Der Name Zibelius

Kann mir jemand helfen bei der Suche nach der Bedeutung bzw. Abstammung des Namen Zibelius? Es würde meinen Großvater (aus Sommerfeld/Ostpreußen) unsäglich glücklich machen… Vielen Dank im Voraus!!!

Hallo Ella, -> das ist ein Gruß und wird hier gerne gesehen

Kann mir jemand helfen bei der Suche nach der Bedeutung bzw.
Abstammung des Namen Zibelius? Es würde meinen Großvater (aus
Sommerfeld/Ostpreußen) unsäglich glücklich machen… Vielen
Dank im Voraus!!!

Nun ja, so einfach ist die Geschichte nicht, wie Du sie Dir vielleicht denkst. Aber ich versuche mal ein paar Aspekte rüberzubringen:

Zum Einen: Namen (auch Familiennamen) wurden immer von der Umgebung vergeben mit dem Zweck der Unterscheidungsmöglichkeit. Also hatte der erste Namensträger was, was die unmittelbare Umgebung nicht hatte.

Zum Anderen: viele Familiennamen (sogar die allermeisten) können aus mehreren Ursachen entstanden sein. Manche sind eindeutigER, andere vieldeutigER. Wichtig ist IMMER das vergleichende „-ER“.

Der Name Zibelius gehört eher zu denen, welche vieldeutigER sind. Dennoch gibt es einen recht guten Hinweis, welcher eine dieser Bedeutungen wahrscheinlicher erscheinen lässt als andere Bedeutungen. Und das ist die Namensendung.

„-ius“ ist aus dem Lateinischen ein bekanntes Suffix. Zwar kommt es auch hin und wieder vor, dass der davorstehende Teil aus der deutschen Sprache unverändert stehen geblieben ist und einfach nur durch die lateinische Endung „-ius“ „verbessert“ (= aufgepeppt) wurde, jedoch ist dies eher die Ausnahme. Zumeist hat man auch den davor stehenden Wortteil ist Lateinische übertragen. Z.B. Sartorius = Schneider, Sutor(ius) = Schuster, Textor(ius) = Weber etc., neulich wurde hier im Brett nach „Kartarius“ gefragt (Karte = Papier -> Papiermacher)

Da ich nie Latein gelernt habe, kann ich Dir die lateinische Grammatik nicht darlegen, ich weiß nur, dass „-us“ die Endung für einen Nominativ einer (männlichen) Person ist. Genaueres, z.B. auch, welche Funktion das „i“ vor dem „us“ hat, lasse Dir bitte von einem Lateiner erklären.

Also, lege ich die Annahme zugrunde, dass der Namen nicht nur eine lateinische Endung trägt, sondern auch der Stamm auf einem lateinischen Wort beruht, so kommt eigentlich nur noch das lateinische Wort „cepulla“ = Zwiebel (welches sich übrigens auch aus genau diesem cepulla herleitet!) in Betracht.
Da die lateinische Berufsendung in der Regel „-arius“ ist, welche man mit „der Handelnde“ übersetzen kann, solltet Ihr mal versuchen herauszubekommen (über Archive kirchlicher oder weltlicher Art), ob „Zibelius“ nicht eine Kurzform von „Zibelarius“ sein könnte.

Aber selbst wenn es die letzten 500 Jahre immer schon Zibelius hies, so gehe ich aufgrund des bisher Erwähnten von einem Familiennamen aus, der sich aus einem Beruf entwickelt hat. Und dieser Beruf hatte mit Zwiebeln (und verwandten Gemüsen wie Lauch, Knoblauch etc.) zu tun. Nun kann man noch darüber nachdenken, ob es sich eher um einen Zwiebelanbauer oder einen Zwiebel-(fern-)händler handeln könnte.
Die Zwiebel ist somit eine Stellvertreterbezeichnung, ähnlich wie „Nagel“ für den Nagelschmied. Bei solchen Stellvertreterbezeichnungen, welche Berufe symbolisieren, spricht man von sogenannten „Berufsübernamen“. Ein Übername allgemein ist eine Art Spitzname/Charaktername. Es gibt sie als eigene Familiennamensgruppe (Lang, Klein, Baldauf, Spät, Fröhlich) oder eben als Berufsübernamen, wenn der Beruf nur indirekt über das Produkt bezeichnet wird.

