Derivate i.H.v. hunderten Mrd. Dollar

Hallo!

Manchmal liest man ja von dieser Derivate, die eine Größenordnung von 600-700 Mrd. Dollar haben soll und damit einige Male so groß ist wie das Weltsozialprodukt. Kann mir jemand erklären, was genau hinter dieser unüberschaubar großen Summe steckt? Ist es möglich, dass Kapital aus dieser riesigen Summe tatsächlich in den Wirtschaftskreislauf eingehen und somit für Inflation sorgen oder zumindest dazu, dass das Kapital noch zunehmend ungleicher verteilt wird bzw. schon ist?
Ich wäre jedem dankbar, der etwas Licht in mein Dunkel in diesem Bereich dieser Derivate(-blase?) bringen kann.

Vielen Dank!

Christian

Hallo!

Manchmal liest man ja von dieser Derivate, die eine
Größenordnung von 600-700 Mrd. Dollar haben soll und damit
einige Male so groß ist wie das Weltsozialprodukt.

Also 100 Tage Arbeit für Deutschland. Und erstaunlicherweise ist Deutschland gar nicht größer als die Welt.

Entschuldigung!

Es muss natürlich 600-700 Billionen USD heißen.

Servus,

dass „one billion USD“ auf Deutsch „eine Milliarde USD“ heißt, ist Dir aber schon bewußt?

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Ja, das ist mir schon bewusst.

http://www.nzz.ch/finanzen/nachrichten/leicht_hoeher…

Gleich im ersten Absatz: Derivatevolumen der außerbörslich gehandelten Derivate: 601.048 Mrd. USD.

Servus,

es geht also nicht um Billionen, wie Du noch kurz vorher konstatiert hast, sondern um Milliarden.

Das deutsche BIP liegt in der Gegend von gut drei Billionen USD, das sind gut 3.000 Milliarden.

0,6 Billionen / 3 Billionen = 0,2
365 Tage * 0,2 = 73 Tage.

Das ist mit „hundert Tage Arbeit für Deutschland“ gemeint. „für Deutschland“ deswegen, weil z.B. der Beitrag von Wenzhou dabei nicht mitgerechnet ist.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Also nochmal: 601.048 Mrd. USD sind 601 Billionen und 48 Milliarden USD.

Kennt sich jemand mit dem Derivatehandel und dieser riesigen Summe aus?

Danke für eine Antwort!

Also,

die Summe erscheint sicher plausibel.

Logisch, dass sie in der allgemeinen „die Finanzmärkte sind an allem Schuld“-Hysterie immer wieder genannt wird.

Die Derivate haben hier und da einen realen Hintergrund ( z.B. Warentermingeschäfte die sicherlich auch mit drin sind ), sind aber auch aufgebläht, eben weil es Derivate sind. Hier wird mit wenig „echtem“ Geld viel Volumen erzeugt.

Für die Realwirtschaft hat es aber kaum eine Bedeutung, wieviel Derivatevolumen mit wieviel echtem Geld gehebelt wird, ob die Blase platzt oder nicht usw. … Es sind hier und da beschränkte Auswirkungen auf Individuen drin ( z.B. wie jetzt durch die Pleite dieses US-Brokers ) und in Einzelfällen gesamtwirtschaftliche Folgen ( z.B. Spekulation in Waren welche die Lebensmittelpreise stark beeinflussen ), aber im großen und ganzen ist das Volumen im Verhältnis zum Welt-BIP relativ irrelevant.
Es kann auch daraus keine Inflation entstehen.

Grüßle

Eric

Hallo,

Kennt sich jemand mit dem Derivatehandel und dieser riesigen
Summe aus?

erste Teilantwort: wenn ein Mittelständler einen Wareneinkauf in US-Dollar pro Jahr im Gegenwert von 10 Mio. Euro hat und damit dann neben den Umsätzen in Euro auch Umsätze im Gegenwert von 3 Mio. Euro in der schweiz macht, ergibt sich daraus ein Absicherungsvolumen von 13 Mio. Natürlich muß er die 10 Mio. Einkauf vorfinanzieren. Damit er kein Zinsrisiko hat, sichert er diese 10 Mio. auch noch ab. Dann sind wir schon bei 23 Mio.

Die absichernde Bank sichert sich natürlich auch ab und die die Bank absichernde Bank sichert sich auch wieder ab. So sind wir schon bei 92 Mio. Euro.

