Descartes und ‚res cogitans‘
Hi Oliver
tatsächlich wird in dem weiten Feld der heutigen „philosphy of mind“ Descartes duale Metaphysik als Anfang moderner Geist/mind-Begriffe bzw. -Philosophien angesehen, was allerdings nicht stimmt. Daß seine Philosophie aber der Anfang der Leib-Seele-Problematik ist, die sich bis in die heutige philosophy of mind (allerdings mit erheblich weiterentwickelter Begriffsdifferenzierung) hinzieht, das ist richtig.
Deine Stichworte zu Descartes sind mit Vorsicht zu lesen, sie sind etwas „schief“:
… mit seiner Unterscheidung von „res cogitans“ (die Seele!) und „res extensa“ (alles Dingliche)
D’s res cogitans ist auf keinen Fall mit „Seele“ zu übersetzen. Zeitgenössisch war animus/anima noch weitgehend koinzident mit der aritotelischen ψυχη.
In seinen Meditationes de Prima Philosphia bestimmt er:
„… sum igitur praecise tantum res cogitans, id est, mens, sive animus, sive intellectus, sive ratio …“ [Med.II,Z.13]
Daher ist dies:
Also ist … die Seele (oder moderner: das Ich, das
Selbst-Bewußtsein) keine Substanz („res“), sondern etwas
anderes.
aus folgenden Gründen nicht ganz richtig formuliert: r.cogitans ist weiter gefaßt als „Ich“ und „Selbstbewußtsein“ und ferner jedenfalls eine res. Denn unter res hat man ein Synonym zu substantia zu verstehen, welche nicht mit „materiellem Gegenstand“ (substratum) zu verwechseln ist. Das geht darauf zurück, daß die ciceronische substantia die griechische ουσια übersetzt, die sowohl „Wesen“ (im Sinne „das Wesen einer Sache“, aber auch Prinzip einer Philosophie), als auch „Lebe-Wesen“, als auch „der Gegenstand der Verhandlung“ (juristisch lat. res), als auch „die bewegliche materielle Sache“ (lat. dito res) bedeuten kann. res in der scholastischen und neuzeitlichen Philosophie hatte aber immer die erstere Bedeutung.
Das ist selbst der Fall, wenn man im Kontext Descartes vom „denkenden Ding“ = mens redet.
Die res extensa ist dagegen die Substanz als Inbegriff aller materiellen Dinglichkeit.
… scheitert nach Meinung des Profs an der unleugbaren Tatsache, daß wir mit der Welt interagieren, während bei Gültigkeit der cartesianischen Erkenntnistheorie dieses nicht möglich wäre …
Das ist nicht nur eine Meinung deines Profs, sondern es ist Gegenstand heftigster zeitgenössischer Auseinandersetzungen gewesen - in Stichworten: psycho-physischer Parallelismus (Occasionalismus, Geulinx), Malebranche, Leibniz …
Bei der späteren Descartes-Rezeption ist häufig übersehen worden (vor allem in der Szene der philosophy of mind - mangels gründlicher Lektüre, wie manche vermuten), daß Descartes zwar die wechselseitige Unabhängigkeit zwischen r.cog. und r. ext. beweist (vor allem in Med. VI), aber zugleich auch eine Interaktivität zwischen beiden (ebenda). Daher wird Descartes duale Prinzipientheorie auch (im Kontrast zum Occasionalismus) als „Interaktionismus“ bezeichnet.
Deine Aussage:
Weiterhin bedeutet für mich aber die Unsicherheit über das, was das Erleben ist, daß eine wissenschaftliche Beschäftigung, zumindestens eine naturwissenschaftliche , nicht möglich ist
würde Descartes [bzgl. der Hervorhebung von mir] sicherlich unterstreichen.
Allerdings muß man sehen, daß Descartes bzgl. des Psychischen, Subjektiven (Vorsicht! Der Begriff „Subjektivität“ bekommt in der neuzeitlichen Philosophie eine von der schloastischen verschiedene Konnotation) nur das der (eigenen) Kognition zugängliche versteht:
„Daß aber nichts im Geiste [mens], sofern er ein denkendes [cogitans] Ding ist, sein kann, dessen er sich nicht bewußt wäre, scheint mir an sich bekannt, weil wir in ihm, wenn wir ihn so betrachten, nichts einsehen, was nicht Denken wäre oder vom Denken abhinge; sonst nämlich würde es nicht [!] zum Geiste, sofern er ein denkendes Ding ist, gehören.“ [Med. in: „Antwort auf die vierten Einwände“]
Noch bis Ende des 19. Jhdts (z.B. Wundt, Aktualismus) kann man diese Spuren verfolgen, in denen ausschließlich das kognitiv-introspektiv Zugängliche als Gegenstand psychologischer Forschung möglich schien - natürlich mit verschiedenen (auch kontroversen) Ansätzen wissenschaftlicher Methodik … Eduard von Hartmanns „Philosophie des Unbewußten“ 1869 kann man als ersten revolutionären Ansatz einer Revision dieses Standpunktes ansehen.
Für die Reflexion des Denkens/Geistes in sich selbst war nun mal die Philosphie zuständig (ganz im Sinne der aristotelischen νοεσις νοεσεως). Diese in ihrer Perfektion ausgeprägten Form in der dialektischen Logik Hegels ist aber aus philosphiegeschichtlichen Gründen (sie ist für das formale Denken zu schwierig) nicht weiterentwickelt worden. Sie enthielt aber eine Möglichkeit der Objektivierung auch subjektiven Denkens… (aber das führt hier zu weit …)
Gruß
Metapher