Desinfizieren im Mittelalter, womit?

Holla,

leider bin ich mir hier nicht sicher ob Medizin- oder Mittelalter-Brett. Na, hoffe ich mal das Beste.
Die Frage ist eigentlich schon gestellt. Mein Problem ist allerdings, dass sich zwar im Internet eine Menge finden lässt zu dem Thema, aber sich ständig einzelne Dinge widersprechen (mal wurden die Wunden angeblich nur ausgebrannt, dann wurden die wildesten Desinfektionsmittel eingesetzt, bei dem Wein noch am harmlosesten war), genau wie natürlich die zu behandelnden Wunden.
Was ist zum Beispiel bei entzündeten Wunden, die nicht tief ins Fleisch gehen? Hat man die desinfiziert? Doch wohl nicht gleich immer ausgebrannt? Wurden tiefe Schnitte vor dem Nähen irgendwie behandelt?

Freue mich über jeden Hinweis und jede Antwort. Muss meine Charaktere wieder zusammenflicken :wink:

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Hallo,
Alkohol, in Form von Brandwein, Rum ect. soll wohl sehr beliebt gewesen sein.
Zum desinfizieren, sowie zum betäuben.
grüsse borthi

Wann denn? Das Mittelalter ist lang. Ich bin kein Experte für Medizin, aber so kurz nach der Pest gab es schon relativ fundierte geschriebene Werke über Medizin. Ich gehe stark davon aus, daß man so um 1100 anders desinfiziert hat als so um 1400.

Hallo, weshalb desinfizieren? Damals gab es doch keine Bakterien, zumindest kannte man sie nicht.
Man hat Wunden ausgebrannt, um die Blutung zu stillen, wodurch zufällig gleichzeitig eine Desinfektion zustande kam, die durchaus förderlich war, aber therapeutisch keine Rolle spielte, da desinfizieren damals eben unnötig war.
Alkohol hat man notfalls zum Betäuben genommen (eher einige Pflanzliche Mittel).

Also nix mit Desinfektion, rein die Blutstillende Wirkung des Glüheisens war entscheidend. Hitze war die Therapie für Wunden, wahlweise auch mit heißem Öl
Ambroise Parè war übrigens der erste, der etwas anderes verwendete und damit zufällig auch erfolgreich war, Anfang 16. Jh. Wobei es ihm dabei um die angeblich vergifteten Schußwunden ging. Also immer noch nix mit Bakterien oder auch nur Miasmen, die waren nur für Seuchen zuständig und dabei ein Hauch einer Ahnung.
Gruß Susanne

Hallo,

Interessant ist auch folgender Aspekt: Im Mittelalter gab es deutlich weniger Erkrankungen beim Adel, als beim gewöhnlichen Volk. Ein Umstand war der, daß das im verwendeten Silber-Besteck ablösende Silber in das Essen, eine gewisse desinifzierende Wirkung auf den Magen-Darm Trakt hatte. So konnten sich viele Bakterien nicht so stark vermehren als sonst üblich.

Hallo Mirko,

könntest Du das bitte in irgendeiner Form belegen?

Gruß

=^…^=

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Hallo Susanne,

wie sah es - zur allgemeinen Förderung der Heilung, nicht zum Desinifizieren - mit Wickeln und Umschlägen aus, eventuell unter Verwendung von Kräutern?

Beste Grüße

=^…^=

Hallo Mirko,

Ein Umstand war der, daß das im verwendeten
Silber-Besteck ablösende Silber in das Essen, eine gewisse
desinifzierende Wirkung auf den Magen-Darm Trakt hatte.

dumm nur, daß man kaum mit Besteck aß, höchstens Suppe oder Brei mit dem Löffel.
Die anderen SAchen wurden mit Messern geschnitten, die sicher nicht aus Silber waren und dann mit der Hand gegessen.

Ich biete als Grund die tendentiell bessere/ausgewogenere Ernährung.

Gandalf

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Hallo, das gabs sicherlich, ich wollt mich nur nicht zuweit aus dem FEnster lehnen, ohne nochmal nachgeschlagen zu haben, was nun für was wäre. Aber es gibt natürlich auch blutstillende Kräuter, bzw. Moose. Doch die kamen glaub ich erst später zum Einsatz. Andere Kräuter wurden mit allerlei unterschiedlichen Gründen verwendet, manche auch mit Magischem BEiwerk laut Signaturenlehre, andere wirklich rational.

