Descartes und 'res cogitans'

Hallo Philosophiebegeisterte!

Die Philosophievorlesung, die ich gerade eben wieder besucht habe, lohnt sich durchaus. Heute war Descartes dran. Ja, Descartes´ erkenntnistheoretisches Denkgebäude mit seiner Unterscheidung von „res cogitans“ (die Seele!) und „res extensa“ (alles Dingliche) scheitert nach Meinung des Profs an der unleugbaren Tatsache, daß wir mit der Welt interagieren, während bei Gültigkeit der cartesianischen Erkenntnistheorie dieses nicht möglich wäre: das Leib-Seele-Problem. Also ist für den Prof. die Seele (oder moderner: das Ich, das Selbst-Bewußtsein) keine Substanz („res“), sondern etwas anderes. Was? Nun diese Frage stellte der Prof., um sie so zu beantworten: „Das weiß ich nicht. Das weiß überhaupt niemand.“ Diesen Gedankengang konnte ich als meinen eigenen wiedererkennen. Denn daß wir denken, fühlen, das kann man nicht ernsthaft bestreiten, doch wie die Gesamtheit des Denkens und Fühlens, das Erleben (oder Bewußtsein oder Ich oder meinetwegen Seele), beschaffen ist, welche Eigenschaften es hat, außer daß es nicht inferentiell vorliegt, das kann ich mir nicht beantworten und das hat mir auch kein anderer jemals beantworten können. Weiterhin bedeutet für mich aber die Unsicherheit über das, was das Erleben ist, daß eine wissenschaftliche Beschäftigung, zumindestens eine naturwissenschaftliche, nicht möglich ist. Was bleibt denn dann für die psychologische Wissenschaft noch übrig? :smile:

fragt Oliver Walter, Dipl. Psych.

Descartes und ‚res cogitans‘
Hi Oliver

tatsächlich wird in dem weiten Feld der heutigen „philosphy of mind“ Descartes duale Metaphysik als Anfang moderner Geist/mind-Begriffe bzw. -Philosophien angesehen, was allerdings nicht stimmt. Daß seine Philosophie aber der Anfang der Leib-Seele-Problematik ist, die sich bis in die heutige philosophy of mind (allerdings mit erheblich weiterentwickelter Begriffsdifferenzierung) hinzieht, das ist richtig.

Deine Stichworte zu Descartes sind mit Vorsicht zu lesen, sie sind etwas „schief“:

… mit seiner Unterscheidung von „res cogitans“ (die Seele!) und „res extensa“ (alles Dingliche)

D’s res cogitans ist auf keinen Fall mit „Seele“ zu übersetzen. Zeitgenössisch war animus/anima noch weitgehend koinzident mit der aritotelischen ψυχη.

In seinen Meditationes de Prima Philosphia bestimmt er:
„… sum igitur praecise tantum res cogitans, id est, mens, sive animus, sive intellectus, sive ratio …“ [Med.II,Z.13]

Daher ist dies:

Also ist … die Seele (oder moderner: das Ich, das
Selbst-Bewußtsein) keine Substanz („res“), sondern etwas
anderes.

aus folgenden Gründen nicht ganz richtig formuliert: r.cogitans ist weiter gefaßt als „Ich“ und „Selbstbewußtsein“ und ferner jedenfalls eine res. Denn unter res hat man ein Synonym zu substantia zu verstehen, welche nicht mit „materiellem Gegenstand“ (substratum) zu verwechseln ist. Das geht darauf zurück, daß die ciceronische substantia die griechische ουσια übersetzt, die sowohl „Wesen“ (im Sinne „das Wesen einer Sache“, aber auch Prinzip einer Philosophie), als auch „Lebe-Wesen“, als auch „der Gegenstand der Verhandlung“ (juristisch lat. res), als auch „die bewegliche materielle Sache“ (lat. dito res) bedeuten kann. res in der scholastischen und neuzeitlichen Philosophie hatte aber immer die erstere Bedeutung.

Das ist selbst der Fall, wenn man im Kontext Descartes vom „denkenden Ding“ = mens redet.

