Die Frau im heutigen Judentum

Moin,

google liefert sehr viel aber nichts was wirklich einigermaßen konkret meine Frage beantworten würde:
Wie steht es um die Rolle der Frau im heutigen (orthodoxen) Judentum? Welche Rechte/Pflichten unterscheidet man im Judentum im Bezug auf die Rolle der Frau?

thx
moe.

BS"D

Hallo moe.

Wie steht es um die Rolle der Frau im heutigen (orthodoxen)
Judentum?

Es werden zuerst einmal noch Rollen für die Frau und den Mann gesehen und die Lebenswelten von Frauen und Männern in der Öffentlichkeit sind auch weitestgehend getrennt, in der Familie hebt sich dieses dann aber doch weitestgehend auf. So ist hier zwar die Frau für Haushalt und Kinder verantwortlich und der Mann fürs Lernen, aber gegenseitige Hilfe ist hier normal, so dass dieses nach meiner Erfahrung dann sogar weiter geht, als in vielen modernen Partnerschaften.

Welche Rechte/Pflichten unterscheidet man im
Judentum im Bezug auf die Rolle der Frau?

Es ist nach wie vor noch so, dass die Frau von vielen Pflichten befreit sein kann, wenn sie hierdurch ihre Pflichten als Mutter vernachlässigen würde. Hierdurch ist die Mutter z. B. nicht zu festen Gebetszeiten oder zum Gebet in der Gemeinschaft verpflichtet. Diese Befreiung führt auf der anderen Seite aber auch dazu, dass der Mann bei rituellen Handlungen den Vortritt hat. So ist es z. B. in der Familie dann der Mann welcher für alle stellvertretend den Kidusch spricht. Kennzeichen für die Pflichten, von denen die Frau befreit ist, sind deren zeitliche Festlegung. Wenn also eine Pflicht zu einer bestimmten Uhrzeit ausgeführt werden muss, dann ist die Frau davon weitestgehend befreit, dieses zu dieser Zeit zu machen. Welche Pflichten das nun im Einzelnen sind, ist dabei nicht ganz so einfach zu ermitteln.

Gruss,
Eli

Hallo Elimech!

Wieviele Familien leben eigentlich orthodox?
Unterscheidet sich da z.B Israel von den USA?

Wenn die Frage off topic ist darf sie gerne gelöscht werden.

Gruß
Siân

BS"D

Hallo Siân.

Wieviele Familien leben eigentlich orthodox?

Dazu gibt es keine verlässlichen Zahlen, nach meiner Einschätzung dürften es aber einige hunderttausend sein.

Unterscheidet sich da z.B Israel von den USA?

Bezüglich was? Anteil von Orthodoxen unter den Juden? Zahl der Familien? Inhaltlich?

Gruss,
Eli

1 „Gefällt mir“

Moin,

Es ist nach wie vor noch so, dass die Frau von vielen
Pflichten befreit sein kann, wenn sie hierdurch ihre Pflichten
als Mutter vernachlässigen würde. Hierdurch ist die Mutter z.
B. nicht zu festen Gebetszeiten oder zum Gebet in der
Gemeinschaft verpflichtet. Diese Befreiung führt auf der
anderen Seite aber auch dazu, dass der Mann bei rituellen
Handlungen den Vortritt hat. So ist es z. B. in der Familie
dann der Mann welcher für alle stellvertretend den Kidusch
spricht.

Du redest von Pflichten. Heißt das, dass eine Frau, die keine Familie hat oder keinen Mann in der Familie, z.B. wenn der Ehemann verstorben ist, durchaus entsprechend der Ausbildung der Männer lernen und auch die rituellen Handlungen übernehmen kann , wenn sie das gerne möchte? Oder ist ihr das in jedem Fall untersagt?

Gruß
Marion

BS"D

Du redest von Pflichten. Heißt das, dass eine Frau, die keine
Familie hat oder keinen Mann in der Familie, z.B. wenn der
Ehemann verstorben ist, durchaus entsprechend der Ausbildung
der Männer lernen und auch die rituellen Handlungen übernehmen
kann , wenn sie das gerne möchte?

