Die Germanen ein Toponym?

Ist der Volksname der Germanen ein Toponym?

Nein - τόπος = tópos heißt „Ort“, und die einzelnen Germanen waren, sofern ihnen nicht ein Legionär die Beine abgehauen hatte, nicht ortsfest installiert, sondern beweglich.

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Was für ein -nym dann???

Ein Ethnonym.

Mit der Besonderheit, dass dieser Begriff bevorzugt für Bezeichnungen verwendet wird, den sich Völker und Ethnien selbst geben, während die Germanen wahrscheinlich nur von anderen, nämlich römischen Autoren, so bezeichnet wurden.

Schöne Grüße

MM

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„Germanen“ ist kein Volksname. Es hat nie eine singuläre Ethnie „Germanen“ gegeben, auch keine Volksgruppe. Die ältesten Belege für eine derartige Bezeichung wird dem Posedonios um ca 80 v. Chr. zugeschrieben, der damit einen kleinen niederrheinischen, rechtsrheinischen Stamm gemeint haben soll, der den Rhein überschritten habe und bei den dortigen Kelten eingefallen sei. Aber es gab keinen Stamm, der sich selbst so nannte.

Auch Caesar schrieb von „germanischen“ Stämmen, die aber alle eigene Namen hatten. Generell war in der griechischen und römischen Antike „Germania“ eine Bezeichung für das Gebiet nördlich der Alpen und zwischen Rhein und Kaukasus, also zwischen Kelten und Sarmaten bzw. Kelten und Skythen. Woher die Bezeichnung „Germania“ kommt, ist bis heute nicht geklärt. Es war in der Antike jedenfalls eine geopolitische Fremdbezeichung für ein Gebiet. Und alles was darin lebte, waren halt „Germanen“. Es war also ursprünglich tatsächllcih, wenn man so will, ein Toponym: Bezeichnung für einen geographischen Topos, dessen Eigenschaft es war rechtsrheinisch zu sein, und den Römern und den Kelten durch Überfälle Ärger zu machen.

Die Stämme, die in diesem Raum lebten, hatten allerdings eine Konvention: Im Kriegsfalle verbündeten sie sich (nun ja, taten die diversen Stämme der Hellenen ja auch).

Aber es war jedenfalls niemals ein Ethnonym. Keine Ethnie und auch kein Ethnienverband Einige Historiker vermuten, daß es ein Synonym war für das, was bei den Griechen „Barbaren“, also schlicht „Fremde“ genannt wurde (griech. „barbaroi“ < die, die „blabla“ sprachen, d.h. die kein Griechisch sprachen).

Weder ethnisch, noch religionshistorisch (auch nicht mythologisch!) gab es je eine „germanische“ Identität.

Erst mit den politischen Theorien der Nach-Aufklärung („Nationalstaaten“) setzte sich der Begriff „Germanen“, „germanisch“ durch und war dann insbesondere bedeutsam in der Linguistik der indogermanischen Sprachverwandtschaften vom 19. Jhdt. ab…

Ein gute Kurzübersicht über Problemaitken und Kritiken bzgl. des Begriffs gibt es übrigens → hier.

Gruß
Metapher

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Was ich wichtig finde, Metapher, ist, bei allem guten Willen auch genau zu sein. So sehe ich die Begründung dafür, dass „Germanen“ kein Volksname im engern Sinne ist. Aber wie du sagst, war es eine Bezeichnung für die Völker, die in „Germania“ wohnen, die in der Antike üblich war. Damit ist es offensichtlich ein Name, du sagst ein Toponym, was für das rechtsrheinische Gebiet korrekt ist. Wenn aber die Bewohner gemeint sind, die „Germanen“, so kann es kein Toponym sein, es muss ein Ethnonym sein.
Warum sage ich dass du genau sein musst? Du schreibst: „Aber es gab keinen Stamm, der sich selbst so nannte.“, genau ist: Ob sich dieser Stamm selbst als Germanen bezeichnet hat, ist unbekannt. Weil niemand diese Leute gefragt hat. Verstehst du das?
Da sie sich „Im Kriegsfalle verbündeten“ wie du korrekt schreibst, war es demnach ein Ethnienverband, die Ethnien verbündeten sich, kamen sich also gegenseitig zur Hilfe, offenbar, weil sie Gemeinsamkeiten hatten! Sie hatten offenbar eine „germanische“ Identität irgendwelcher Art.
Mangels Quellen können wir auch absolut nicht wissen, was denn die Eigenbezeichnung dieser Völker war, auch da musst du genau sein. „Germanen“ könnte eine Fremdbezeichnung sein, aber auch dafür gibt es keinen Beweis, somit könnte sich sehr wohl auch ursprünglich um eine Eigenbezeichnung handeln.
Aber gesucht habe ich eigentlich nur das Wort „Ethnonym“ danke!
Gruss
NaturM

„Germania“ ist ein Toponmym. „Germanen“ selbstverständlich nicht. Nett von dir, daß du anmahnst „genau zu sein“: Stimmt, dazu gehört vor allem auch, genau zu lesen, was ich erklärte.