Die res extensa ist dagegen die Substanz als Inbegriff aller materiellen Dinglichkeit.

… scheitert nach Meinung des Profs an der unleugbaren Tatsache, daß wir mit der Welt interagieren, während bei Gültigkeit der cartesianischen Erkenntnistheorie dieses nicht möglich wäre …

Das ist nicht nur eine Meinung deines Profs, sondern es ist Gegenstand heftigster zeitgenössischer Auseinandersetzungen gewesen - in Stichworten: psycho-physischer Parallelismus (Occasionalismus, Geulinx), Malebranche, Leibniz …

Bei der späteren Descartes-Rezeption ist häufig übersehen worden (vor allem in der Szene der philosophy of mind - mangels gründlicher Lektüre, wie manche vermuten), daß Descartes zwar die wechselseitige Unabhängigkeit zwischen r.cog. und r. ext. beweist (vor allem in Med. VI), aber zugleich auch eine Interaktivität zwischen beiden (ebenda). Daher wird Descartes duale Prinzipientheorie auch (im Kontrast zum Occasionalismus) als „Interaktionismus“ bezeichnet.

Deine Aussage:

Weiterhin bedeutet für mich aber die Unsicherheit über das, was das Erleben ist, daß eine wissenschaftliche Beschäftigung, zumindestens eine naturwissenschaftliche , nicht möglich ist

würde Descartes [bzgl. der Hervorhebung von mir] sicherlich unterstreichen.

Allerdings muß man sehen, daß Descartes bzgl. des Psychischen, Subjektiven (Vorsicht! Der Begriff „Subjektivität“ bekommt in der neuzeitlichen Philosophie eine von der schloastischen verschiedene Konnotation) nur das der (eigenen) Kognition zugängliche versteht:

„Daß aber nichts im Geiste [mens], sofern er ein denkendes [cogitans] Ding ist, sein kann, dessen er sich nicht bewußt wäre, scheint mir an sich bekannt, weil wir in ihm, wenn wir ihn so betrachten, nichts einsehen, was nicht Denken wäre oder vom Denken abhinge; sonst nämlich würde es nicht [!] zum Geiste, sofern er ein denkendes Ding ist, gehören.“ [Med. in: „Antwort auf die vierten Einwände“]

Noch bis Ende des 19. Jhdts (z.B. Wundt, Aktualismus) kann man diese Spuren verfolgen, in denen ausschließlich das kognitiv-introspektiv Zugängliche als Gegenstand psychologischer Forschung möglich schien - natürlich mit verschiedenen (auch kontroversen) Ansätzen wissenschaftlicher Methodik … Eduard von Hartmanns „Philosophie des Unbewußten“ 1869 kann man als ersten revolutionären Ansatz einer Revision dieses Standpunktes ansehen.

Für die Reflexion des Denkens/Geistes in sich selbst war nun mal die Philosphie zuständig (ganz im Sinne der aristotelischen νοεσις νοεσεως). Diese in ihrer Perfektion ausgeprägten Form in der dialektischen Logik Hegels ist aber aus philosphiegeschichtlichen Gründen (sie ist für das formale Denken zu schwierig) nicht weiterentwickelt worden. Sie enthielt aber eine Möglichkeit der Objektivierung auch subjektiven Denkens… (aber das führt hier zu weit …)

Gruß

Metapher

Hallo Oliver,

Die Philosophievorlesung, die ich gerade eben wieder besucht
habe, lohnt sich durchaus.

das freut mich … :smile:

Descartes´ erkenntnistheoretisches Denkgebäude mit seiner
Unterscheidung von „res cogitans“ (die Seele!) und „res
extensa“ (alles Dingliche) scheitert nach Meinung des Profs an
der unleugbaren Tatsache, daß wir mit der Welt interagieren,
während bei Gültigkeit der cartesianischen Erkenntnistheorie
dieses nicht möglich wäre: das Leib-Seele-Problem.

