Hallo Petra,
mich beschäftigt das Thema auch schon lange - ich bin evangelisch, aber in der katholischen Kirche aktiv und bekomme deswegen auch einige Dinge direkt ab/mit.
Ich habe mal gelesen, dass das Problem schon in der Definition von Ökumene liegt. Ökumene für Protestanten heißt Dialog und Zusammenarbeit zwischen den Konfessionen, Ökumene für Katholiken heißt die Vereinigung der Konfessionen im Schoß der katholischen Kirche. Ob das so einfach stimmt, bezweifle ich, aber vom Grundgedanken her denke ich, dass Protestanten offener sind was Dialog und Zusammenarbeit angeht.
Wie gesagt, vom Grundgedanken. Natürlich denkt jeder, dass seine Konfession irgendwie besser ist als die jeweils andere; sonst würde man ja eben der anderen angehören. Die meisten Leute sehen das auch so, wie ich meine, dass man es sehen sollte: Man ist in erster Linie Christ, wie du auch gesagt hast, und ich persönlich bin der Meinung, dass die Essenz des Christentums, die ja im gemeinsamen Glaubensbekenntnis ausgedrückt wird, die Unterschiede bei weitem übersteigt. (Obwohl wir auch hier das Beispiel haben: Katholiken glauben an die „heilige katholische Kirche“, wohingegen Protestanten nicht etwa an die „heilige evangelische“ sondern an die „heilige christliche Kirche“ glauben, also prinzipiell andere christliche Konfessionen mit einschließen.)
Was nun praktizierte Ökumene angeht, hängt die natürlich auch davon ab, wie man die (nicht unerheblichen) Unterschiede bewertet. Was ich „an der Basis“ so erlebe, ist, dass Katholiken mich als Protestanten im Prinzip schon als „gleichgläubig“ betrachten. Ich nehme an katholischen Messen teil und bekomme von mir persönlich bekannten Priestern auch regelmäßig eine Hostie angeboten, die ich mir gleicher Regelmäßigkeit ablehne - eine schöne Geste jedenfalls trotzdem. Ich übernehme in solchen Fällen auch die gesamte katholische Liturgie mit eben dieser Ausnahme. Solche Differenzen wie Aufstehen beim Beten oder nicht, Kreuzzeichen oder nicht etc. sind da m. E. auf beiden Seiten irrelevant.
Trotzdem beschränken sich die Unterschiede natürlich nicht nur auf die Abendmahlsproblematik, die überdies so komplex ist, dass ich sie immer noch nicht ganz verstanden habe. Was mich als Laien daran irritiert, ist, dass es bei den Katholiken so aussieht, als würde der Priester das Kreuzesopfer quasi nachvollziehen, wiederholen, was auch immer (sagt er nicht auch „nimm diese Opfergabe gnädig an“?). Bei uns erinnert das Abendmahl lediglich. An der Realpräsenz hängt es aber nicht.
Trotzdem, auch wenn dieses Problem aus der Welt wäre, beharren die Katholiken immer noch auf ihrer apostlischen Sukzession und so weiter.
Und es gibt auch einen ganzen Haufen Gründe, warum ich eben nicht katholisch bin und bei denen ich es gut finde, dass sich die evangelische Kirche davon abgrenzt - der Papst ist nur einer davon.
Andererseits wünsche ich mir manchmal auch von der evangelischen Kirche, dass sie etwas katholischer wäre, aber seltener.
Was mich an dieser Diskussion am meisten stört, ist, dass davon ausgegangen wird, dass es die evangelische Kirche irgendwie treffen würde, wenn der Papst sie nicht „mag“…dabei war mir, und wohl nicht nur mir, schon länger klar, dass der Papst es natürlich lieber hätte, wenn alle Christen auch katholisch wären. Sind sie aber nicht, da kann er schimpfen, wie er will.
Also, ich finde es ok, wenn jeder sagt: „Meine Konfession ist die bessere Art und Weise, Christ zu sein“. Das ist so, wie wenn ich sage (was ich auch nicht tue
, es ist besser, auf Master zu studieren als auf Magister - darüber kann man auch geteilter Meinung sein, aber studieren tut man das gleiche…ok, hinkt etwas.
Was mich aber wirklich schockiert hat, waren Reaktionen in katholischen Internetforen, wo die ersten Kommentare zu dem Papstschreiben von der Art waren: „Yeah, da werden die Protestanten aber wieder rumheulen, endlich kann man offen sagen, dass wir die einzige richtige Kirche sind und muss sich nicht hinter pseudotolerantem Wischiwaschi verstecken…wir sind die wahren Christen“ Sowas macht mir schon Sorgen, das kennt man ja sonst nur von radikalen Freikirchen, die Flyer verteilen mit „Der Katholizismus ist die Geißel der Menschheit“.
Klar, sowas sag ich auch mal im Scherz…also ernsthaft, ich finde, das wichtigste ist, dass man wechselseitig informiert ist und weiß, worauf es bei dem jeweils anderen ankommt, und dass man darüber auch in einen Dialog tritt. Was dann am Ende dabei rauskommt, ist eher zweitrangig.
Aber die katholische Attitüde, den Evangelischen quasi das Recht auf eine gleichberechtigte Diskussions-Position abzusprechen finde ich schon schlimm. Über die meisten Papst-Querschüsse kann man ja lachen, ansonsten.
Jetzt hab ich ganz schön viel geschrieben, aber das Thema liegt mir echt am Herzen und ich bin froh, dass man „an der Basis“ wirklich fruchtbare Gespräche mit Katholiken führen kann, die sich nicht auf den Schlips getreten fühlen und umgekehrt auch nicht gleich unter die Gürtellinie zielen (da habe ich einen Kardinalausspruch von „Brötchenessen“ im Kopf, der mich wirklich getroffen hat, vor allem, wegen dem offensichtlich demonstrierten Desinteresse an allem, was nicht katholisch ist.)
Grüße
Sonja