Daraus wiederum leitet sich dann auch die Wahrscheinlichkeit ab, um was es bei Deiner Familie ursprünglich vermutlich ging: Um den Fernhandel mit Zwiebeln, dann setzt das voraus, dass in der angestammten Heimat z.B. der Boden oder das Klima für Zwiebeln zu schlecht war, so dass diese per Import von woanders her eingeführt werden mussten (würde EHER auf die Alpenregion zutreffen), oder dass es sich um den Zwiebel/Lauch/Knoblauchbauern als Produzent und Direktvermarkter handelt. Dies würde eher für Rheinland-Pfalz sprechen. Im Vergleich zur Fläche des Bundeslandes ist RhPf eines der größten Zwiebelproduzenten in Deutschland (nach Sachsen-Anhalt). Siehe hier:
http://lexikon.huettenhilfe.de/gewuerze/zwiebel/bota…

Zusätzlich ist wichtig zu wissen, wo die Familie um 1900 ihr Zuhause hatte. Wenn dies Ostpreußen sein sollte, dann wäre noch ganz wichtig, ob die Familie evangelisch oder katholisch ist. Handelt es sich um eine katholische Familie, so kann man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sie vor der Landnahme in Ostpreußen im Gebiet westlich des Rheins beheimatet war (Rheinland-Pfalz, Saarland, westliches NRW), war/ist die Familie evangelisch, so dürfte es sich um eine Exulantenfamilie aus Österreich (häufig aus der Diözese Salzburg; siehe dazu auch
http://de.wikipedia.org/wiki/Exulanten
) handeln. Im ersten Fall (katholisch) hat es sich um eine Maßnahme zur Kolonisierung des Ostens gehandelt und die ursprünglich westdeutschen Familien wurden mit dem Versprechen auf Landbesitz und vieljährige Steuerbefreiung richtiggehend angeworben - sie gingen somit freiwillig. Im zweiten Fall (evangelisch) handelte es sich um eine Vertreibung durch die (neu ins Amt gekommene) katholische Obrigkeit, die - im Gegensatz zur alten Obrigkeit - keine Glaubensabweichler auf ihrem Territorium duldete. Die Andersgläubigen wurden in aller Regel vor die Wahl gestellt, zum katholischen Glauben binnen Stunden zu konvertieren oder aber ebenfalls binnen Stunden das Herrschaftsgebiet zu verlassen. Somit war es ein unfreiwilliges Gehen, weil man seinem Glauben treu bleiben wollte. Vertreibung aus religiösen Gründen hat es zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Regionen gegeben, allerdings sind die Salzburger Exulanten die bekanntesten (weil sie auch eine zahlenmäßig große Gruppe waren). Somit ist dies durchaus mit den Vertreibungen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten am Ende des 2. Weltkriegs zu vergleichen. Und wenn ich jetzt den Lauf der Geschichte so überlege, so fällt mir gerade auf, dass die Salzburger Exulanten im 18. Jh. aus Salzburg vertrieben wurden und 200 Jahre später deren Nachkommen aus Ostpreußen. So hat es die gleiche Familie (mit 200 Jahren Abstand) also gleich zweimal getroffen. Ein hartes Schicksal.

In beiden Fällen (sowohl katholisch als auch evangelisch) liegt somit die Heimat in einer Gegend, welche (zwar 1000 Jahre früher aber so doch) sehr stark von den Römern und ihrer Zivilisation beeinflusst worden war (südlich bzw, westlich des Limes). Deren Sprache war ja bekanntlich Latein. Dieser sprachliche Einfluss zeigt sich ja bis heute z.B. in der Herleitung cepulla > Zwiebel (und tausenden anderer Wörter mehr). Daher ist es sogar sehr wahrscheinlich, dass letztlich ein lateinisches Wort dem Namen zugrunde liegt.

Vielleicht fragst Du Dich noch, warum ein lateinischer Begriff zum Familiennamen wurde, wo doch mit Schneider (Sartorius) und Schuster (Sutor/ius) und bei Euch mit Zwiebel durchaus deutsche Begriffe vorhanden sind. Das hängt wieder mit der Unterscheidungsmöglichkeit zusammen. Ein Zwiebelproduzent oder -händler ist in den entsprechenden Regionen nichts soooo Ungewöhnliches. Nun gab es ja im späten Mittelalter, als die Familiennamen entstanden, noch die Adeligen mit ihren Burgen. Diese Adeligen wollten ja auch versorgt sein und hatten viele Bedienstete. Um sich vom einfachen Volk abzugrenzen wurde auch eine Sprache verwendet, welche mit Fremdwörtern überfrachtet war. Diese kamen zur damaligen Zeit nahezu ausschließlich aus dem Lateinischen (später, im 17. und 18. Jh, zur Hoch-Zeit der Schlösser wechselte man dann zum Französischen, und heute, ab dem 20. Jh. dann zum Englischen). Mit Fremdwörtern gab man sich damals (wie heute) einen „modernen“ Touch. Also rief der Landesherr nicht „Man bringe mir den Schneider“, sondern „Der Sartorius möge kommen!“. Und so - jetzt kommt eine reine Vermutung, wie es gewesen sein könnte, ich sage nicht, dass es genau so war! - könnte der Landesfürst gesagt haben „Ach der Zibelius - was bringt er denn heute wieder Gutes und Schmackhaftes?“ oder „Herr, die Zwiebeln sind fast aufgebraucht - So, so, na, Küchenmeister, dann gehe zum Zibelius und besorge Dir neue davon, aber nur gute und keine fauligen Exemplare, damit das klar ist“.

