Die Deutsche Sprache im Verfall

Ich möchte einen Eindruck aus den Foren. Ich kann mir nicht vorstellen, daß andere Menschen sich nicht daran stören, wenn selbst Politiker, Moderatoren, Lehrer… sich nicht korrekt auszudrücken wissen.

Im Rahmen einer Fernsehsendung sagte ein Wirtschaftsexperte: »Ermitteln wir den Betrag, wo berechtigt ist…« Oder: »Man hört oft von Dingen, wo Steuergelder verschwendet werden!«

Oder: »Hätten Sie nicht einige Tips, wo sie sagen könnten…«

Wo liegt die Ursache, daß so viele Menschen - sogar die Schlausten unserer Nation WO mit ALS oder INDEM oder WELCHE® verwechseln?

Dieser Gebrauch des Wörtchens „wo“ ist kein Zeichen eines vermeintlichen Sprachverfalls, sondern Dialekt. Es ist also kein „falsches“ Deutsch, sondern nicht-standardsprachliches Deutsch.

Die von Ihnen genannten Verwendungen von „wo“ sind sehr alt, zahllose Belegstellen finden Sie im Grimmschen Wörterbuch (http://woerterbuchnetz.de/DWB/?sigle=DWB&mode=Vernet…) – zusammen mit einer Menge weiterer Verwendungen, die heute wohl ausgestorben sind oder nur noch in einigen Dialekten weiterexistieren.

Auch Goethe schrieb von „Leute(n), wo der Kopf das Herz überwiegt“.

So ein „wo“ mag in Ihren Ohren hässlich klingen (in meinen übrigens auch), aber die Sprache ist nun einmal ungemein komplex und hat neben dem Standarddeutsch noch eine unüberschaubare Zahl von Variationen, die allesamt ihre Berechtigung haben.

Stören tun sich schon einige daran, vor allem aus dem Kreis der Vereins Deutsche Sprache. Aber ob sie es immer zurecht tun, ist nicht sicher. Es gibt aber auch den „Medienpreis für Sprachkultur der Gesellschaft für deutsche Sprache“, der positiv auf die von Ihnen gemachte Beobachtung reagiert.
Andere stören sich nicht daran, weil es ihnen nicht auffällt. Vielleicht weil die Spracherziehung mit der medialen Entwickung und damit verbundener Kommuniaktionsarmut nicht mithalten kann. Dazu habe ich aber keine Quellen.
Deutsch ist (wie auch andere Sprachen) aber eine plurizentrische Sprachen mit vielen Soziolekten, Regio- und Dialekten. Der von Ihnen zitierte „Experte“ kommt sicherlich aus dem schwäbischen Raum, wo es üblich und mitunter auch korrekt ist, auf alles mögliche mit „wo“ zu verweisen. Die Regeln der Standardvarietät des Deutschen (Hochdeutsch) sind zwar richtig, aber nicht allein in der Welt der Sprechenden. Ein Verfall ist das noch nicht. Ich bin mir auch sicher, dass sich der „Experte“ schriftlich anders ausdrücken würde … hoffentlich.
Sprache - zuerst die gesprochene - verändert sich aber auch ständig (-> Sprachwandel). Wendungen wie „das macht Sinn“ oder „er hatte wegem dem Auto ein schlechtes Gewissen“ sind doch schon nahe dran am korrekten Hochdeutsch.

(Siehe auch: Ulrich Ammon, Hans Bickel, Jakob Ebner, et al.: Variantenwörterbuch des Deutschen. Die Standardsprache in Österreich, der Schweiz und Deutschland sowie in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol. Walter de Gruyter, Berlin 2004)

Danke für die fachliche Antwort! Ich kann es nur schwer akzeptieren, daß es sich um Dialekt handeln soll, denn in sehr hochwertigen Sendungen wie »Planet Wissen« kommt dieser Fehler stendig vor! Das paßt beim besten Willen nicht zu Leuten mit derart hohem Niveau

    • Hoeren u Sehen

Danke für die prompte und fachliche Antwort! Ich muß verneinen, dieser Experte stammte aus dem Ruhrgebiet und war oder ist noch Politiker. Auch unsere Kanzlerin habe schon mit »WO« an der falschen Stelle reden hören. Die Sendung »PLANET WISSEN« läd sehr viele Experten ein. Bei den Moderatoren vernimmt man es leider eben so oft, wie bei den Gastexperten. Ich habe mich beim WDR einmal gemeldet und nachgefragt,ob dieser Fehler niemandem auffällt oder bewußt ist. Ich habe bis heute keine Antwort bekommen. Vielleicht wurden alle beim Lesen meiner Mail rot!?