„Germanen“ ist ebensowenig ein „Ethnonym“ wie z.B. „Berliner“, oder „Rheinländer“, oder „Europäer“ usw.

Ja, ich weiß warum. Du willst mich belehren, wie antike lateinische und griechische Historiker und andere Literaten zu lesen sind :slight_smile:

Ja, ich verstehe das, was du sagen mächtest: Es waren zwischen Spätantike und frühem Mittelalter weit über 300 (!) Stämme (wie z.B. Άγγειλοι, Burgundiones, Χάτται, Gipedae, Λαγγοβάρδοι usw.) und Stammesverbände (wie z.B. Nordmani, Franci, Suevi - einer der größten, Gutones usw.) in dem Gebiet „Germania“ namentlich und örtlich bekannt. Die sind dir natürlich alle geläufig. Das sind alles → Autonyme, daher dann auch Xenonyme, somit also Ethnonyme. Weder ein Autonym noch ein Xenonym „Germanen“, einen einzelnen Stamm benennend, gab es dabei.

Und du spekulierst nun, indem du zeigen willst, was du unter „genau sein“ verstehst: Mitten unter diesen überaus zahlreichen, namentlich bekannten Stämmen gab es irgendwo einen (historisch offenbar unbedeutenden) kleinen Stamm, dessen Namen man nicht kannte, weil die Reisenden, die auf ihn gestoßen sind, vergessen haben die Stammesangehörigen zu fragen, wie sie sich nennen. Und deshalb weiß man nicht, ob sie sich Germanen nannten. Und weil man nicht wußte, ob sie sich Germanen nannten, man also auch nicht wußte, ob es „Germanen“ überhaupt gibt, hat man alle Völker im geopolitischen Raum „Germania magna“ summarisch „Germanen“ genannt. Genannt nach einem unbedeutenden Stamm, von dem man nicht wußte, wie er sich nennt, weil man ihn nicht gefragt hatte.

Hab ich also verstanden, was du unter „genau sein“ verstehen mächtest?

Und weiter spekulierst du:

Die Gemeinsamkeiten im Falle von Verbündungen waren lokale → Kriegszüge. Du schließt derweil, ohne jegliches Hintergrundwissen seitens antiker Historiker, da du ja „genau sein“ möchtest, daß es „offenbar“ (!) eine „germanische Identität“ war.

Eine „germanische Identität“ ist ein politisch motiviertes Mythem des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

Man weiß übrigens seit den lingustischn Forschungen des 19. Jhdts über die Entwicklungsgeschichte der (seitdem (!) so genannten) „germanischen“ Sprachen,. daß in dem geopolitischen Raum der „Germania magna“ nicht einmal von allen dort siedelnden Stämmen Sprachen gesprochen wurden, die zu dem vor-germanischen bzw, ur-germanischen Sprachraum zu zählen sind. Aber das ist ein ganz anderes Thema.

Gruß
Metapher

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Wie Aprilfisch schon richtig erklärt hatte ist „Germanen“ ein Ethnonym. In der englischen Wikipedia wird es gar als erstes Beispiel benutzt.

https://en.wikipedia.org/wiki/Ethnonym:

As an example, the largest ethnic group in Germany is Germans. The ethnonym Germans is a Latin-derived exonym used in the English language.

Beispielsweise sind die Deutschen die größte ethnische Gruppe in Deutschland. Das Ethnonym Germanen ist ein vom Latein abgeleitetes Exonym, das in der englischen Sprache verwendet wird.

Ich weiss nicht, wie verwirrt man sein muss, um das nicht zu verstehen. Metapher präsentiert eine Uminterpretation von sämtlichen antiken Quellen zu den Germanen und versucht sie durch die Tatsache zu untermauern, dass es verschiedene germanische Stämme gegeben hat.
Ja, sicher war die „Germanen“ ein Sammelbegriff für diverse Einzelstämme, wie das bei den Galliern, Thrakern und den Kelten allgemein ja auch der Fall war.
Die von ihm weiter erwähnten Mythen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu den Germanen, haben mit der Frage übrigens rein gar nichts zu tun.