Das ist nicht neu und schon von Kant und anderen gesagt worden. Von einem „Scheitern“ kann man allerdings nur dann sprechen, wenn man hier ontologisiert, also der res cogitans Eigenschaften zuschreibt, die nur einer res extensa zukommen. Das tut Descartes zwar (und damit hat er zweifellos Unrecht), aber das spricht nicht gegen die erkenntnistheoretische Unterscheidung. Dieser Standpunkt wird übrigens in der Dienstagsvorlesung von Manfred Sommer über Husserls transzendentale Phänomenologie sicherlich vertreten. Kersting hingegen nimmt als Politik- und Rechtsphilosoph von vornherein den Praxisstandpunkt der Lebenswelt als Ausgangspunkt an, was der Bedeutung des Cartesischen Ansatzes trotz seiner unbestrittenen Mängel nicht gerecht wird.

Also ist für den Prof. die Seele (oder moderner: das Ich, das
Selbst-Bewußtsein) keine Substanz („res“), sondern etwas
anderes.

Man muss – was Descartes und Kersting nach deiner Beschreibung nicht tun – zwischen einer Substanz als Materie und einer Substanz als (nichtmaterielle) Instanz schon unterscheiden. Kersting hat mit seiner Kritik insofern Recht, als eine Ontologisierung (im Sinne einer materialisierten bzw. bei Descartes einer quasi-materialisierten Seele in der Zirbeldrüse) falsch ist. Der Fehler bei Kersting liegt darin, dass er unbewusst in die schon bei Sokrates suspekten Was-ist-Fragen verfällt. Wenn ich frage „Was ist die Seele?“ (oder „Was ist das Ich?“ oder „Was ist das Selbstbewusstsein?“, dann ist der erste Schritt zum Fehler schon gemacht. Das zeigt sich auch in der sprachlichen Verwendung des bestimmten Artikels (das Ich etc.), was schon auf die falsche Fährte lockt.

Was? Nun diese Frage stellte der Prof., um sie so zu
beantworten: „Das weiß ich nicht. Das weiß überhaupt niemand.“

Eben – weil die Frage falsch gestellt ist. Wenn man aber anders herum fragt, welche Eigenschaften denn ein „Ich“ haben müsste, dann käme man möglicherweise auf die Antwort, dass die Eigenschaft der Intentionalität gegeben sein müsste. Und da diese Eigenschaft nicht eigentlich eine Eigenschaft sein kann, weil für eine Eigenschaft eine Substanz notwendig vorausgesetzt werden müsste, müsste man den Ausdruck „Ich“ also mit dem Ausdruck „Intensionalität“ gleichsetzen. Wie das zu denken wäre, davon kann der folgende (leider nicht online greifbare) Aufsatz eine Vorstellung geben: Gerold Prauss, Das Affektionsproblem, in: Internationaler Kant-Kongress 2000 Berlin, Hauptvorträge, Berlin et al. 2001, S. 86-94.

Was bleibt denn
dann für die psychologische Wissenschaft noch übrig? :smile:

Wenn du „psychologische Wissenschaft“ mit „Naturwissenschaft“ gleichsetzt, hat man IMHO in der Tat ein Problem, allerdings ein hausgemachtes. Denn wenn ich mir von vornherein qualitative, begriffliche, phänomenologische etc. Herangehensweisen dadurch abschneide, dass ich den Wissenschaftsbegriff so weit einschränke und die Alternativen als unwissenschaftliche Methoden gelten müssen , dann habe ich mir nicht nur einen, sondern viele mögliche Lösungswege selbst
abgeschnitten.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Thomas!

Die Philosophievorlesung, die ich gerade eben wieder besucht
habe, lohnt sich durchaus.

das freut mich … :smile:

Mich freut, daß Du entweder Prof. Kersting kennst oder Dich über ihn informiert hast. :smile:

Das ist nicht neu und schon von Kant und anderen gesagt
worden.

Was Kersting auch nicht anders behauptet hat.

Dieser Standpunkt wird übrigens in der
Dienstagsvorlesung von Manfred Sommer über Husserls
transzendentale Phänomenologie sicherlich vertreten.