Einen schönen guten Tag,

den Eindruck, dass unsere Sprache vernachlässigt wird, teile ich. Und ich ärgere mich täglich drüber. Die Sache mit dem „Wo“ ist ja nur ein Aspekt. Deppenapostroph, Sinn machen, in 2012 … die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Und ich nehme mal an, die Gründe dafür, dass es so (gekommen) ist, sind ebenso vielfältig wie die Beispiele.

Übergehen wir mal die Sache mit den Anglizismen und dem Bemühen, im Deutschen die englische Sprache nachzuahmen, das wurde ja schon oft genug diskutiert. Die Wo-Konstruktion geht meiner Meinung nach auf Leute wie Jürgen Klinsmann zurück. Jedenfalls war es bei ihm - schon als er noch aktiv gespielt hat - immer auffällig, dass er nicht nur einen schwäbischen Akzent hat, sondern eben auch eine schwäbische Grammatik. Ich habe es damals so wahrgenommen, dass erst drüber gelächelt wurde, dann hat man es imitiert. Erst als Satire, aber da Klinsi ja fast durchgängig ein Sympathieträger war, hat es sich eben auch über das Kabarett hinaus verbreitet.

Nein, ich möchte nicht sagen, dass ein Fußballer schuld ist am Niedergang der deutschen Sprache. (Gottchen, wie dramatisch, aber ich lösche es mal nicht.) Es sollte nur ein Beispiel sein, wie sich etwas verselbstständigen kann. Das Schlimme ist, dass so etwas irgendwann als Norm hingenommen wird, wenn es nur genug Leute falsch sagen oder schreiben. Das gilt auch für den Duden. Wenn man mal drin blättert, findet man eine Menge Redewendungen, die dem Deutschschüler noch vor 20 Jahren fünfmal gefaltet um die Ohren gehauen worden wären. Und zwar mit Recht.

Und noch etwas fällt mir dazu ein, obwohl ich ungern politisiere. Aber gerade auch die angeblich Schlauesten unserer Gesellschaft finden es nicht besonders schick, sich des deutsch Seins zu besinnen. Es geht noch nicht mal darum, stolz drauf zu sein. Aber man wird von vielen - wahrscheinlich unwillkürlich - in die rechte Ecke geschoben, sobald man Mobiltelefon sagt statt Handy, elektronische Post statt E-Mail und Sinn haben statt Sinn machen. Weil sich die wenigsten in der rechten Ecke wohlfühlen, opfern sie die deutsche Sprache der politischen Korrektheit.

Das mag sich sehr zugespitzt lesen, ist es auch. Aber ein Körnchen Wahrheit kann sich jeder rauspicken.

Liebe Grüße, die Sara

Hallo,
eine interessante Frage :smile:
Ehrlich gesagt stört es mich sehr, wenn andere das „wo“ verwenden. Ich habe jedoch Sprachen studiert und lege insofern einen anderen Wert auf Ausdrucksweise. Ich kann richtig allergisch reagieren, wenn das jemand verwendet, aber ich stelle auch fest, dass es recht geläufig ist.
Was ich weiß ist, dass Sprachen sich immer wieder verändern. Das finden nicht alle gut, aber ist der natürlich Lauf. Insofern versuche ich nicht allzu lehrerhaft daher zu kommen.
Eine Idee könnte noch sein, dass es in einer bestimmten Region dialektal auftritt und deswegen dort verstärkte Verbreitung findet. Aber so gut kenn ich mich damit dann doch nicht aus.

Herzliche Grüße,
Sarah

Hallo Sara, Ihr Beitrag spricht mir aus dem Herzen… Vielen Dank dafür! Inzwischen wird sich nicht mehr sehr viel dagegen unternehmen lassen, außer im Rahmen der eigenen Kindererziehung. Ich konnte feststellen, daß diese »WO-Ausdrücke« bereits schon in alten Heimatfilmen aus den frühen 50-ger Jahren vorkommen. Das kann also nicht ausschließlich auf diesen Fußballer zurückgehen, denn der muß es auch von irgendwo her übernommen haben.
Übrigends: wenn dieses Wörtchen »WO« die einzige Ursache für gesellschaftlichen Verfall bliebe, könnten wie alle damit leben! - Oder?