Das geht sogar mit Ehemann. So ist es einer Frau eben nicht verboten zu lernen und alle frommen Frauen welche ich kenne einschl. meiner eigenen lernen und besuchen Schiurim (Lernkurse). Ohne Lernen ist auch für eine Frau ein Leben nach der Halacha kaum möglich.

Auch auch rituellen Handlungen kann eine Frau sehr wohl übernehmen, sogar wenn ein Ehemann vorhanden ist. So macht auch eine Ehefrau durchaus Kiddusch, allerdings eben nicht wenn sie es gerne möchte, sondern wenn es notwendig ist. Auch beim Mann ist es ja so, dass der Wunsch sich aus der Anforderung ergibt und nicht umgekehrt.

Gruss,
Eli

1 „Gefällt mir“

Hallo Elimelech,

auch rituellen Handlungen kann eine Frau sehr wohl
übernehmen, sogar wenn ein Ehemann vorhanden ist. So macht
auch eine Ehefrau durchaus Kiddusch, allerdings eben nicht
wenn sie es gerne möchte, sondern wenn es notwendig ist. Auch
beim Mann ist es ja so, dass der Wunsch sich aus der
Anforderung ergibt und nicht umgekehrt.

Der Wunsch ergibt sich also zur Not auch bei der Frau, aha!

Bei so viel Gleichberechtigung möchte man(n) sofort orthodoxe JüdIn werden!

Gruß Gernot

BS"D

Der Wunsch ergibt sich also zur Not auch
bei der Frau, aha!

Wenn du richtig gelesen hättest, dann hättest du meinen Verweis darauf gesehen, dass im Judentum eben nicht zu tun ist, was man sich wünscht, sondern was notwendig ist, weil es der Wunsch von G’tt ist. Wünschen kannst du dir als Frau woanders etwas…

1 „Gefällt mir“

Hallo Elimelech,

Der Wunsch ergibt sich also zur Not auch
bei der Frau, aha!

Wenn du richtig gelesen hättest, dann hättest du meinen
Verweis darauf gesehen, dass im Judentum eben nicht zu tun
ist, was man sich wünscht, sondern was notwendig ist, weil es
der Wunsch von G’tt ist. Wünschen kannst du dir als Frau
woanders etwas…

Also, dann will ich nochmal wiederholen, was du im vor-vorigen Posting geschrieben hast:

So macht auch eine Ehefrau durchaus Kiddusch, allerdings eben
nicht wenn sie es gerne möchte, sondern wenn es notwendig ist.
Auch beim Mann ist es ja so, dass der Wunsch sich aus der ::Anforderung ergibt und nicht umgekehrt.

Der Wunsch ergibt sich aus der Anforderung.
Da ist also erforderlich/notwendig, dass man etwas tut, und dann wünscht man sich das infolgedessen auch aus „freien“ Stücken.

Schön, dass der liebe Gott die Frau in deinem Glauben wenigstens als „ Not stopfen“ für rituelle Handlungen vorgesehen hat und dass sich eine gläubige Frau da auch nie ohne Not vordrängen würde, weil sie ja selbst glaubt, bei so etwas nur „zweite Wahl“ zu sein.

Solche Fortschrittlichkeit ist, wenn man etwa auf das Prieseramt schaut, im Katholizismus noch nicht einmal gegeben.

Allerdings stellt sich mir auch bei dir und mehr noch bei deiner Frau immer noch die Frage: Warum glaubt ihr sowas überhaupt?

Sag mal: Ist das mit Yentl* alles nur Fiktion, ohne jeden Bezug zu einer (früheren) Realität oder unterliegt die Rolle der Frau doch auch im orthodoxen Judentum einem Wandel?

http://de.wikipedia.org/wiki/Yentl

Gruß Gernot

*Da habe ich -gerade 20- beim ersten Mal Sehen schamlos in einem Stuttgarter Kino Rotz und Wasser geheult: Ich war gerade auf der Durchreise zurück von der Hochzeit einer Schulfreundin, mit der anzubandeln ich selbst mal einen halbherzigen Versuch unternommen hatte und musste die Zeit rumbringen, bis die homosexuellen Szenelokale öffneten.

BS"D

Hallo Gernot.