Auf diese Vorlesung muß ich leider verzichten. Für mich ist eine erste Einführung, wie sie Kersting gibt, bestimmt das Richtige. Außerdem - wie weltlich :wink: - muß ich noch arbeiten.

Kersting
hingegen nimmt als Politik- und Rechtsphilosoph von vornherein
den Praxisstandpunkt der Lebenswelt als Ausgangspunkt an,

Stimmt. Sein Ausgangspunkt kommt mir entgegen.

was
der Bedeutung des Cartesischen Ansatzes trotz seiner
unbestrittenen Mängel nicht gerecht wird.

Meint Kersting das auch? :wink:

Man muss – was Descartes und Kersting nach deiner Beschreibung
nicht tun – zwischen einer Substanz als Materie und einer
Substanz als (nichtmaterielle) Instanz schon unterscheiden.

Kersting sagt schon, daß res extensa und res cogitans keine gemeinsamen Eigenschaften haben. Da die res extensa nach Descartes materiell ist, so schlußfolgere ich, daß die res cogitans immateriell sein muß. Doch wie können materielle und immaterielle Substanzen miteinander interagieren? Das ist nach Kersting das Problem. (Für mich auch).

Kersting hat mit seiner Kritik insofern Recht, als eine
Ontologisierung (im Sinne einer materialisierten bzw. bei
Descartes einer quasi-materialisierten Seele in der
Zirbeldrüse) falsch ist.

Ja, er spricht vom alten Kalauer des Arztes, der in den toten Körpern von Menschen nach der Seele gesucht und sie nicht gefunden hat. (Wie es bei alten Kalauern üblich ist, fand ich ihn nicht lustig. Amüsanter fand ich Kerstings Beschreibung eines Hirnforschers, der auf die Frage, wer denn - wenn nicht das Ich - entscheide, antwortete, daß das Gehirn entscheide. *schüttel*)

Der Fehler bei Kersting liegt darin,
dass er unbewusst in die schon bei Sokrates suspekten
Was-ist-Fragen verfällt.

Popper findet die auch nicht gut. Doch schien es mir, es ginge nicht ohne.

Wenn ich frage „Was ist die Seele?“
(oder „Was ist das Ich?“ oder „Was ist das
Selbstbewusstsein?“, dann ist der erste Schritt zum Fehler
schon gemacht. Das zeigt sich auch in der sprachlichen
Verwendung des bestimmten Artikels (das Ich etc.), was schon
auf die falsche Fährte lockt.

Hm…

Was? Nun diese Frage stellte der Prof., um sie so zu
beantworten: „Das weiß ich nicht. Das weiß überhaupt niemand.“

Eben – weil die Frage falsch gestellt ist.

Wirklich schade. Kerstings Standpunkt ist dem meinen sehr ähnlich.

Wenn man aber
anders herum fragt, welche Eigenschaften denn ein „Ich“ haben
müsste, dann käme man möglicherweise auf die Antwort, dass die
Eigenschaft der Intentionalität gegeben sein müsste. Und da
diese Eigenschaft nicht eigentlich eine Eigenschaft sein kann,
weil für eine Eigenschaft eine Substanz notwendig
vorausgesetzt werden müsste, müsste man den Ausdruck „Ich“
also mit dem Ausdruck „Intensionalität“ gleichsetzen.

Übersetzt käme man dann in etwa zu „Wille“. „Ich“ wäre „Wille“. Dies ist, wenn ich das so offen sagen darf, auch nicht gerade überraschend neu.

Wie das
zu denken wäre, davon kann der folgende (leider nicht online
greifbare) Aufsatz eine Vorstellung geben: Gerold Prauss, Das
Affektionsproblem, in: Internationaler Kant-Kongress 2000
Berlin, Hauptvorträge, Berlin et al. 2001, S. 86-94.

Na, vielleicht tut´s ja die Fernleihe.

Was bleibt denn
dann für die psychologische Wissenschaft noch übrig? :smile:

Wenn du „psychologische Wissenschaft“ mit „Naturwissenschaft“
gleichsetzt, hat man IMHO in der Tat ein Problem, allerdings
ein hausgemachtes.

