Die Brötchenfrage

Hallo,
angeregt durch Nadjas Frage „Was sind Aufbackketten“ fiel mir etwas ein, was ich schon immer mal fragen wollte:

Ist es ein Zeichen guter handwerklicher Herstellung, wenn Weizenbrötchen spätestens zwei Stunden nach dem Kauf eine weiche Kruste haben, die überhaupt nicht mehr knusprig ist und eine Krume, die zähelastisch geworden ist - oder ist das ein Zeichen billiger, industrieartiger Herstellung?

Wir haben nur noch einen Bäcker am Ort, der selber backt. Seine überrraschend preisweiterten Brötchen sind legendär - ebenso aber, dass man sie am späteren Vormittag bis auf die doppelte Länge ausziehen kann und sie sich dann wieder zusammenziehen.

Sorgen nun Zusatzstoffe dafür, dass Brötchen auch noch mittags den typischen Biss von frischen Brötchen haben und ist es ein gutes Zeichen, dass die Brötchen unseres Bäcker nur frisch lecker sind?
Ich traue den ganzen „Handwerksbäckern“ leider nicht mehr - wenn ich so Kreationen wie das „Sportlerbrot“, die „Finnenkruste“ oder das „Chia-Wellness-Brot“ sehe.

Schwieriges Thema: Das luftig lockere Brötchen mit der dünnen aber extrem röschen Kruste ist als Idealvorstellung zwar inzwischen in unseren werbeverseuchten Köpfen und von Supermarktbrot verstopfen Mägen Realität, aber das traditionelle Brötchen aus Zeiten vor massenhaft Backchemie sah anders aus und sieht auch heute noch anders aus, wenn man es so produziert. D.h. da wurden und werden diese heutigen Wunschvorstellungen nicht erreicht, und sind auch nicht erreichbar. Ein an realistischen Maßstäben gemessenes traditionell hergestelltes Brötchen ist etwas kompakter und nicht ganz so knusprig und dann auch vollkommen OK. Und ein solches Brötchen ist dann auch nur recht frisch auf der Höhe seiner Qualität, lässt dann nach und ist am Abend schon eine recht zähe Angelegenheit.

Zum heutigen Einsatz der Backchemie kommt allerdings auch hinzu, dass zunehmend Dinge wie Gärunterbrecher, gekühlte Teiglinge und Konvektomaten in den Verkaufsräumen zum Einsatz kommen. D.h. Brötchen werden heute eben nicht mehr nur in der Frühe in der Backstube gebacken, sondern werden üblicherweise über den ganzen Tag frisch in Kleinmengen produziert, die dann schnell abverkauft werden. Insoweit haben die so produzierten Brötchen natürlich tatsächlich immer den Vorteil der Frische, den man in traditioneller Herstellung nicht hat.

Hallo,
richtig gute Backwaren sollen aus Koernern hergestellt werden. Wird Mehl beim Baecker angeliefert … schon verloren. Weil gemahlene Koerner vergammeln in wenigen Tagen, muss fast taeglich gemahlen werden . . beim Baecker. Baecker ohne Muehle … … raus. Versuche mal so einen zu finden, und wenn Du 30 km dafuer fahren musst, allein ein Mal fuer das AHA Erlebnis und den Vergleich. Vielleicht backst Du doch besser selber. klick
Gruss Helmut

Du kannst daneben stehen, wie der Bäcker aus der Backstube die Brötchen in die Auslage schüttet - zwei Stunden später kannst du die Dinger ziehen wie Gummi.

Hallo,

hatte mal einen Bäcker, der wirklich selbst Brötchen gebacken hat. Die waren recht lecker und wurden mit zunehmendem Alter schlicht trocken, also die Kruste noch fester und das Innere eben trocken. Gummiartig waren sie nie.
Man konnte sie aber etwas anfeuchten und dann kurz aufbacken, so waren sie auch Abends noch gut genießbar.

Meine Schwiegermutter, die recht alt wurde und den größten Teil ihres Lebens an Handwerksbrötchen gewöhnt war, hat in den letzten Jahren die Bäckerbrötchen immer direkt nochmal aufgebacken. Frisch vom Bäcker war ihr die Kruste zu dünn und zu weich.

Allerdings hängt die Alterung ev. auch von der Lagerung ab. In einer Papiertüte trocknet so ein Brötchen aus, in einer luftdichten Verpackung wird wohl jede Hefe-Backware gummiartig.