Fürs Mittelalter gibts aber nur wenig Aufzeichnungen, die für hiesige Gefilde herangezogen werden konnten. Die Mönche haben in ihren Hospitälern oft noch nach den alten Griechen behandelt, da kann man also bei Hippokrates, GAlen, Celsus und Co nachschauen. Wer ganz hipp war hat auch schon Schriften von Avicenna („KAnon der Medizin“)oder Abulkasim (Chirurgie) lesen können.
Bei den FEldschern, Chirugici, Babiern und co setzten sich erst mit Erfindung des Buchdrucks auch erste Lehrbücher durch, da wären Hieronymus Brunschwiegs Buch der Chirurgia zu nennen (der auch ein schönes Destillierbuch schrieb) oder HAns v. GErsdorff Feldbuch der Wundarzney.
Von denen kann man dann allenfalls aus dem GEschriebenen zurückprojezieren, da in scholastischer Tradition die alten Autoren, wo sie es her übernommen haben, genannt werden.

Die „Heilsame Dreckapotheke“ des HErrn Paullini ist für die Wundbehandlung nicht unbedingt zu empfehlen, da geht es mit Krokodilkacke und Mäuseurin zur Sache, wobei die Frage bleibt, wie man das gewonnen hat und ob man manch exotische Art Dung wirklich impotierte.

Also echtes Mittelalter ist schwer zu fassen, Gelehrte Medizin ist nicht unbedingt die angewandte Medizin gewesen. Allerdings kann man einiges zu gängigen Konzepten aus dem schöpfen, was die GElehrten wiederrum über die Chirurgische ZUnft abliessen.

Ein wichtiges Konzept im Mittelalter, was hier zum Thema relevant wäre, war das „pus bonum et laudabile“ (der gute und lobenswerte Eiter), dh. es wurde angenommen, dass eine Wunde nur dann RICHTIG heilt, wenn sie erst mal ordentlich Eiter bildet. Manchmal wurde diese Eiterbildung auch extra angeregt, durch sogenannte Haarseile.
Also genau das Gegenteil von Desinfizieren.

Aber ein wirklich gutes Buch zur MEdizin im Mittelalter hab ich lange nicht gesehen, also zumindets keines, dass alle Aspekte mal zusammenfasst. Von jankrift gibt es da welche, das ganz nett sind, aber an manchen Ecken bekomm ich da mal BAuchschmerzen, weil mir da unterschwellig irgendwas nicht ganz stimmig erscheint, man me´rkt, dass er eigentlich besser über Späte Neuzeit schreiben sollte.
Von Ortrud Riha gbt es eine MEnge zur Medizin im Mittelalter, die ist wirklich auch im Mittelalterthema drin, beleuchtet aber gerne eher Spezialthemen, von denen einige aber auch gerade die Laien/ Handwerkerbehandlung betreffen.

Das ganze ist also ein ziemlich umfassendes Thema, dass isch nicht mal eben aus dem Ärmel schütteln lässt.
Gruß Susanne

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dumm nur, daß man kaum mit Besteck aß, höchstens Suppe oder
Brei mit dem Löffel.
Die anderen SAchen wurden mit Messern geschnitten, die sicher
nicht aus Silber waren und dann mit der Hand gegessen.

Naja, das hängt ziemlich davon ab, wann im Mittelalter wir uns bewegen.

Hallo,

Naja, das hängt ziemlich davon ab, wann im Mittelalter wir uns bewegen.

Mittelalter ist eben nicht Barock oder noch später, wo feine Leute
schon eine gewisse Kultur an den Tag legten.
Gruß Uwi

ot: Gabel
Hallo,

Naja, das hängt ziemlich davon ab, wann im Mittelalter wir uns
bewegen.

nun ja, auch im Adel verbreitete sich hierzulande die Gabel eigentlich erst nach dem Mittelalter: http://de.wikipedia.org/wiki/Essbesteck#Gabel

Beste Grüße

=^…^=

Moin Lorgarn,

Naja, das hängt ziemlich davon ab, wann im Mittelalter wir uns
bewegen.

das Mittelalter war zwar ziemlich lang (ca. 500 - 1500) und war kulturell und sozialgeschichtlich ziemlich heterogen, aber witzigerweise ist der Gebrauch bzw. Nichtgebrauch von Besteck etwas, was sich durchs gesamte Mittelalter zieht.