Oder die psychologische Wissenschaft beschränkt sich auf das Verhalten. Natürlich würden die Intentionalisten meinen, daß man dann etwas äußerst Abstruses tut.

Denn wenn ich mir von vornherein
qualitative, begriffliche, phänomenologische etc.
Herangehensweisen dadurch abschneide, dass ich den
Wissenschaftsbegriff so weit einschränke und die Alternativen
als unwissenschaftliche Methoden gelten müssen , dann
habe ich mir nicht nur einen, sondern viele mögliche
Lösungswege selbst abgeschnitten.

Im Einzelfall - Du sprichst von „ich mir“ - soll es jeder selbst entscheiden, welche Herangehensweise er wählt. Diese Entscheidung hat sicherlich auch etwas mit Fähigkeiten zu tun. Generell sehe ich es so, daß man die Methoden nicht einschränken sollte, mit denen man forscht, aber es darf darüber gestritten werden, welche Herangehensweisen und welche Methoden, die mit ihnen verknüpft sind, zu Erkenntnisfortschritt führen.

Danke für Deine Antwort.

Oliver Walter

Hallo Oliver,

Für mich ist eine erste Einführung, wie sie Kersting gibt,
bestimmt das Richtige.

das wollte ich nicht in Frage stellen, sondern nur implizit anmerken, dass es gerade in dieser Frage des Anfangs ziemlich weit auseinanderliegende Meinungen gibt.

Praxisstandpunkt der Lebenswelt als Ausgangspunkt an,
was der Bedeutung des Cartesischen Ansatzes trotz seiner
unbestrittenen Mängel nicht gerecht wird.

Meint Kersting das auch? :wink:

Ich meinte natürlich, dass er Descartes gerade aufgrund dieser Herangehensweise nicht positiver bewerten kann. Ich wollte also nicht seine Herangehensweise als gültig bestreiten, sondern nur sagen, dass es auch andere Methoden gibt, mit denen man zu anderen Ergebnissen kommen kann. Meine Absicht war also nicht die Konfrontation von Methoden, sondern ein Plädoyer für Methodenvielfalt zu halten, denn jede Methode ist nur so gut, wie die Ergebnisse, die sie zu liefern vermag. An anderen Stellen kommt man als IMHO mit der lebensweltlichen Einstellung durchaus weiter, nur an diesem „Anfangsproblem“ eben nicht - und zwar deshalb, weil die lebensweltliche Einstellung ein Problem der Genesis (also der Entstehung in Raum und Zeit) ist, während das „Anfangsproblem“ ein Problem der Geltung (unabhängig von Raum und Zeit) ist.

Doch wie können materielle und
immaterielle Substanzen miteinander interagieren? Das ist nach
Kersting das Problem. (Für mich auch).

Das ist es in der Tat.

Was-ist-Fragen

Popper findet die auch nicht gut. Doch schien es mir, es ginge
nicht ohne.

Das mag ja sein, aber man kann diese Fragen eben unter verschiedener Aspektierung stellen.

„Intensionalität“

Übersetzt käme man dann in etwa zu „Wille“. „Ich“ wäre
„Wille“. Dies ist, wenn ich das so offen sagen darf, auch
nicht gerade überraschend neu.

Oh, das wäre ein Missverständnis. Ich wollte keinen schopenhauerischen oder nietzscheanischen Standpunkt vertreten, sondern eher auf Brentano hinweisen („Psychologie vom empirischen Standpunkt“, 1874). Da geht es keineswegs um den „Willen“ im metaphysischen Sinn, sondern um die grundsätzliche Objektbezogenheit jedes Bewusstseins, wobei das Objekt zwar als Objekt existiert, aber nicht als Gegenstand existieren muss.

Na, vielleicht tut´s ja die Fernleihe.

Wenn du den Aufsatz gelesen hast, würde mich deine Meinung interessieren.

