Deutsch im Sachbuch: Stilblüten oder falsch?

Hallo, aus einem auf Deutsch geschriebenen Sachbuch über die dt. Nachkriegszeit möchte ich ein paar Dinge zitieren und Euch fragen, ob Stilblüten, Unpassendes und Fehler dabei sind. Es geht mir NUR um sprachliche Korrektheit oder Angemessenheit.

Mögliche Stilblüten oder Unangemessenheit:

—1.

Das Skelett wirkte besonders spooky

(Über Kriegsruinen, Kursivierung wie im Buch - angemessen?)

2.

Eine dichtgedrängte schwarzgewandete Fronleichnamsprozession zwischen Kriegsruinen als „Wimmelbild“ - angemessen?

—3

Über eine improvisierte Eisenbahn:

Entgleisungen gab es wegen der fliegend verlegten Gleise, aber im Großen und Ganzen verlief der Betrieb perfekt

(Evtl. widersprüchlich wg. „Entgleisungen“ vs. „perfekt“ und mit unschönem Doppler „Entgleisungen“-„Gleise“?)

—4.

alle Facetten der geistigen Flora

(Unzulässige Mischung diverser Sphären, allg. Schwurbel?)

Mögliche gramm. Fehler:

—5.

Über einen Radiosprecher:

…beendete er jede seiner wöchentlichen Sendungen mit einem Satz, der den Hörern wie Honig in die Seelen träufelte

Ist „träufeln“ nicht transitiv („etwas träufeln“), der Satz oben darum falsch? Korrekte Varianten des Satzes wären nach meinem Empfinden:

träufelte er seinen Hörern zum Ende einen Satz wie Honig in die Seelen

beendete er jede seiner wöchentlichen Sendungen mit einem Satz, der den Hörern wie Honig in die Seelen tropfte/rann

—6.

sich bei den Briten um ((sic)) eine Aufhebung der Umsiedlungssperre nach Palästina einzusetzen

(m.E. „für“)

**—7 **

Während es vielen Bewohnern gelang, nach Amerika oder Palästina bzw. den ((sic)) 1948 gegründeten Staat Israel auszuwandern

M.E. „in den…Staat“ oder „nach dem…Staat“ (Zunächst hatte ich mich auch an „Amerika“ gestört und hätte „USA“ bevorzugt, aber womöglich meint der Satz ja den gesamten am. Kontinent.)

—8.

Die immerhin fünf Millionen Städter, die auf die deutschen Lande verteilt worden waren ((…)), hatten die tradierten Wertvorstellungen dort irritiert.

Kann ich Wertvorstellungen irritieren? Müsste nach meinem Empfinden z.B. heißen:

  • hatten die konservativen Landbewohner irritiert
  • hatten die Wertvorstellungen durcheinandergebracht

(Es ist aus dem Kontext klar, dass nicht die Städter von den tradierten Wertvorstellungen irritiert sind.)

Was meint Ihr?

Danke!

Zu 1. Geht gar nicht, es sei denn es ist ein Zitat einer Person, die sich tatsächlich so geäußert haben sollte.
Zu 2. Dito
Zu 3. ME nicht besonders gelungen, würde ich anders formulieren, Z.B.: „Trotz gelegentlicher Entgleisungen auf den fliegend verlegten Strecken funktionierte der Betrieb grundsätzlich gut.“
Zu 4. Für ein Sachbuch mE etwas zu blumig, aber noch OK
Zu 5. Bin ich bei Dir
Zu 6. Dito
Zu 7. „in den Staat“
Zu 8. Bin ich auch bei Dir

Weder, würde ich sagen, noch.

Es muss auch dichterische Freiheit geben. Die grenzt dort ab, wo die Alberkeit beginnt. Die aber kann ich den genannten Beispielen nicht finden.

Tropfte oder geträufelt wurde.
Entgleisungen wegen den (der) fliegend verlegten (Eisenbahn -) Schienen würde mir besser gefallen.
„spooky“ in einem Bericht über diese Zeit? Gruselig würde passen. „Wimmelbild“ unter Anführungszeichen zwar treffend, wirkt aber mMn etwas zynisch oder pseudoprosaisch(copyright@Kudo).
Klingt Alles ein bisschen wie das Werk eines mittleren Gymnasiasten
Gruss

Ich meine nein. Träufeln hat lt. Duden zwei Bedeutungen, in diesem Fall geht es um die zweite:

Ob ein Begriff angemessen ist, kann man nur im Kotext beurteilen. Einzelne Satzfetzen genügen nicht.

Meiner Meinung nach sollte man das Buch und das zugrundeliegende Konzept kennen, bevor man ein Urteil darüber abgibt. Möglicherweise hat sich der Autir ja was dabei gedacht.

Gruß,
Max

Warum zitierst du den Kontext dann nicht, der das klar macht? Denn bei dem Satz, den du zitierst, halte ich eigentlich das Gegenteil für klar, nämlich das genau das gemein ist: Die Städter sind von den Wertvorstellungen irritiert.

Gruß,
Max

Hallo zusammen,

Danke für interessante Anmerkungen und Vorschläge (und für ein bisschen erhoffte Bestätigung).

Danke für den Hinweis! Ich hätte selbst nachgucken können, aber es träufelte mir gar nicht erst in den Kopf, dass „träufeln“ lt. Duden auch bedeuten kann „in zahlreichen kleineren Tropfen fallen“. Immerhin ist der Gebrauch lt. Duden „veraltend“ (also noch nicht veraltet?).

Ich wollte vermeiden

  • Urheberrechtsprobleme (evtl. darf man nur 160 Zeichen zitieren)

  • Diskussion über bzw. Ablenkung durch den INHALT (nach meiner Erfahrung gehen viele Antworten hier auf beliebige Reize in der Frage ein)

  • Diskussion über Wokeness (gegendert? Angemessen antikolonialistisch? Angemessen empowerend? Etc.)

sondern allein die grammatische Konstruktion herauskehren.

Hier ist der Abschnitt im Kontext:

evakuierten Großstädtern aufs Land geströmt und von den Behörden oftmals mit der gleichen Militanz einquartiert worden wie die Vertriebenen. Die Städter hatten mit ihren freizügigen Sitten die Dörfler schockiert, andere aber auch beeindruckt. Die immerhin fünf Millionen Städter, die auf die deutschen Lande verteilt worden waren, darunter viele lebenslustige junge Frauen, die auch im Dorf Party machen wollten, hatten die tradierten Wertvorstellungen dort irritiert. Es half nichts, dass die Pfarrer von den Kanzeln herunter gegen die losen Sitten wetterten, die lackierten Fingernägel verdammten und die schamlose Kleidung der Städter

Alle Zitate sind aus dem ersten Drittel des Buchs
Wolfszeit, Deutschland und die Deutschen 1945 - 1955 (ersch. 2019)
Preis d. Leipz. Buchmesse 2019
von Harald Jähner
Kulturjournalismusprofessor (Wiki)