Schön, dass der liebe Gott die Frau in deinem Glauben
wenigstens als „Notstopfen“ für rituelle Handlungen vorgesehen µ
hat

Du scheinst es nicht zu verstehen. In dieser Frage unterscheiden sich Frauen nicht von Männern.

bei so etwas nur „zweite Wahl“ zu sein.

Nu, dann zeige mir einmal die fromme Frau welche ein solches falsches Verständnis besitzt. Es geht nicht darum „zweite Wahl“ zu sein, sondern um Pflichten. Im Judentum ist es allgemein so, dass Pflichten nur von jemanden übernommen werden können (als Stellvertreter), welcher selber die gleiche Pflicht hat. Das betrifft dann Frauen wie Männer.

Allerdings stellt sich mir auch bei dir und mehr noch bei
deiner Frau immer noch die Frage: Warum glaubt ihr sowas
überhaupt?

Wer sagt dir, dass wir das glauben, was du hier heraus kristallisierst? So mache ich ja eben nicht Kiddusch für meine Frau mit, weil ich mich für die „erste Wahl“ halte, sondern weil die ganze Familie damit den Schabbes heiligt. So mache ich ja auch Kiddusch für alle anderen, Gäste wie Kinder, mit und niemand hält sich dadurch für „zweite Wahl“. Wir freuen uns so und feiern so gemeinsam.

Sag mal: Ist das mit Yentl* alles nur Fiktion, ohne jeden
Bezug zu einer (früheren) Realität oder unterliegt die Rolle
der Frau doch auch im orthodoxen Judentum einem Wandel?

Der Film spielt ja in einem ganz bestimmten Umfeld innerhalb der Orthodoxie und hier (Chassidismus) verhält es sich seit jeher fast(!) so wie in dieser Fiktion. Wobei es auch „modernere“ chassidische Gruppen gibt und viele Ansichten im Film dort mehr auf Vorurteilen beruhen, als auf Verständnis. Ähnlich wie du hier die „zweite Wahl“ der Frau beim Kiddusch herausstellst, kann man es so darstellen, übersieht dabei aber eben den wesentlichen Charakter beim Kiddusch und das keiner der Beteiligten deine Ansicht dabei andenkt. Ähnlich verhält es sich dann mit Yentl und dem Wunsch einer chassidischen Frau eine Jeschiwe zu besuchen. Auch viele andere Aspekte sind Frage die aus der modernen Welt in die Chassidische projeziert werden, ohne sich dabei zu kümmern ob dort selbige Ansichten überhaupt so vorhanden sind.

Gruss,
Eli

Moin Eli,

vielen Dank für deine Erläuterungen.

Lieben Gruß,
Marion

Elimelech,

Dürfen eure Frauen arbeiten gehen? Wahrscheinlich nur bis ihr Kinder habt?
Haben Männer eine Arbeitsstelle oder „lernen“ sie ausschließlich.

Ich wohne praktisch neben der Synagoge habe mich natürlich noch nicht getraut den Orthodoxen diese Fragen zu stellen und nutze nun die günstige Gelegenheit.

LG kerensa

BS"D

Dürfen eure Frauen arbeiten gehen?

Sicher dürfen sie arbeiten und gehen sie auch arbeiten. Das habe ich doch aber geschrieben.

Wahrscheinlich nur bis ihr Kinder habt?

Nein, auch danach dürfen sie und machen es auch. In Israel ändert sich das in den letzten Jahrzehnten sogar dermassen, dass hier (bei frommen Familien) hauptsächlich die Frauen das Haupteinkommen einbringen.

Haben Männer eine Arbeitsstelle oder „lernen“ sie
ausschließlich.

Es gibt beide Fälle, wobei der überwiegende Teil einer Arbeit nachgeht. Wenn nicht, dann werden sogenannte Kolel besucht, in denen oft das Lernen bezahlt wird (durch Spenden finanziert).

Ich wohne praktisch neben der Synagoge habe mich natürlich
noch nicht getraut den Orthodoxen diese Fragen zu stellen und
nutze nun die günstige Gelegenheit.

Mh, wenn du wie in der Visitenkarte steht, du in Hamburg wohnst, dann gibt es dort meines Wissens ausser dem Rabbiner keine Orthodoxen.