Einen schönen guten Tag,

den Eindruck, dass unsere Sprache vernachlässigt wird, teile
ich. Und ich ärgere mich täglich drüber. Die Sache mit dem
„Wo“ ist ja nur ein Aspekt. Deppenapostroph, Sinn machen, in
2012 … die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Und ich
nehme mal an, die Gründe dafür, dass es so (gekommen) ist,
sind ebenso vielfältig wie die Beispiele.

Übergehen wir mal die Sache mit den Anglizismen und dem
Bemühen, im Deutschen die englische Sprache nachzuahmen, das
wurde ja schon oft genug diskutiert. Die Wo-Konstruktion geht
meiner Meinung nach auf Leute wie Jürgen Klinsmann zurück.
Jedenfalls war es bei ihm - schon als er noch aktiv gespielt
hat - immer auffällig, dass er nicht nur einen schwäbischen
Akzent hat, sondern eben auch eine schwäbische Grammatik. Ich
habe es damals so wahrgenommen, dass erst drüber gelächelt
wurde, dann hat man es imitiert. Erst als Satire, aber da
Klinsi ja fast durchgängig ein Sympathieträger war, hat es
sich eben auch über das Kabarett hinaus verbreitet.

Nein, ich möchte nicht sagen, dass ein Fußballer schuld ist am
Niedergang der deutschen Sprache. (Gottchen, wie dramatisch,
aber ich lösche es mal nicht.) Es sollte nur ein Beispiel
sein, wie sich etwas verselbstständigen kann. Das Schlimme
ist, dass so etwas irgendwann als Norm hingenommen wird, wenn
es nur genug Leute falsch sagen oder schreiben. Das gilt auch
für den Duden. Wenn man mal drin blättert, findet man eine
Menge Redewendungen, die dem Deutschschüler noch vor 20 Jahren
fünfmal gefaltet um die Ohren gehauen worden wären. Und zwar
mit Recht.

Und noch etwas fällt mir dazu ein, obwohl ich ungern
politisiere. Aber gerade auch die angeblich Schlauesten
unserer Gesellschaft finden es nicht besonders schick, sich
des deutsch Seins zu besinnen. Es geht noch nicht mal darum,
stolz drauf zu sein. Aber man wird von vielen - wahrscheinlich
unwillkürlich - in die rechte Ecke geschoben, sobald man
Mobiltelefon sagt statt Handy, elektronische Post statt E-Mail
und Sinn haben statt Sinn machen. Weil sich die wenigsten in
der rechten Ecke wohlfühlen, opfern sie die deutsche Sprache
der politischen Korrektheit.

Das mag sich sehr zugespitzt lesen, ist es auch. Aber ein
Körnchen Wahrheit kann sich jeder rauspicken.

Liebe Grüße, die Sara

Hallo Sara!
Ich glaube nicht, daß dieser »Sprachfehler« mit einer Dialektik zu tun hat. Ich vernahm diese Ausdrucksweise bereits in alten Heimaltfilmen aus den frühen 50-ger Jahren und da wird Hochdeutsch gesprochen, auch wenn der Film im tiefen Bayern spielt!
Ich würde zu einer Vermutung neigen: Faulheit! Kann es sein, daß Menschen zu faul sind statt die 2 Wörtchen »IN DEM« gegen das eine Wörtchen »WO« vertauschen? Eltern geben diese »Sprachfehlhaltung« an ihre Kinder weiter und so wird das zum Selbstläufer. Das ist meine Vermutung. - - Danke für Ihren Beitrag, Hoeren u Sehen!

Es ist halt vom Dialekt gefärbte Umgangssprache, und die klingt anders als das „gehobene“ Deutsch, das sich sonst meist in den Medien findet.

Als Fehler kann man diesen Gebrauch von „wo“ nur bezeichnen, wenn man eine gesprochene Version des Standarddeutsch zum Maßstab nimmt. Das würde man zum Beispiel bei der „Tagesschau“ machen – bei den meisten anderen Sendungen finde ich es nicht unbedingt zwingend. Nehmen Sie es doch gelassen, es spricht eben nicht jeder immer ein „gehobenes“ Deutsch, auch nicht im Fernsehen.

Könnte mir vorstellen, dass solche Fehler einfach aus dem alltäglichen Leben unbewusst übernommen werden.
Mir ist aufgefallen dass viele Leute diesen Fehler machen: Statt „Je…desto“ wird „desto… desto“ gesagt , was natürlich falsch ist.