Was ich mit dieser - zugegeben übertriebenen - Darstellung zeigen möchte, ist, dass die Herrschaft für die gleichen Begriffe andere Worte verwendet hat als der „kleine Mann“. Und damit haben wir das Unterscheidungsmerkmal: Der Lieferant zum Hofe des Herrn. In Bayern werben verschieden Firmen bis heute, dass sie zu Zeiten des bayerischen Königs „Hoflieferant“ waren. Hier sollte ich vielleicht noch verdeutlichen, dass es nicht nur adelige Herrscher gab, sondern auch Fürstbischöfe etc., also Geistliche, die nicht nur eine kirchliche Führerschaft hatten, sondern auch über ein weltliches Territorium herrschten. Somit kann der „Hofherr“ durchaus auch ein (Erz-)Bischof oder ähnliches gewesen sein.

Dieser lateinische Familienname im Sinne von „Hoflieferant“ drückt zwischen den Zeilen noch etwas anderes aus (deshalb werben die Firmen bis heute damit!): Sie dürfen/durften nur deshalb an den Hof liefern, weil sie besonders gute Qualität hatten. Mittelmäßige oder gar schlechte Qualität wurde von den Herrschern nicht akzeptiert. Hätte der Zulieferer schlechte Qualität geliefert, so hätte er dieses Zulieferprivileg verloren und damit auch eine sichere Einkommensquelle. Das ist eigentlich bis heute so in der Wirtschaft: Damals war es die Zufriedenheit, heute sind es die ISO-Normen, die ein Betrieb erfüllen muss, um Zulieferer zu sein.

Damit wird gleichzeitig klar, dass der Name in einem Bereich entstanden ist, in dem ein Herrscher lebte, somit kann man als Entstehungsraum eine Stadt oder zumindest größere Siedlung (mit Burg) annehmen.

Noch kurz zum Alter: städtische Familiennamen sind älter als ländliche, südliche sind älter als nördliche, westliche sind älter als solche, welche im östlichen Bereich entstanden sind, eingliedrige Namen (bestehen nur aus dem sinngebenden Begriff + Endung) sind älter als mehrgliedrigen Namen (Maier im Vergleich zu Obermaier im Vergleich zu Vorderobermaier). Daher denke ich, dass Zibelius erstmals etwa 1100 bis spätestens 1300 als Familienname verwendet wurde und damit innerhalb der mitteleuropäischen Familiennamen zu den richtig alten Familiennamen zu rechnen ist.

Abschließend nochmal der Hinweis, dass dieser Name auch andere Ursachen haben könnte (Rufnamen wie z.B. Siegbald + Endung -ius)

Zur Familiennamensverteilung:

http://www.verwandt.de/karten/absolut/zibelius.html

Es gibt in Ostpreußen übrigens gleich drei Orte, welche in deutschsprachiger Zeit „Sommerfeld“ hießen.

  1. Kreis Heilsberg
  2. Kreis Friedland
  3. Kreis Preussisch Holland

siehe auch

http://wiki-de.genealogy.net/Sommerfeld

So, ich denke, wir haben alles:

Bedeutung: Zwiebelhändler oder Zwiebelproduzent (Inklusive anderer Zwiebelgewächse wie Lauch oder Knoblauch etc.)
Formale Aspekte: Berufsübername aus Produktstellvertretung; aus dem Lateinischen Wort cepulla (= Zwiebel) mit angehängter lateinischer Berufsendung „-ius“
Ursprungsregion: Rheinland-Pfalz / Saarland / westliches NRW (katholisch) bzw. Salzburg oder andere Exulantenregionen (evangelisch)
Ursprungsraum: städtisch
Alter: 1100-1300 erstmals verwendet
Sonstiges: auch andere Ursachen sind nicht ganz ausgeschlossen, Rufnamen kommen in Betracht (wie Siegbald o.ä).

So, ich hoffe, dass ich Deinem Großvater eine Freude machen konnte.

Einen schönen Abend wünscht

Alexander

Hallo Alexander,

dieser Artikel ist klasse. Auch wenn die Thematik im Kern eigentlich uninteressant sein müsste - schließlich ist es ja nicht mein Name - habe ich ihn trotzdem mit viel Genuss und Gewinn gelesen. Ein ganz großes *.

Gruß
Hardey

Gruß

Alexander

Hallo,

der Verein für Familienforschung in Ost- und Westpreußen wird Dir sicher helfen können.

Schöne Grüße!
Zerni