Oder die psychologische Wissenschaft beschränkt sich auf das
Verhalten. Natürlich würden die Intentionalisten meinen, daß
man dann etwas äußerst Abstruses tut.

Ach, nicht unbedingt abstrus, aber doch unnötig selbstbeschränkend.

Im Einzelfall - Du sprichst von „ich mir“ - soll es jeder
selbst entscheiden, welche Herangehensweise er wählt.

Das halte ich für falsch, denn die Herangehensweise muss nicht mir selbst gefallen (denn in diesem Fall könnte ich nach Gusto auch Astrologie oder Ähnliches treiben), sondern es geht - wie du ganz richtig am Ende sagst - um Erkenntnisfortschritt. Der aber ist in ganz hohem Maße vom jeweiligen Objekt bestimmt. Wenn ich also ein Objekt ausschließe, weil meine Methode das Objekt nicht erreicht, dann liegt es an der Methode und nicht am Objekt, wobei die Methode natürlich für andere Objekte durchaus sinnvoll sein kann.

Diese
Entscheidung hat sicherlich auch etwas mit Fähigkeiten zu tun.

Nanu, eine kleine Spitze gegen mich?

Herzliche Grüße

Thomas Miller

außerdem
wollte ich dich noch aufmerksam machen auf:

Hermann Schmitz (Prof. emeritus in Kiel):
„Leib und Gefühl. Materialien zu einer philosophischen Therapeutik“
ISBN 3873870096 Buch anschauen

Es kommt zwar aus einem ganz anderen als deinem vermutlichen bisherigen literarischen Einzugsgebiet, aber es könnten für deine Interessen einige Ansätze darin sein.

Gruß

Metapher

Meditationes

Kersting sagt schon, daß res extensa und res cogitans keine
gemeinsamen Eigenschaften haben.

Das sagt vor allem Descartes selbst …

Da die res extensa nach Descartes materiell ist, so schlußfolgere ich, daß die res cogitans immateriell sein muß.

Ja, sie hat - bei Descartes - mit Materie (qua extensive Gegenstände) gar nichts zu tun.

Doch wie können materielle und
immaterielle Substanzen miteinander interagieren? Das ist nach
Kersting das Problem. (Für mich auch).

Dazu meine Empfehlung im Posting oben: In Meditationes VI sagt Descartes einiges dazu …

Gruß

Metapher

1 Like

Hallo Philosophiebegeisterte!

Hallo Oliver,
Das Leib-Seele Problem ist auch für mich höchst spannend. Du als Psychologe müsstest mal im Buch von Antonio Damasio schnuppern. Er ist der z.Z.führende Neurologe. Das Buch: „Descartes’Irrtum“.
Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn. Meine Ansicht: Der Dualismus ist doch schon längst ein Ladenhüter und ist heute kaum ernst zu nehnem.
Mit Gruss: hardy

Hallo Hardy,

Der Dualismus ist doch schon längst ein Ladenhüter und ist heute
kaum ernst zu nehnem.

wenn du das so sagst, dann musst du aber auch sagen, dass es heute kaum noch Philosophen (und Psychologen) gibt, die den Dualismus in der Form von Descartes vertreten, Funktionalisten (Putnam etwa) würden nicht von zweierlei „res“ sprechen. Das Problem (in der aktuellen philosophischen Diskussion) ist eher ein anderes, nämlich die Frage, inwieweit die monistischen Theorien als materialistisch (und zwar ausschließlich) gewertet werden können. Nun gibt es aber Phänomene, die sich einer materialistischen Erklärung außerordentlich stark widersetzen, woraus folgt, dass der Dualismus in irgendeiner Form notwendig bleibt. Und da der Spiritualismus (Weizsäcker) nicht sinnvoll vertreten werden kann, der Substanzdualismus aber auch nicht greift, bleibt nur der Versuch, diese Phänomene über einen Eigenschaftsdualismus zu erklären. Und das ist in der Tat viel weniger problematisch.