Noch mal Hallo,

ich denke, man muss die Sprache als etwas betrachten, das sich durchaus wandelt. Gäbe es keinen Wandel, säßen wir noch immer in Höhlen und würden uns mit Zeichen verständigen. Trotzdem bedaure ich, dass sich unsere Sprache nicht nur wandelt, weil sich auch das Leben ändert, sondern vor allem deswegen, weil sie vernachlässigt wird. Das ist ein Unterschied.

Die Welt werden wir, die wir der Schönheit der deutschen Sprache nachtrauern, nicht ändern. Aber es ist wie mit allem: Tröpfchen machen Wasser. Deswegen werde ich auch nicht müde, möglichst gutes Deutsch zu schreiben - und auch gern immer mal wieder zu begründen, warum ich Mobiltelefon sage, Kommas setze und hin und wieder meine Mitmenschen im Gespräch zu berichtigen. Auch wenn das nicht unbedingt sympathisch ist, ich weiß.

Ja, bringen wir unseren Kindern und deren Kumpels gutes Deutsch bei. Lesen wir ihnen Bücher vor. Reden wir mit ihnen. Das ist ein guter Schritt. Und nehmen das schlechte Deutsch anderer nicht zu schwer. Das ist Selbstschutz.

Ich denke, wenn die Wo-Konstruktion schon in alten Heimatfilmen aufgetaucht ist, dann kann das zwei Gründe haben. Erstens spielten diese Filme ja meistens im Süddeutschen Raum - da ist das Wo im Dialekt verwurzelt. Falsch, aber in meinen Augen nicht schlimm. Zweitens zeigt es vielleicht auch, dass früher eben auch nicht alles besser war.

Der gesellschaftliche Verfall ist ja überdies ein Phänomen, das die Menschen begleitet, seitdem sie aus ihren Höhlen gekommen sind, denke ich mal. Von daher hatte er auch immer seine guten Seiten.

Trotz allem bin ich bei Ihnen, wenn es darum geht, dem liederlichen Sprachgebrauch entgegenzutreten. Viele Grüße, die Sara

jaja, es läuft einem kalt den Rücken herunter. WO ist Zeit und Ort.
Aber wir werden die Veränderungen der Sprache nicht aufhalten. Früher schauderte es mich, wenn kein Genitiv nach WEGEN folgte. Heute habe ich wegen dem bisschen Grammatik keine schlechten Gefühle mehr, denn auch der Duden erlaubt es. Das ist doch besser ALS WIE seine eigenes Sprachgefühl zum Maßstab aller Dinge zu machen!
Zunehmend lassen die Leute auch die Artikel einfach weg. Irgendwann wird die deutsche Sprache richtig einfach! Dafür gibt es neue Wörter und Zeichen, die kann man dann schnell mal googeln :smile:)

besser ALS WIE seine eigenes Sprachgefühl zum Maßstab

aller Dinge zu machen! - - So lange ich dabei nicht die Zunge breche! Die läßt sich nämlich schlecht eingipsen. - Hoeren u Sehen

Hallo!
„Wo“ als relativischer Anschluss ist nur möglich, wenn es sich um einen räumlichen oder einen zeitlichen Bezug handelt; z.B.: Die Krankenschwester führte ihn in einen Raum, wo (oder: in dem) Kranke in ihren Betten lagen( „in dem“ klingt hier umständlicher).
Oder zeitlich: In dem Augenblick, wo (oder: in dem, als) er zur Tür hereinkam, wurde es zugig (auch hier klingt „in dem“ umständlich).
„Wo“ mit Bezug auf Personen oder Sachen ist unkorrekt, allerdings in manchen Fällen in der Umgangssprache üblich und deshalb nicht von vorneherein verpönt.
Den Satz „Man hört oft von Dingen, wo Steuergelder verschwendet werden…“ würde ich als Deutschlehrer durchgehen lassen, obwohl er sprachlich nicht ganz korrekt ist; aber ein Zeitbezug klingt etwas an (frühere Dinge); außerdem wirkt die Alternative „bei denen“ umständlich)
Der Satz „Hätten Sie einige Tipps, wo Sie sagen könnten…“ ist sprachlich nicht korrekt, aber in der Umgangssprache üblich, also nicht rundweg als unmöglich abzulehnen (vielleicht, weil auch hier ein Zeitbezug - frühere Erfahrungen - etwas anklingt; außerdem wirkt die Alternative „von denen“ umständlich).
Der Satz „Ermitteln Sie den Betrag, wo berechtigt ist…“ ist dagegen sprachlich falsch, da hier das „wo“ eindeutig auf eine Sache bezogen wird.
Viele Grüße
Kica