Richtig genial (=zweite Teilantwort) wird es aber, wenn wir simple Options- oder Termingeschäfte durch (aus Kundensicht) strukturierte Derivate ersetzen. So war es vor drei oder vier Jahren sehr beliebt, dem Kunden kostenneutral eine Absicherung gegen Wechselkursschwankungen des Dollars und eine Zinsabsicherung zu verkaufen.

Das funktionierte dann über den Kauf von Dollaroptionen und den Verkauf von Zinskonrakten im Schweizer Franken (oder andersherum, ist schon zu lange her). Ich habe einen Fall in Erinnerung, in dem dem Kunden über fünf Jahre ein Einkaufsvolumen von jährlich 25 Mio. Dollar abgesichert wurde und der Bank aufgrund der Gegengeschäfte ein Nominalvolumen von rd. zwei Milliarde bewegte. Hinzu kamen dann natürlich die Absicherungen der Absicherer und deren Absicherer usw. Am Ende können aus 125 Mio. leicht 10 Milliarden geworden sein.

Gruß
Christian

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financial weapons of mass destruction
Hallo,

Für die Realwirtschaft hat es aber kaum eine Bedeutung,
wieviel Derivatevolumen mit wieviel echtem Geld gehebelt wird,
ob die Blase platzt oder nicht usw. … Es sind hier und da
beschränkte Auswirkungen auf Individuen drin ( z.B. wie jetzt
durch die Pleite dieses US-Brokers ) und in Einzelfällen
gesamtwirtschaftliche Folgen ( z.B. Spekulation in Waren
welche die Lebensmittelpreise stark beeinflussen ), aber im
großen und ganzen ist das Volumen im Verhältnis zum Welt-BIP
relativ irrelevant.

das ist ein Trugschluß. Die ganze Diskussion über die Systerelevanz einiger Banken kam doch nicht zuletzt aufgrund des Derivatevolumens zustande. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt blieb auch das Drama um AIG, AMBAC und MBIA - Versicherungsgesellschaften, die ihr Geschäftsmodell mit dem Verkauf von Kreditausfallversicherungen aufmotzten und dafür sorgten, daß Aktiva von anderen Marktteilnehmern im Billionenbereich um mehrere Ratingklassen nach oben rutschten und entsprechend rentabler wurden.

Beim Blick in die Bilanzen der großen deutschen Banken sollte eigentlich auch jedem Angst un Bange werden. Spaßeshalber habe ich mir mal den Geschäftsbericht der Commerzbank gegriffen. Das ausstehende Derivatevolumen beläuft sich auf fast 12 Billionen Euro. 10 Billionen Euro davon sind OTC-Zinsderivate (i.W. Swaps). Das bedeutet nichts anderes, daß die Commerzbank ihren Kunden Zinsrisiken abgenommen hat. Diese Risiken fallen bei Ausfall der Commerzbank wieder auf diese Kunden zurück. Das kann am Ende jeden von uns betreffen, wenn nämlich der Arbeitgeber von diesen Risiken lötzlich förmlich erschlagen wird.

Die Derivate der Commerzbank hatten per Jahresende übrigens einen negativen Marktwert von 11 Mrd. Bei einem Eigenkapital von 28 Mrd. ist das schon ein Wort - insbesondere, wenn man sich überlegt, daß diese negative Markt umso größer werden dürfte, wenn ein größerer Geschäftspartner ausfällt, der wiederum der Commerzbank Risiken abgenommen hat.

Nun ist es natürlich nicht so, daß die Commerzbank die einzige Bank wäre, die mit Derivaten handelt. Bei der konservativen Helaba beträgt das Nominalvolumen 565 Mrd., bei der Deutschen Bank stattliche 60 Billionen - darunter Kreditderivate von 3,4 Billionen Euro.

Ich bin schon der Ansicht, daß das nennenswerte Volumina sind, die auch durchaus zur Bedrohung für das Wirtschaftssystem werden können, wenn sie entweder durch Ausfall der betreffenden Bank oder aber durch Ausfall eines größeren Handelspartners der betreffenden Bank entfesselt werden. Der Begriff von den „financial weapons of mass destruction“ (Warren Buffet) ist insofern gar nicht mal so falsch.

Gruß
Christian