Die große Revolution

Hallo!

Meine Kindheit verbrachte ich im Fahrwasser der 68er. Sarte, Adorno, Horkheimer, Marcuse, Studentenrevolten, Rolling Stones, Beatles und Woodstock. Aufbruchstimmung, eine ungeheuere Energie war spürbar. Man hatte den Eindruck allem Alten, Verlogenen würde der Garaus gemacht.
Urplötzlich Funkstille. Die Studenten erhoben sich gar gegen Adorno, stießen ihn vom Sockel.
Warum ist die große Revolution ausgeblieben?
Ist von diesem Geist der Aufbruchstimmung nichts mehr übrig?
Was war geschehen?

Gruß
Junktor

Keine große Revolution
Hallo Junktor!

Sehr kurz: Es war eben keine große Revolution, überhaupt keine Revolution eigentlich. Die Studentenbewegung plus wenige Gewerkschaften, die sich ihr anschliessen, waren zu kleine Basis und außerdem unorganisiert vorne und hinten.

Die Ideen der 68er waren teils die Beschleunigung der Demokratisierungsprozesse und somit der weiteren Modernisierung der Gesellschaft. Teils sind sie umgesetzt worden. Kurzum von der Musik eines Rollenden Steins wird keine Revolution gemacht. :smile:

Ich würde somit deine Frage umkrempeln: nicht Was war geschehen? sondern Was ist ausgeblieben? Dann kannst du auch eine richtige Antwort bekommen. z.B. im Vergleich zu der Großen Französischen Revolution.

Zusatzinfos finde ich in dem folgenden Link gut zusammengefasst

http://www.kaikracht.de/68er/

Gruß

Ich würde somit deine Frage umkrempeln: nicht Was war
geschehen? sondern Was ist ausgeblieben? Dann kannst du auch
eine richtige Antwort bekommen. z.B. im Vergleich zu der
Großen Französischen Revolution.

Hallo !

Als „Ingenieurschüler“ 1968 erlebten wir das Ganze als von den „Lehrern“ angezettelte „Revolution“.
Wir marschierten einmal wöchentlich durch Hamburg. Mit roten Fahnen und keiner wußte so richtig, warum!

Wir wurden aufgewertet vom „Schüler“ zum „Studenten“, unsere „Lehrer“ wurden „Professoren“ mit erheblich höherem Gehalt.
Der Unterricht wurde vom „Klassenunterricht“ zu „Semestervorlesngen“ hochgejubelt und mit unseren nachfolgenden Kollegen war nicht mehr allzuviel los.

mfgConrad

Hallo Junktor

…Aufbruchstimmung, eine
ungeheuere Energie war spürbar. Man hatte den Eindruck allem
Alten, Verlogenen würde der Garaus gemacht.
Urplötzlich Funkstille. Die Studenten erhoben sich gar gegen
Adorno, stießen ihn vom Sockel.
Warum ist die große Revolution ausgeblieben?
Ist von diesem Geist der Aufbruchstimmung nichts mehr übrig?

Höchst interessante Frage! Ich bin auch aus der Zeit (48er Jg) und dann in Berlin die ersten 30 Jahre! Alice Schwarzer hautnah. Und sie machte mir noch Angst damals.
Ich habe eine Frage an dich: Was hättest du dir denn als Revolution konkret gedacht, wie hätte die Welt jetzt aussehen sollen nach deiner Vorstellung?
Grüße, Geris

Hallo Conrad!

Als „Ingenieurschüler“ 1968 erlebten wir das Ganze als von den
„Lehrern“ angezettelte „Revolution“.
Wir marschierten einmal wöchentlich durch Hamburg. Mit roten
Fahnen und keiner wußte so richtig, warum!

Danke für deinen authentischen Bericht. Kannst du vielleicht noch ausführlicher das festhalten, was du in Erinnerung hast? Was war das für ein Gefühl? Mitmachen müssen? Jeder für sich oder als eine Gruppe, eine Masse?

Gruß

Danke für deinen authentischen Bericht. Kannst du vielleicht
noch ausführlicher das festhalten, was du in Erinnerung hast?
Was war das für ein Gefühl? Mitmachen müssen? Jeder für sich
oder als eine Gruppe, eine Masse?

Um ganz ehrlich zu sein, damals ging es, zumindest in HH, darum, die Ing.schulen in die Unis zu integrieren. Selbst die „Kochlöffelausbildung“ (Hauswirtschaft) machte stramm mit.
Für uns (Ing. Schiffsbetriebstechnik) war jeder Tag Wanderung durch HH verlorener Tag.
Unsere Ausbildung in Klassenzimmern, mit Unterricht und Klausuren war weitaus effektiver, als heute die Vorlesungen.
Für mich hat das damals nichts gebracht, nur Nachteile.
Die jungen leute sehen dass sicher ganz anders. So haben sie viel mehr Freiheiten.

mfgConrad

Danke für deinen authentischen Bericht. Kannst du vielleicht
noch ausführlicher das festhalten, was du in Erinnerung hast?
Was war das für ein Gefühl? Mitmachen müssen? Jeder für sich
oder als eine Gruppe, eine Masse?