Gruß,
Paran

Vielleicht lag das auch an der hohen Luftfeuchte der letzten 2 Wochen ?
Handwerklich traditionell hergestellte Backwaren sollten zwar trocknen, aber an der Luft nicht weich und teigig werden.
Ausnahme: Karl Valentin, Klagelied einer Wirtshaussemmel. Aber auch die leidet im Dampf der Wirtshausatmosphäre. Leider habe ich keinen link zum Text gefunden, vielleicht gelingt dir es.
Udo Becker

Bitte schön:

https://www.projekt-gutenberg.org/valentin/brillant/chap014.html

Hallo Wiz,

mir scheint es sogar, als sei die Qualität „knusprig“ als Begriff erst zusammen mit den ersten industriell hergestellten Brötchen in Schwang gekommen - diese konnten nicht anders, als „knusprig“ zu sein, während die Wecken, Semmeln und Brötchen vom Bäcker ganz andere positive Eigenschaften hatten und „knusprig“ erst wurden, wenn man übriggebliebene Stücke in der Küche für Freitagsessen wie Arme Ritter oder Ofenschlupfer verwertete. D.h. es war nützlich, aus einem eigentlichen Mangel eine Tugend zu machen.

Ich überlege mir grade, warum mir kein Begriff einfällt, mit dem sich die typische Konsistenz von früheren Bäckers Brötchen beschreiben ließe: Sie hatten sicher mehr Biß als die Industrieware, bei der eine sehr harte, grob bröselnde Kruste (Schrecken jeder Hausfrau, wenn sie am Sonnabend reine gemacht hatte) ein in jeder Hinsicht neutrales, trockenes Schaummaterial einhüllte; aber zu dem, was genau diese Eigenschaft von Backwerk beschriebe, die bei den oberschwäbischen Backwaren unter Mitverwendung von Dinkelmehl, dem Biberacher Knauzenweck und der Ravensburger Seele, besonders ausgeprägt ist, scheint es kein Wort zu geben. Mir käme „sämig“ in den Sinn, aber das bezieht sich auf Suppen und Soßen. Die Elastizität, die @X_Strom beschreibt, ist es nicht.

Schöne Grüße

MM

2
Vorschläge
Selbst probieren in Deinem Backofen
2
Gute Brötchen ist nach Stunden noch knackig,
ohne Chemie.

geht natürlich nicht.

Glaubst Du im Ernst, beim Bäcker würde mit Haushaltsbacköfen gebacken und der Brötchenteig in der großen Schüssel geführt?

Bereits mit der Beschaffung des Mehls fangen die Schwierigkeiten an: Du hast die Wahl zwischen 405er Mehl in verschiedenen Ausführungen und 1050er Mehl, und das war es dann.

Hast Du jemals mit Deinem Backofen etwas hingekriegt, was nur entfernt einem Brötchen vom Bäcker ähnelte?

Dass Du das, was die Aufwärmstationen bei Lidl und Konsorten machen, auch selber machen kannst, wenn Du an die Rohlinge rankommst, ist klar. Aber: Der Tinnef, der da rauskommt, sind keine Brötchen vom Bäcker.

Was genau an einem Brötchen „knackig“ sein oder bedeuten soll, bleibt bei Deinen Ausführungen Dein Geheimnis.

(Wäre übrigens hübsch, wenn von Dir ab und zu mal eine Antwort käme)

Schöne Grüße

MM

Ganz so schlecht ist die Situation nicht. Man bekommt durchaus auch 550er Mehl, welches ich für meine Brote und Brötchen mit ordentlichem Ergebnis einsetze. Sah gestern Mittag gerade eine nette Idee für ein gefülltes Brot bei Nadiya Hussain, und habe dann frei Schnauze mal eben schnell ein recht ordentliches Weißbrot mit Peperoni, Knoblauch, Oregano, selbst geräuchertem Speck und Tomatenmarmelade mit 550er und 1050er gebacken.

Und Haushaltsbackofen ist natürlich auch nicht Haushaltsbackofen. Es gibt Öfen, die nur 200°C schaffen, und welche, die 300°C schaffen. Auch Wasser-/Dampffunktion ist durchaus bei diversen Öfen verfügbar. Bei mir schaffe ich nur 250° und muss Dampf manuell durch eine Wasserschale und auf den Boden gespritztes Wasser erzeugen. Aber das funktioniert gar nicht so schlecht. Ich bin vor Jahren mal über ein Schulprojekt ans Brotbacken gekommen, weil der Bäcker vor Ort nicht den ganzen Grundschuljahrgang bespielen wollte. Und da gab es für einen ersten Versuch mit Grundschulkindern auch recht anständige Brötchen (natürlich recht individuell) aus dem Schulbackofen (300° mit manueller Wassergabe

)