Der Dualismus ist also zwar ein Ladenhüter, wie du schreibst, aber vor allem eben in seiner Cartesischen Form. Der reine Monismus ist ebenso keine Erklärung. So verstehen sich die Funktionalisten eben als Verbesserer eines unhaltbaren Behaviorismus. Es ist doch komplizierter, als man gemeinhin denkt.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Thomas!

[…] implizit
anmerken, dass es gerade in dieser Frage des Anfangs ziemlich
weit auseinanderliegende Meinungen gibt.

Ist mir doch klar!

Ich meinte natürlich, dass er Descartes gerade aufgrund dieser
Herangehensweise nicht positiver bewerten kann. Ich wollte
also nicht seine Herangehensweise als gültig bestreiten,
sondern nur sagen, dass es auch andere Methoden gibt,
mit denen man zu anderen Ergebnissen kommen kann.

Na ja, Du hast von „falsch“ gesprochen, was mit „gültig“ m.E. nicht vereinbar ist.

Meine
Absicht war also nicht die Konfrontation von Methoden, sondern
ein Plädoyer für Methodenvielfalt zu halten,

Trotzdem darf gestritten werden, welche Methode die angemessenste für die Untersuchung von Fragestellungen ist.

Na, vielleicht tut´s ja die Fernleihe.

Wenn du den Aufsatz gelesen hast, würde mich deine Meinung
interessieren.

Ich hoffe, mal zum Lesen dieses Aufsatzes zu kommen. Der Descartes liegt auch noch hier ´rum.

Das halte ich für falsch, denn die Herangehensweise muss nicht
mir selbst gefallen (denn in diesem Fall könnte ich nach Gusto
auch Astrologie oder Ähnliches treiben)

Im Gegenteil bin ich der Meinung, daß die Herangehensweise dem Untersucher irgendwie liegen muß, denn sonst dürfte sich schnell das Motivationsproblem stellen.

Diese
Entscheidung hat sicherlich auch etwas mit Fähigkeiten zu tun.

Nanu, eine kleine Spitze gegen mich?

Nein, sondern der Hinweis darauf, daß die Entscheidung für eine Herangehensweise und ihre Methode nicht nur rational begründet ist, besser: daß die Rationalität der Entscheidung für eine Herangehensweise die persönlichen Fähigkeiten und Vorlieben miteinbezieht. Hypothese: Dies gilt für alle.

Freundliche Grüße,

Oliver Walter

Hallo Oliver,

Ich meinte natürlich, dass er Descartes gerade aufgrund dieser
Herangehensweise nicht positiver bewerten kann. Ich wollte
also nicht seine Herangehensweise als gültig bestreiten,
sondern nur sagen, dass es auch andere Methoden gibt,
mit denen man zu anderen Ergebnissen kommen kann.

Na ja, Du hast von „falsch“ gesprochen, was mit „gültig“ m.E.
nicht vereinbar ist.

ja, schon richtig, „falsch“ im Sinne einer Herangehensweise an das Anfangsproblem, eben weil man hier mit dieser Methode keine positiven Ergebnisse erzielt (was man doch möchte). Diese an dieser Stelle falsche Methode kann an anderer Stelle - etwa bei der Frage nach rationalen Entscheidungsprozessen - durchaus ihre Vorteile haben. Das macht sie aber nicht für alle Probleme der Welt geeignet.

Trotzdem darf gestritten werden, welche Methode die
angemessenste für die Untersuchung von Fragestellungen ist.

Auch richtig, aber das habe ich nicht bestritten. Aber die Formulierung scheint mir fraglich wenn nicht falsch zu sein, denn es gibt verschiedene Typen von Fragestellungen, für die unter Umständen ganz verschiedene Typen von Untersuchungen angemessen sein können. M. a. W. ist eine Methode immer nur so gut wie die Fragstellung, auf die sie sich bezieht.

Im Gegenteil bin ich der Meinung, daß die Herangehensweise dem
Untersucher irgendwie liegen muß, denn sonst dürfte sich
schnell das Motivationsproblem stellen.