Hallo, Peet,
ich war ungefähr zur gleichen Zeit in der Fach(hoch)schulausbildung in Elsfleth (FHS Oldenburg) und kann eigentlich Conrads Eindrücke unterschreiben. Die Ausbildungssituation war zwar ziemlich verschult, aber den Änderungsdruck, der vielleicht an Universitäten herrschte, kannten wir in dem überschaubaren Rahmen unserer „Seefahrtschule“ eigentlich nicht.

Für mich persönlich aber ergab sich durch die gesamte Stimmung damals den Wunsch aktiv in der Politik mitzumischen, was ich dann auch auf lokaler Ebene tat. Sehr bald verloren aber die meisten meiner Altersgenossen den „revolutionären“ Schwung, gliederten sich nahtlos in die etablierte Phalanx ein und gingen in ihr auf.

Für viele der anderen führte die Tatsache zum Frust und zur Aufgabe, dass nur mit Beharrlichkeit wirklich Änderungen erreichbar waren, sie hatten nicht die Standfestigkeit, den „Marsch durch die Institutionen“ anzutreten und durchzuhalten.

Leztendlich führte bei mir das Ende der Ausbildung und die Einbindung im Beruf (Seefahrt) dann dazu, dass auch ich aufgrund der räumlichen Distanz mich auch aus der aktiven Betätigung zurückzog.

Insgesamt aber herrschte schon eine gewisse Aufbruchstimmung. Es gab eine Unzufriedenheit damit, Dinge so zu tun, wie sie schon immer getan wurden, den Wunsch, frischen Wind in angestaubte Verhaltensweisen zu blasen. Auch war allgemein mehr als heute ein Interesse an politischen Zusammenhängen vorhanden. Und es machte auch Spass mit Leuten wie Johano Strasser oder Peter Conradi zu diskutieren.

Gruß
Eckard

Hallo Eckard,

Für viele der anderen führte die Tatsache zum Frust und zur
Aufgabe, dass nur mit Beharrlichkeit wirklich Änderungen
erreichbar waren, sie hatten nicht die Standfestigkeit, den
„Marsch durch die Institutionen“ anzutreten und durchzuhalten.

Man kann nicht das unterwandern oder aushöhlen, was abgeschafft gehört res. abstirbt. Damit sägt man am eigenen Ast.
Auch die MoDemos werden wieder im Sand verlaufen - allerdings bleibt der Frust und verschärft sich.
Solange die Leute nicht kapieren, dass letztlich sämtliche Probleme nur struktureller Natur sind und in der Form der Organisation geklärt werden müssen - nämlich nichthierarchisch - gibts keine Verbesserungen. Der Kapitalusmus ist definitiv nicht zu retten, Schröder macht derrzeit das einzig mögliche - strikt nach Lehrbuch: http://www.mlwerke.de/me/me25/me25_242.htm

Insgesamt aber herrschte schon eine gewisse Aufbruchstimmung.
Es gab eine Unzufriedenheit damit, Dinge so zu tun, wie sie
schon immer getan wurden, den Wunsch, frischen Wind in
angestaubte Verhaltensweisen zu blasen. Auch war allgemein
mehr als heute ein Interesse an politischen Zusammenhängen
vorhanden. Und es machte auch Spass mit Leuten wie Johano
Strasser oder Peter Conradi zu diskutieren.

Schonmal interessant, sowas zu erfahren. Ich war damals 2 :smile:

Gruß
Frank

Hallo Junktor

Warum ist die große Revolution ausgeblieben?

EIN Grund mag sein, dass die Studentenführer den Anschluß an die Arbeiter nicht geschafft haben. Erstere waren zu abgehoben, nur intellektuell, aber ohne „anständige Speisen auf der Karte“. Und den deutschen Arbeitern ging es um was anderes. Sie wollten endlich ihren tiefergelegten Manta fahen und behalten und farbfernsehen und nicht schon wieder für irgendwas af die Straße gehen. In Paris hätte es eher geklappt als in Berlin, denn dort haben die meisten Arbeiter ein anderes Selbstverständnis (revolutionärer von Geburt an, wenn Du so willst) und Daniel Cohn-Bendit war emotionaler als Dutschke und an ihnen „näher dran“.

Ist von diesem Geist der Aufbruchstimmung nichts mehr übrig?

