Das fehlende Verständnis…
Hallöchen,
Was ich täglich erlebe, ist die Tatsache, dass Leute, deren befristeter Vertrag nicht verlängert wird oder Leute, denen gekündigt wird, schlagartig schwer krank werden.
Gefühlte 80% (tatsächlich trifft 50% wohl eher zu) werden nach der Benachrichtigung bis zum Austrittsdatum krank.
Auch wenn das für den Arbeitgeber absolut unverständlich erscheint …
Ich sehe diese Situation häufiger mal aus einer dualen Perspektive.
Erstens, weil ich selbst leitend tätig bin.
Und zweitens, weil ich als Berater selbst für Kunden in befristeten Verhältnissen tätig bin.
Und weil diese Sachverhalte direkt zusammenkommen.
So kam es neulich vor, dass ein Kollege abgebaut wurde, der seit Jahren(!) unter Starkstrom stand, 12-Stunden-7-Tage-Wochen inbegriffen. [bei Externen fragt ja niemand nach Arbeitsrecht, wem’s nicht paßt, der kann ja gehen]
Kaum wurde ihm mitgeteilt, dass das Projekt nicht verlängert wird, war er erst mal krank. Am nächsten Morgen ist er nicht mehr erschienen.
Und ja, er war auch tatsächlich ernsthaft krank, schon seit Längerem.
Er hat sich vorher nur nicht getraut, der Arbeit fern zu bleiben: aus Angst um seinen Job.
Ein anderer Kollege hatte sogar das Glück, dass er nicht abgebaut, sondern verlagert wurde, um in einem anderen Projekt anzufangen. Doch bevor er das Projekt antreten konnte, ging er in die BU. Grund: Nervenzusammenbruch. Weil er mit sich selbst nicht mehr klar kam, da er in dem neuen Projekt plötzlich mal Freizeit hatte…
Es gab sogar einen Fall, wo ein freiberuflich tätiger Bekannter kurz vor Beendigung seines Projektes monatelang ins Koma(!) fiel, weil er sich jahrelang auf der (oft viel zu langen, viel zu anstrengenden) Arbeit verausgabt hatte.
Also: nicht immer ist es der Arbeit_nehmer_, der sich hier was raus nimmt.
Oft ist es sogar der Arbeit_geber_, der diesen Zustand eindeutig durch sein eigenes Verhalten verschuldet hat, der dann dem Arbeitnehmer noch Vorhaltungen macht für sein eigenes Unvermögen, ein menschenwürdiges Arbeitsumfeld zu schaffen.
Und am Besten sind die Konzerne, die das dann auch noch mit offenem Unverständnis gegenüber den Arbeitnehmer quittieren.
Da würde ich wirklich empfehlen, mal darüber nachzudenken, was hier schief gelaufen ist - und was notwendig wäre, damit ein derartiges Vorkommnis sich künftig nicht wiederholt.
Kann es nicht tatsächlich sein, dass Arbeitnehmer erst nach der Kündigung zum ersten Mal genügend Freiheit verspüren, eine tatsächlich vorliegende Erkrankung auch mal auszukurieren?
Wäre das nicht eher Grund, ein systematisches Fehlverhalten des Unternehmens im Umgang mit Mitarbeitern unter die Lupe zu nehmen, anstatt eine Einladung, um pauschal mit dem Finger auf die Ex-Belegschaft zu zeigen?
Gruß,
Michael