1 „Gefällt mir“

Elimelech,

danke für die Erklärung. Ich habe einige Bücher gelesen in denen orthodoxe Frauen arbeiteten aber das waren Romane und denen habe ich nicht getraut.

Wenn es hier nur einen Rabbiner gibt dann ist das wohl die Familie, die ich oft sehe wenn sie meine Straße hochlaufen. Vater ganz in schwarz mit dem breiten schwarzen Hut, Mutter und ich glaube 3 kleinere Kinder. Manchmal sehe ich ihn auch mit seinem Sohn.

Mh, wenn du wie in der Visitenkarte steht, du in Hamburg
wohnst, dann gibt es dort meines Wissens ausser dem Rabbiner
keine Orthodoxen.

Bedeutet das, das es in Hamburg nur einen Rabbiner gibt? Und nur die eine Synagoge?

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

jüdische Verhältnisse
Hallo Kerensa,

Bedeutet das, das es in Hamburg nur einen Rabbiner gibt?

Ja. Warum nur? Die Mehrzahl der jüdischen Gemeinden in Deutschland hat überhaupt keinen Rabbiner / keine Rabbinerin oder nur eine/n auf Teilzeitbasis.

Hamburg ist eine orthodox geführte Einheitsgemeinde, d.h. der Rabbiner ist in der Praxis orthodox, die anderen eher in der Theorie.

Allerdings gibt es im Großraum Hamburg kleine liberale Gemeinden etwa in Pinneberg und Bad Segeberg. Auch in Hamburg selbst ist vor kurzem eine kleine liberale Gemeinde gegründet worden. Diese liberalen Gemeinden werden von einem Rabbiner betreut, der außerdem noch zwei andere liberale Gemeinden betreut.

Viele Grüße

Iris

Und nur die eine Synagoge?

BS"D

Dürfen eure Frauen arbeiten gehen?

Sicher dürfen sie arbeiten und gehen sie auch arbeiten. Das
habe ich doch aber geschrieben.

Wahrscheinlich nur bis ihr Kinder habt?

Nein, auch danach dürfen sie und machen es auch. In Israel
ändert sich das in den letzten Jahrzehnten sogar dermassen,
dass hier (bei frommen Familien) hauptsächlich die Frauen das
Haupteinkommen einbringen.

Haben Männer eine Arbeitsstelle oder „lernen“ sie
ausschließlich.

Es gibt beide Fälle, wobei der überwiegende Teil einer Arbeit
nachgeht. Wenn nicht, dann werden sogenannte Kolel besucht, in
denen oft das Lernen bezahlt wird (durch Spenden finanziert).

Ich wohne praktisch neben der Synagoge habe mich natürlich
noch nicht getraut den Orthodoxen diese Fragen zu stellen und
nutze nun die günstige Gelegenheit.

Mh, wenn du wie in der Visitenkarte steht, du in Hamburg
wohnst, dann gibt es dort meines Wissens ausser dem Rabbiner
keine Orthodoxen.

1 „Gefällt mir“

Iris, vielen Dank für die Erklärung.

Es wäre wunderbar, wenn Du und andere mir Romane zum Thema empfehlen könnt. Ich habe zwar schon
einige gelesen, das ist aber ewig her ! Ich lese Deutsch und Englisch.

Schöne Feiertage und
LG kerensa

Hallo Kerensa,

Bedeutet das, das es in Hamburg nur einen Rabbiner gibt?

Ja. Warum nur? Die Mehrzahl der jüdischen
Gemeinden in Deutschland hat überhaupt keinen Rabbiner / keine
Rabbinerin oder nur eine/n auf Teilzeitbasis.

Hamburg ist eine orthodox geführte Einheitsgemeinde, d.h. der
Rabbiner ist in der Praxis orthodox, die anderen eher in der
Theorie.

Allerdings gibt es im Großraum Hamburg kleine liberale
Gemeinden etwa in Pinneberg und Bad Segeberg. Auch in Hamburg
selbst ist vor kurzem eine kleine liberale Gemeinde gegründet
worden. Diese liberalen Gemeinden werden von einem Rabbiner
betreut, der außerdem noch zwei andere liberale Gemeinden
betreut.

Viele Grüße

Iris