Gandalf

hallo nachtwind,

die frage ist an sich schon nicht möglich - da es vor pasteur keine kenntnisse von mikroorganismen im allgemeinen und viren/bakterien/sporen im besonderen gab, wurde also nicht gezielt dagegen vorgegangen. überhaupt stand sauberkeit, geschweige denn reinlichkeit oder gar keimfreiheit nicht zur debatte.

die kleidung wurde im mittelalter nicht oder kaum gewaschen, unterwäsche gibt es erst seit ca 200 jahren, der name unterwäsche kommt ua auch daher das diese kleidung gewaschen wurde. ich sah einen beitrag im tv das um ca 1750 in deutschland z.t. hemden getragen wurden(langärmliche hemden unter der anderen kleidung)die hinten eine verlängerung hatten mit der sich der hintern nach dem geschäft abgewischt wurde … etc.

es wurden durchaus kräuterauszüge der verschiedensten art (in wasser, öl, alkohol…/ von zb thymian,salbei, wermut…) zur anregung der heilung verwendet,
aber vom desinfizieren kannst du nicht reden…
es wurde nur fröhlich infiziert ; )

das fällt mir spontan ein,
aber sicher gibts noch mehr infos…

warum fragst du das , studierst du in die richtung, oder willst du auf dem mittelaltermarkt ein badehaus aufmachen ?

lg frau erbse

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo frau erbse,

nee, Studieren ist noch ein Weg hin und auf ein Badehaus wäre ich nie gekommen :wink: - ich schreibe ein Buch, für das ich grundlegend auch medizinische Kenntnisse auf mittelalterlicher Basis benötige. Das meiste habe ich dank einiger hilfreicher Bücher schon zusammen, nur beim (des)Infizieren :wink: bin ich ständig auf Widersprüche gestoßen.

Vielen Dank für die ausführliche Antwort, das Problem ist so gut wie gelöst. Jetzt muss ich das nur noch meinen zwei Ärzten beibringen, sprich in die Story einflechten. Vielen Dank!

Nachtblick

Erledigt, vielen Dank!
Vielen Dank für die tollen ausführlichen & sehr hilfreichen Antworten. Da ist eine ganze Ecke mittelalterlicher Krankenversorgung mehr bei rausgekommen, als ich dachte…

Liebe Grüße
Nachtblick

Hallo zusammen,

zumindest den Löffel gab es schon in Silber im Mittelalter. Der Gebrauch von kolloidalem Silber zur Behandlungen von Krankheiten war bekannt schon von den Römernher. Auch in China wurde Silber eingesetzt. Warum dies so ist wurde aber erst Ende des 19. Jh. bekannt.

Übrigens nutzen auch Kühlschrankhersteller Silberpartikel in der Innenverkleidung um den Innenraum vor Verkeimung zu schützen.

Gruß Mirko

Hallo Kamikazekatze,

die Wiederentdeckung der antibakteriellen Wirkung des Silbers kannst Du in deiner Ortsapotheke nachrecherchieren :smile:

Es gibt seit Ende des 19. Jh. Forschungen über dieses Thema,
im Wiki steht auch was kurzes darüber wie es heute eingesetzt wird

http://de.wikipedia.org/wiki/Silber

Absatz Silber in medizinischen Anwendungen

Dann gab es was im Ärzteblatt

http://www.aerzteblatt.de/V4/news/news.asp?id=33419

von der Fraunhofer-Gesellschaft

tatsächlich ist der Nutzen unbelegt. Es gibt dennoch empirische Studien.
Hier auch noch mal ein kurzer Artikel.

http://www.fraunhofer.de/archiv/magazin-2003/pflege…

Gruß Mirko

1 Like

Hallo Mirko,

zumindest den Löffel gab es schon in Silber im Mittelalter.

aber nur in den seltensten Fällen (und eher gegen Ende des Mittelalters) - im Normalfall benutzen auch Adlige außer den eigenen Händen nur Messer und aus Holz oder Horn geschnitzte Löffel:

http://www.geocities.com/tamlien_2000/essen_und_trin…

Beste Grüße

=^…^=

Moin Mirko,

Der Gebrauch von kolloidalem Silber zur Behandlungen von
Krankheiten war bekannt schon von den Römernher.

könntest Du mir sagen, wie die damals kolloidales Silber hergestellt haben?
Das ist nämlich gar nicht zu einfach.

Gandalf