Naja, es ist nicht mehr Aufbruch-Stimmung, aber gewisse Ideale sind in meiner Generation z.T. schon noch spürbar.
Gruß, Branden

Wir aus der Arbeiterklasse (wir die Gammler), haben diese Bewegung als rein den Studenten zugehörig empfunden. Da wir auch keine große Lust hatten, in die Mühle der alteingeführten Abläufe zu treten, symphatisierten wir mit den Studenten, aber es ging uns so wie hier schon jemand gesagt hat, - wir wußten gar nicht so richtig um was es eigentlich ging.

aber es stimmt, man fühlte eine neue Luft und sie hat mein Leben in eine völlig andere Richtung geweht, wofür ich sehr dankbar bin.

mfg
rolf

keine Zeit dafür
Hallo Junktor,

denn wir befinden uns, immer noch, auf dem langen Marsch durch die Institutionen.

Freundliche Grüsse
Anonym

Sammelantwort
Hallo Zusammen!

Herzlichen Dank für eure Beiträge, ich finde es interssanter und aufschlussreicher, individuelle Reflexionen von tatsächlich Erlebtem zu erfahren, als subjektiv gefärbte und politisch korrekte soziologische Studien zu lesen.
Worüber ich immer noch grüble, ist die rasante Geschwindigkeit, mit der die „Bewegung“ zum Stillstand gekommen ist. Am Beispiel von Adorno will ich das darlegen:
Die „Dialektik“ der Aufklärung" von Horkheimer/Adorno wurde für die Studentenbewegung der 68er zum Manifest. Aber schon 69 gab es erste Gegendemonstrationen und es kam zu Vorlesesprengungen. Die Studenten begannen seinen Ansatz als praxisfeindlich zu kritisieren. Adorno war völlig irritiert. Er stirbt kurze Zeit später, eine geradezu tragische Entwicklung. Kurz vor seinem Tod schreibt er:
„Der Sprung in die Praxis kuriert den Gedanken nicht von der Resignation, solange er bezahlt wird mit dem geheimen Wissen, daß es doch nicht gehe.“
Ist das die Antwort?

Weil ich damals zu jung war, möchte ich eure Antworten gerne unkommentiert stehen lassen. Habt nochmals Dank dafür.

Herzliche Grüße
Junktor

Hallo!

Meine Kindheit verbrachte ich im Fahrwasser der 68er. Sarte,
Adorno, Horkheimer, Marcuse, Studentenrevolten, Rolling
Stones, Beatles und Woodstock. Aufbruchstimmung, eine
ungeheuere Energie war spürbar. Man hatte den Eindruck allem
Alten, Verlogenen würde der Garaus gemacht.

wurde doch auch zumindest in unseren eigenen Köpfen.

Urplötzlich Funkstille.

NaNa, so plötzlich habe ich das nicht empfunden es ging doch zumidnest bis „Deutschland im Herbst“.

Die Studenten erhoben sich gar gegen
Adorno, stießen ihn vom Sockel.

damit machst du doch Adorno zur Revolution. letztendlich mußte er vom Thron, weil er älter war als 30. :wink:

Warum ist die große Revolution ausgeblieben?

Sie war da, nur hast du es nicht gemerkt.

Was hast du erwartet? Was hast du zur Erfüllung deiner Erwartungen getan?

Oder anders: Was hast du erwartet, daß die anderen für dich tun?

Ist von diesem Geist der Aufbruchstimmung nichts mehr übrig?

Bei mir ja, bei dir nciht?

Was war geschehen?

Ganz klar: (siehe die anderen Antworten) Zuviele Mitläufer zuwenig Mitdenker.

Es war wie auf ner großen Party: sobald das Bier alle war, verpiisten sich die meisten und keienr half aufräumen.

was übrig blieb war schlicht der Trieb: endlich konnte man f*cken wie man wollte. die Weiber wollten auch und man konnte die alten auf die Presse verweisen: „wir sind in der sexuellen Revolution“.

als dann noch die APO zur IPO werden wollte, war es ganz aus. Denn bald wurde klar: auch die kleben an Macht und Amt. Statut wurde Papier, Idee zur Farce und Debatte zum Strickclub (Im wahrsten Sinne des Wortes)

Man war offen für alle und organisatorich und Mitgliedsmßig eh nicht beser als die Schillpartei. Nur war „Links-chaotisch“ schon immer etwas sympathischer als „rechts-chaotisch“.

Und was noch blieb: Wir haben ein Bewußtsein für die Welt in der wir leben. Was als Anti-AKW begann ist zu einm starken „Welt“-bewußtsein geworden: Lebe ich gesund, ist und bleibt die Welt gesund.

