Hallo!
Wir verteidigen unsere Freiheit am Hindukusch, verkündet Struck. Wir bauen Vertrauen auf, indem unsere Soldaten in ungepanzerten Fahrzeugen unterwegs sind. Wozu sollen Afghanen Vertrauen in fremde Soldaten haben, die durch die Gegend kurven? Afghanistan, aber auch der Irak, der Kongo und zahllose andere Länder brauchen keine uniformierten Pappkameraden für Friede-Freude-Eierkuchen-Demos. Die Menschen brauchen Schulen, sie brauchen Arbeit, um sich ihre eigenen Lebensgrundlagen zu schaffen und sie brauchen eine funktionierende Verwaltung und eine funktionierende Justiz aus eigenen Leuten. Um das auf die Füße zu stellen, brauchen wir nichts Neues zu erfinden. Das Vorgehen der 4 Besatzungsmächte nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland kann insofern als Vorlage dienen, daß man sich um Wirtschaft und Verwaltung kümmert. Alles geschieht zunächst kontrolliert, ob Gründung einer Partei, eines Unternehmens oder was auch immer. Mit dem Aufbau demokratischer Strukturen und Keimzellen funktionierender Verwaltung muß alles Zug um Zug in die Hände Einheimischer gegeben werden. Militärische Schmuseeinheiten, die um Vertrauen bitten, braucht man dafür nicht. Militärisches Droh- und Gewaltpotential - aber keine fahrenden, ungeschützten Zielscheiben - sind nützlich, wo die landeseigenen Strukturen noch nicht funktionieren. Mit anderen Worten: Afghanistan und etliche andere Länder brauchen Entwicklungshilfe unter militärischem Schutz.
Haßschürende, geifernde religiöse Fanatiker und gewaltbereite Kriminelle finden massenweise Zulauf, wenn die Menschen hungern, keine Arbeit haben und systematisch dumm gehalten werden. Das Engagement der so geköderten Menschen geht bis zur Selbstopferung, ist also schier grenzenlos. In konstruktive Bahnen gelenkt, eben nicht auf der Schiene machtbesessener und/oder religiöser Spinner, ist bei den Menschen Energie ohne Ende vorhanden. Sie werden ohne Murren 60 und mehr Stunden die Woche arbeiten, um eine eigene Existenz, ein kleines Gewerbe aufzubauen, um ihre Kinder zur Schule zu schicken, um zu akzeptablen Lebensgrundlagen zu kommen.
Um solche Entwicklung anzuschieben, braucht man Entwicklungshelfer vom fähigen Handwerker, über Krankenpfleger bis zu Organisationstalenten. Militär braucht man auch. Aber nur, um dem Treiben von Rattenfängern nötigenfalls gewaltsam ein Ende zu setzen. Ich bin davon überzeugt, daß der Aufbau ohne Militär nicht zu bewerkstelligen ist, wenn man der Gefahr vorbeugen will, daß alle Mühe von Gewalttätern und Chaoten zunichte gemacht wird. Es ist aber nur eine sichernde Funktion, die mit fortschreitendem Aufbau des zivilen Sektors überflüssig wird.
Beim Aufbau eines Landes mit allen für die Menschen erforderlichen Strukturen muß man in der Größenordnung von Jahrzehnten denken. Ohne eine Entwicklungshilfe, die alle Bereiche des zivilen Lebens unter den landestypischen und kulturellen Voraussetzungen erfaßt, sollte man die Soldaten lieber gleich nach Hause holen und die Menschen sich selbst überlassen. „Wir erfüllen eine wichtige Aufgabe“ erzählte gestern ein deutscher General in Afghanistan im Verlauf seines Statements zum Anschlag mit 4 toten Soldaten. Wofür sind diese Soldaten gestorben? Wofür büßten etliche andere ihre Gesundheit ein? Ich hielte es für eine wichtige Aufgabe, eine einheimische Polizei zu organisieren, die eine Rechtsordnung im Lande durchsetzt. Staatsdiener ohne eine Wirtschaft, die das letztlich alles bezahlt, können nicht bezahlt werden. Also auch an dieser Stelle das Erfordernis von Wirtschaftshilfe/Entwicklungshilfe.
Wenn man sich in irgendeinem Land engagiert, brauchts ein langfristiges Konzept. Es reicht nicht, alle paar Monate das Mandat für die Stationierung von Soldaten zu verlängern. Es reicht auch nicht, von der Verteidigung unserer Freiheit am Hindukusch zu erzählen. So wird Geld verbraten und so werden letztlich Menschen umgebracht. Für nichts und wieder nichts schicken Politiker, die angeblich unsere Freiheit verteidigen und Terror bekämpfen wollen, Soldaten in den Tod. Die Länder von Afghanistan bis zum Kongo sind so wie sie sind, weil die Menschen im Elend versinken und in Not, fehlender Bildung und in ihrer Perspektivlosigkeit den Parolen von Bauernfängern auf den Leim gehen. Dem werden wieder nur Parolen entgegen gesetzt. Der eine schwadroniert vom Kampf gegen den Terror und der nächste von der Verteidigung unserer Freiheit. Die Menschen brauchen etwas zu Essen, sie brauchen Frieden und sie brauchen Arbeit, aber keine Parolen.
Ich meine deshalb, die Soldaten am Hindukusch machen einen sinnlosen Job. Sie sollten lieber zu Hause mit heilen Knochen die Sonne genießen. Wenn Soldaten entsandt werden, dann zum Schutz der Aktivitäten eines Heers aus Technikern, Handwerkern, Landwirten, medizinischem Personal, Lehrkräften und Verwaltungsleuten, die Aufbauarbeit leisten.
Kann das eine von vielen unterschriebene eMail an Herrn Struck werden?
Gruß
Wolfgang
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