Deutscher Herbst

Hallo,

warum hieß das Ganze „Deutscher Herbst“?

Ich hab ein bisserl gegoogelt, aber eine Erklärung dafür konnte ich nicht finden.
Ich hab mir gedacht, der Herbst ist trist und es steht der Winter (sehr dunkel und trist) vor der Türe. Aber danach kommt der Frühling und es geht in eine neues Jahr weiter. Spiegelt den gewünschten Wandel in Deutschland wieder. Aber vielleicht interpretiere ich zuviel rein? :smile:
Hieß es deswegen „Deutscher Herbst“? Oder hat sich die RAF einfach im Herbst gegründet?

Vielen Dank für Antworten,

Gruß Lulea

Moin,

warum hieß das Ganze „Deutscher Herbst“?

Ich hab ein bisserl gegoogelt, aber eine Erklärung dafür
konnte ich nicht finden.

seltsam!
Hier http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Herbst
lautet der erste Satz
Als Deutscher Herbst wird die Zeit und ihre politische Atmosphäre in Westdeutschland im September und Oktober 1977 bezeichnet, die geprägt war durch Anschläge der linksextremistischen Terrororganisation Rote Armee Fraktion (RAF).

Ich kann mich noch gut an diese seltsame Stimmung erinnern. Irgendwo zwischen Angst, Ärger und Frustration, weil (friedliche) Idees zerstört wurden.

Gandalf

Hi

Hieß es deswegen „Deutscher Herbst“? Oder hat sich die RAF
einfach im Herbst gegründet?

Weder noch. Ich sehe es ähnlich wie Gandalf: In jenem Herbst ging mächtig die Post ab, es gab gleichsam eine Art showdown zwischen der bürgerlichen Gesellschaft und den selbsternannten Revolutionären.
Gruß,
Branden

Moin,

Ich kann mich noch gut an diese seltsame Stimmung erinnern.
Irgendwo zwischen Angst, Ärger und Frustration, weil
(friedliche) Idees zerstört wurden.

Na das ist doch meine Frage.
Hieß das Ganze jetzt so, weil es im Herbst angefangen hat, oder weil die Stimmung so durcheinander war?
Gruß

Gandalf

Hallo,

Hieß das Ganze jetzt so, weil es im Herbst angefangen hat,

Nein, weil die Aktivitäten der RAF da ihren Höhepunkt erreichten.
Gruß
Elke

Tach,

Na das ist doch meine Frage.
Hieß das Ganze jetzt so, weil es im Herbst angefangen hat,
oder weil die Stimmung so durcheinander war?

Nicht durcheinander. Herbstlich - in der Vorahnung eines folgenden Winters (= Endgültiges Ende der schönen, warmen und lebendigen Jahreszeit, von Erwachen/Erblühen/Aufbruch/Veränderung. Es bleibt nur das Warten und Hoffen auf einen neuen Frühling.) Die Metapher ist in der Politik ungefähr so verbreitet wie Herz-Schmerz-Reime in deutschen Schlagern.

Wäre es gar denkbar, dass man diese Doppeldeutigkeit vielleicht erkannt und deshalb bewußt offengelassen hat?

Folge ich übrigens Gandalfs Link, so steht im zweiten Absatz:

Der Begriff „Deutscher Herbst“ leitet sich von dem Film „Deutschland im Herbst“ von 1978 ab, einer Collage mehrerer Dokumentarfilme von elf Regisseuren des „Neuen Deutschen Films“, die sich mit der Reaktion des Staates auf den Terrorismus aus unterschiedlichen Blickwinkeln kritisch auseinandersetzen.

Lesegruß,
LC

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Klammheimliche Freude
Hallo,

Als Deutscher Herbst wird die Zeit und ihre politische
Atmosphäre in Westdeutschland im September und Oktober 1977
bezeichnet, die geprägt war durch Anschläge der
linksextremistischen Terrororganisation Rote Armee Fraktion
(RAF).

Ich kann mich noch gut an diese seltsame Stimmung erinnern.
Irgendwo zwischen Angst, Ärger und Frustration, weil
(friedliche) Idees zerstört wurden.

So sah das sicher die Mehrheit.
Eine schwer abzuschätzende Minderheit empfand damals
http://de.wikipedia.org/wiki/Klammheimliche_Freude

Gruss
Nescio

Moin,

Ich kann mich noch gut an diese seltsame Stimmung erinnern.
Irgendwo zwischen Angst, Ärger und Frustration, weil
(friedliche) Idees zerstört wurden.

Na das ist doch meine Frage.
Hieß das Ganze jetzt so, weil es im Herbst angefangen hat,
oder weil die Stimmung so durcheinander war?

Weder noch. Die Bezeichnung „Deutscher Herbst“ bezog sich weniger auf die RAF-Anschläge als auf die Reaktion des Staates darauf (das wird auch im namengebenden Film deutlich). Hysterische Einschränkung von Meinungsfreiheit (typisch: der Fall des ‚Göttinger Mescalero‘, der sich ja eigentlich vom Terror distanzierte). Forcierung des Überwachungsstaates (‚Rasterfahndung‘). Berufsverbote (‚Radikalenerlass‘). Wenn sich jemand um eine Stelle im öffentlichen Dienst bewarb, gab es erst einmal eine Regelanfrage beim Verfasungsschutz. Kanzler Helmut Schmidt persönlich gab seine Entschlossenheit bekannt „bis hart an die Grenzen des Rechtsstaates“ gehen zu wollen - wo immer die auch liegen mochten.

In Baden-Württemberg wurde die verfasste Studentenschaft abgeschafft mit einer bezeichnenden Begründung des Ministerpräsidenten und vormaligen NS-Juristen (‚Was damals Recht war kann heute nicht Unrecht sein‘) Filbinger: „Die Abschaffung der Verfaßten Studentenschaft und damit der ASten, ist ein taugliches Mittel, ein Stück Sympathisantensumpf des Terrorismus trockenzulegen.“ Mit anderen Worten - politisch engagierte Studenten wurden unter Generalverdacht gestellt, „Sympathisantensumpf“ wurde zum geflügelten Wort. Um zu diesem Sumpf gerechnet zu werden reichte es schon aus, das allgemeine Betroffenheitsgeschwafel um den Märtyrer der Deutschen Demokratie, Sankt Hanns Martin Schleyer, mit ein paar Bemerkungen über dessen Vergangenheit als SS-Offizier und seine Rolle bei der ‚Arisierung‘ und der Zwangsarbeiterrekrutierung im Protektorat Böhmen und Mähren zu konterkarieren. Zu diesem „Sympathisantensumpf“ wurden aber auch Leute wie Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll gezählt - im deutschen Bundestag zum „intellektuellen Helfershelfer“ des Terrorismus erklärt. Von einem hirnamputierten Abgeordneten namens Vogel, der sich damit bestens für eine Verwendung als Staatsminister unter Helmut Kohl qalifizierte. Nicht nur bei der Bild-Zeitung tropfte da der Geifer - die Quick, das bestverkaufte Wichsblatt des Bauer-Verlags, verkündete ihren Lesern: „Die Bölls sind gefährlicher als Baader-Meinhof.“

Es sah ganz so aus, als würde die Strategie der ersten RAF-Generation aufgehen - „die Fratze des Faschismus hervorbomben“ (U. Meinhof). Der demokratische Aufbruch von 1968 war steckengeblieben; der Rollback der Reaktion war auf dem Vormarsch. Der ‚Herbst‘ war vor allem der Vorbote eines Winters - der dann doch glücklicherweise nicht so eintraf, wie befürchtet.

Freundliche Grüße,
Ralf

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