die Art des Interesses war doch eine andere
als die
des Puffgängers.

Genauso habe ich es aber durchaus verstanden. Eine gewisse Prüderie machte es mir schwer, deutlicher zu werden. :wink:

Auch war der Sinn des „Kuppelns“ nicht der, der bis vor ein
paar
Jahren hierzulande noch unter Strafe stand.

Das hast du Recht. Wir würden heute „Lude“ oder Zuhälter sagen.

Deinen folgenden Schluss kann ich nicht mitvollziehen:

Es scheint also so, dass die Bedeutung Kunde einer Hure
schon in frühneuhochdeutscher Zeit vorhanden war; heute gibt
es nur noch diese.

Oder habe ich in den langen Auszügen etwas überlesen oder
nicht
richtig verstanden ? (Dann nenn’ mir bitte das Zitat unter den
vielen, aus dem du das herausgelesen hast)

Wohl am meisten aus dem:

**FREIERIN [Lfg. 4,1], f. proca: pulerin, kupplerin, sponsirerin. voc. 1482 i 3a, also die selbst bulende und geworbene, wie die für andre werbende. nnl. vrijster.

FREIERISCH [Lfg. 4,1], amatorius, bulerisch:**

Freilich mit den Wissen, dass „buhlen“ und „Buhle“ früher ganz anständige Wörter für „lieben“ und „geliebte/liebende Person“ waren - so auch noch (sicher im Retro-Stil) bei Goethe = Der König in Thule" - , bei Fleming aber, der im frühen 17. Jhdt. lebte, bereits die pejorative Bedeutung vorhanden ist.

Mehr wüsste ich im Moment nicht dazu zu sagen.

Gruß Fritz

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Hallo allerseits!

Demzufolge ist der Freier schon vor dem 18. Jahrhundert,
zumindest als „Kuppler“, nicht der um eine Ehefrau sich
Bewerbende, sondern einer, der ein sehr viel kurzfristigeres
Interessa an einer Frau hat.

Den gelehrten Quellen hier soll nicht widersprochen werden, aber Volkes Mund handhabt es denn doch manchmal noch anders respektive Teile der Bevölkerung.
Ich kann mich nämlich noch sehr gut erinnern, dass meine Großmutter selig, die damals Anfang 70 war, in den 80ern noch ohne jegliche Nebenbedeutung von „Freiern“ gesprochen hat, wenn „Freunde“, „Verlobte“ & Co. gemeint waren.

Grüße
Christiane

Hallo,

Ich kann mich nämlich noch sehr gut erinnern, dass meine
Großmutter selig, die damals Anfang 70 war, in den 80ern noch
ohne jegliche Nebenbedeutung von „Freiern“ gesprochen hat,
wenn „Freunde“, „Verlobte“ & Co. gemeint waren.

Jetzt, wo du’s sagst, kommen mir ähnliche Erinnerungen.
Vielleicht war das nur regional gebräuchlich - im Revier eben.
Die Frage bleibt, wann das derart belegte Wort seinen
seltsamen Bedeutungswandel erfuhr und nun einen ganz anderen Typ Mann
bezeichnet, für den es zuvor keinen Begriff gab – und jetzt eben
diesen, der mir, wie ich schon schrieb, etwas Verlegenes und
Pseudoironisches mit sich schleppt.
Bemerkenswert ist doch, dass es für die „Dirne“ seit je fein
abgestufte Bezeichnungen (von Hetäre bis Drecksnutte) gab, für deren
„Kunden“ (auch ein Verlegenheitsbegriff), eine weit grössere Gruppe,
eigentlich keine (so wie diese selbst auch meist anonym/namenlos
bleiben).
Weil die Frage über das rein Sprachliche offenbar hinausgeht, habe
ich mal ein Doppelposting gewagt (in „Frauen und Feminismus“). Mal
seh’n, ob dort noch was Ergänzendes kommt.

Gruss
Nescio

Ich kann mich nämlich noch sehr gut erinnern, dass meine
Großmutter selig, die damals Anfang 70 war, in den 80ern noch
ohne jegliche Nebenbedeutung von „Freiern“ gesprochen hat,
wenn „Freunde“, „Verlobte“ & Co. gemeint waren.

Dem wird niemand widersprechen, liebe Christiane,

in meiner eigenen Familie habe ich selber solche sprachlichen Atavismen erlebt. Meine Großmutter und meine Mutter haben sich nie als „Frauen“ verstanden und bezeichnet, sondern als „Weiber“. Und der Unterschied zwischen „Frau“ und „Weib“ war klar definiert: Ein Frau trug am Sonntag beim Kirchgang einen Hut, ein Weib ein Kopftuch.

Ich habe erst als Student gelernt nicht mehr „Weiber“ zu sagen.

Und heute gibt es wieder welche, die sich selber so nennen: a la „Superweib, Vollweib, Prachtweib“.

Wollte meine Onkel mich besonders loben, so nannte er mich: einen rechten Knecht, und meine Schwester war dann: eine gute „Dearn“, was als Dirne heute gar keinen lobenden Ton an sich hat.

Gruß Fritz

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Hallo Fritz und alle,

„Dearn“, was als Dirne heute gar keinen lobenden Ton an sich hat.

im Österreichischen ist „Dirndl“ ein gängiger und ganz wertungsfreier Ausdruck für „Mädchen“

der Wiener „Strizzi“ (manchmal auch gleichbed. „Strick“) erfuhr dagegen eine Bedeutungsverharmlosung:
ursprünglich war das der „Zuhälter“ (von tschechisch „stryc“), im weiteren auch „Kleinkrimineller“
und in der Bedeutung „kleiner Gauner“ wird es mittlerweile im durchaus liebenswerten Sinn für
„charmanter Lauser, Lausbub“, oder einfach „aufgewecktes Kind“ (auch Säuglinge) gebraucht.

Meine sudetendeutsche Tante bedauerte mich einmal, als ich mir wehgetan hatte,
mit dem Ausdruck „du armes Luder“. Ich war schockiert!
„Luder“ gehört bei uns zu den abfälligsten Beschimpfungen überhaupt.

Grüße, Michl

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im Österreichischen ist „Dirndl“ ein gängiger und ganz
wertungsfreier Ausdruck für „Mädchen“

Eben, bester Michael!

So wie im Norden eine „söte Deern“ ganz und gar nichts Ehrenrühriges an sich hat.

Fritz

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Manche Frau wäre froh sie wäre ein Weib!(o.w.T.)
A.B.