Aber was macht der deutsche Geist, wenn es ihm gut geht und er keine anreize von außen mehr bekommt? Er kehrt aus sich und meckert an den anderen und allem rum. Damit bleibst du in der Tradition, die eigentlich ab-revolutioniert werden sollte.

Schau in „spiegel-online“ : „die meisten Ostdeutschen sind unzzufrieden“

auch Revolution und ???

Im Konsumrausch ist die Idee vergessen. Meckern und meckern und Wessi helft uns und schickt mehr geld und jedes Gesetz ist Anti-NFL und sowieso udn Kohl ham se gewählt und jetzt schimpfen sie auf die SPD, weil die den damaligen Wahlirrtum nicht korrigieren kann usw. usw.

Vergessen ist, daß man jetzt frei ist, vergessen ist, dass man sich alles kaufen kann, vergessen ist daß man keine Angst mehr haben muss, vergessen ist die DDR.

Deshalb: Zurück zu deutschen Tugenden: Satt sind wir und nun lasst uns meckern und die anderen daran erinnern, daß sie ihre Arbeit nicht ordentlich machen und uns keine reize mehr liefern.

Bei jeder Revolution bleibt ein Problem: Der Mensch in seiner Trägheit, Faulheit und Dummheit.

gruss

Gruß
Junktor

Off Topic
Hallo Local!

Oder anders: Was hast du erwartet, daß die anderen für dich
tun?

Es ging mir hier nicht um mich, um das mal deutlich zu machen!

Wenn du die Frage aber allgemein, nicht nur die „Bewegung“ betreffend, beantwortet haben willst:

Meine Erwartungshaltung ist eine sehr bescheidene:
Eine Minimalforderung wäre die, mir wenigstens nicht im Wege zu stehen.
Schön wäre all das, was ich selbst nicht zu tun imstande bin.
Und da habe ich den Radius meiner Illusionen schon so eng gesteckt, dass ich mir selbst auf die Füße trete.
Schau dich um in der Welt! Du kannst schon froh sein, wenn du nicht massakriert wirst! Ganz egal welche Einstellung, welchen Glauben, welche Vorstellungen, welche Herkunft, welche Hautfarbe etc. man auch hat, es gibt immer welche, denen das nicht paßt.
Die Dreistigkeit auch noch Forderungen an andere zu stellen wäre schon eine sehr vermessene! *Sarkasmusaus*

Gruß
Junktor

Hallo Local!

Oder anders: Was hast du erwartet, daß die anderen für dich
tun?

Es ging mir hier nicht um mich, um das mal deutlich zu machen!

die Frage war auch eher rhetorisch.

gruss

ot:Gehört das denn nicht eigentlich ins Brett…
„Militärhistorie“???

-)

Meine Kindheit verbrachte ich im Fahrwasser der 68er. Sarte,
Adorno, Horkheimer, Marcuse, Studentenrevolten, Rolling
Stones, Beatles und Woodstock. Aufbruchstimmung, eine
ungeheuere Energie war spürbar. Man hatte den Eindruck allem
Alten, Verlogenen würde der Garaus gemacht.

Ich kann dieser Reflexion im Grundsatz nicht folgen. Ich sehe in Sartre, Adorno, Horkheimer und damaligen Studentenrevolten nichts großartig Wahrhaftiges. Die alten Lüge konnten von diesen Theorien und Gruppen doch allenfalls durch neue ersetzt werden. Die 68er Bewegung war eine gemeinschaftliche Illusion. Wenn ich Schriftstücke oder Filmsequenzen aus diesem damaligen Milieu sehe, kommt mir das alles nur wie eine bizarre Massenhysterie vor. Diese Kreise waren der Mehrheit der Menschheit derartig entfremdet, dass sie meinten für diese eine Vorreiterrolle übernehmen zu können.

Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden. Trotz der harten Formulierungen bin ich nicht feindselig eingestellt. Ich bin auch nicht rechtsradikal, konservativ oder FDP-liberal orientiert. Ich möchte hier nur SO KNAPP WIE MÖGLICH meine Haltung verdeutlichen.

Schöne Grüße, Eckhard

Hi Eckhard!

Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden. Trotz der
harten Formulierungen bin ich nicht feindselig eingestellt.
Ich bin auch nicht rechtsradikal, konservativ oder FDP-liberal
orientiert. Ich möchte hier nur SO KNAPP WIE MÖGLICH meine
Haltung verdeutlichen.

Wo kämen wir hin, wenn du deine Haltung nicht mehr verdeutlichen dürftest?! Genau daran war mir gelegen!
Allerdings wäre mir eine differenzierte und gerne auch ausführlichere Antwort lieber! Wo genau glaubst du lügen Adorno und Horkheimer?
Oder glaubst du sie belügen sich gar selbst? (siehe dazu meine Sammelantwort)

Gruss
Junktor