Bei Fichte findet sich irgendwo der Satz „Was für eine Philosophie man wählt, hängt davon ab, was für ein Mensch man ist“. Dieser Satz hat einiges für sich, wie ich durchaus finde, aber dieser Satz birgt auch die Gefahr, der eigenen Philosophie zu erliegen und nicht mehr lernfähig zu sein. Andererseits könnte man diesen Satz aber eben auch umkehren und sagen „Was für ein Mensch ich bin, solch eine Philosophie wähle ich mir“. Diese Umkehrung ist logisch trivial, und doch hat sie einen interessanten Kern. Ich könnte mich nämlich aufgrund der Wahl einer Philosophie verändern und so den Umschwung von einer Philosophie (der ich zuerst anhing) zu einer anderen Philosophie (die sich als besser erwiesen hat) rechtfertigen.

Hinweis darauf, daß die Entscheidung für
eine Herangehensweise und ihre Methode nicht nur rational
begründet ist, besser: daß die Rationalität der Entscheidung
für eine Herangehensweise die persönlichen Fähigkeiten und
Vorlieben miteinbezieht. Hypothese: Dies gilt für alle.

Ganz im Fichteschen Sinn, aber wenn man sieht, dass eine Methode an einer bestimmten Stelle nicht weiterführt, muss man doch die Methode wechseln und nicht das Problem als prinzipiell unlösbar erklären. Das scheint mir ganz klar zu sein.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Vielen Dank für Deine Ausführungen und den Literaturtipp. Sicherlich ist es sinnvoll, die in der Diskussion stehenden Begriffe und ihre jeweilige Bedeutung genau zu kennen.

Gruß,

Oliver Walter

Kersting sagt schon, daß res extensa und res cogitans keine
gemeinsamen Eigenschaften haben.

Das sagt vor allem Descartes selbst …

Mein Satz war die Antwort auf Thomas´ Unsicherheit darüber, ob Kersting diese „Erkenntnis“ Descartes´ auch referiert hat.

Doch wie können materielle und
immaterielle Substanzen miteinander interagieren? Das ist nach
Kersting das Problem. (Für mich auch).

Dazu meine Empfehlung im Posting oben: In Meditationes VI sagt
Descartes einiges dazu …

Sie liegen auf dem Nachttisch.

Gruß,

Oliver Walter

Hallo Thomas!

Zu diesem Thema

Bei Fichte findet sich irgendwo der Satz „Was für eine
Philosophie man wählt, hängt davon ab, was für ein Mensch man
ist“ usw.

findet sich auch in der psychologischen Literatur einiges (Stichwort: Selektions-Sozialisations-Problem).

Ich könnte mich nämlich
aufgrund der Wahl einer Philosophie verändern und so den
Umschwung von einer Philosophie (der ich zuerst anhing) zu
einer anderen Philosophie (die sich als besser erwiesen hat)
rechtfertigen.

Dann besteht ja noch Hoffnung für Dich :wink:

Ganz im Fichteschen Sinn, aber wenn man sieht, dass eine
Methode an einer bestimmten Stelle nicht weiterführt, muss man
doch die Methode wechseln und nicht das Problem als
prinzipiell unlösbar erklären. Das scheint mir ganz klar zu
sein.

Mir auch.

Freundliche Grüße,

Oliver Walter

Danke für die Erläuterungen, Thomas. Noch etwas präziser: Nimm Dir mal Strwasons Buch Individuals vor, wo eben dieser - wie Th.M. ihn nannte - Eigenschaftsdualismus ausmultipliziert wird.

Problem des res cogitans Begriffs ist eben nicht „cogitans“, sondern „res“, die Behauptung, es gäbe ein Ding namens „das,was denkt“. Strawson glaubt, es gäbe so etwas wie „Personen“, und für Dinge namens „personen“ gilt: Sie können sowohl 1,86 m gross als auch euphorisch sein, will sagen: man kann ihnen sowohl physikalische als auch psychische Eigenschaften sinnvoll zu oder absprechen (einem Stück Holz wird man kaum psychische Eigenschaften zu sprechen, der sizilianischen Eröffnung im Schach wird man kaum sinnvoll zusprechen können, sie sei 1 m gross…)

Grüsse