Welche Verständnisprobleme haben die Leute?
Ich weiß nicht, ob die Leute ›Verständnisprobleme‹ haben. Es scheint mir eher, dass es sich um eine Verkettung ungünstiger Umstände handelt:
Erstens sind zwei der drei Beispiele, die du nennst, Homophone – also gleich klingende Wörter oder Wortgruppen – im Deutschen (›das‹ und ›dass‹ bzw. ›in dem‹ und ›indem‹). Alle drei Beispiele sind nur einen Tastenanschlag zu viel oder zu wenig von der jeweils korrekten Variante entfernt. Mit anderen Worten: Ein Fehler ist leicht passiert, wenn man schnell, aber nicht 100% akkurat tippt. Wenn man ihn verhindern bzw. korrigieren will, hilft einem die Lautung nur in einem Fall weiter (und das ist auch meines Erachtens der seltenste der drei Fehler). In den anderen beiden Fällen muss man halt nachschlagen, wenn man nicht auswendig weiß, wie es richtig ist. Zumindest das Paar ›das/dass‹ rechnet auch die Dudenredaktion zu den orthografisch schwierigen Wörtern.
Zweitens ist ›das Internet‹ – wenn du gestattest, dass ich gerade mal ein paar Milliarden Seiten über einen Kamm schere – eine Umgebung, in der umgangssprachliche Sprachverwendung relativ breite Toleranz genießt. Nicht in allen, aber in vielen Foren herrscht eine größere sprachliche Lockerheit bzw. Laxheit als in vergleichbaren Offline-Kontexten. Das fast allgemeine Du, das im deutschsprachigen Teil des Internets als Anredeform üblich ist, fördert den Eindruck, dass man quasi unter sich ist und dementsprechend frei Schnauze sprechen bzw. schreiben kann. Dazu gehört für einige Schreiber auch, dass sie das Gefühl haben, weniger Mühe darauf verwenden zu müssen, Regeln der Standardsprache einzuhalten – so, wie auch offline viele mit Familie und Freunden anders sprechen als mit ihrem Chef.
Drittens vermute ich, dass der Stellenwert von Regeleinhaltung (um der Regeleinhaltung willen) gesamtgesellschaftlich eher sinkt. Das ist, zugegeben, spekulativ, aber meine Vermutung ist, dass es mehr 70-Jährige gibt als 17-Jährige, denen es sehr wichtig ist, sich an die Rechtschreibregeln zu halten, ohne groß zu hinterfragen, warum. Es ist auch vorstellbar, dass Orthografie im Schulunterricht heute eine geringere Rolle spielt als in der Vergangenheit. Dadurch sind die Regeln vielleicht weniger vertraut. Hinzu kommt, dass man gerade im Fall der Orthografie (oder der Sprache im Allgemeinen) recht schnell feststellt, dass man viele Regeln brechen kann, bevor die Verständlichkeit leidet. Ich glaube nicht, dass jeder, der wenig auf Rechtschreibung achtet, darüber bewusst nachgedacht hat, aber er hat zumindest die Erfahrung gemacht, dass er auch noch dann verstanden wird, wenn er nicht alles richtig schreibt. Wenn der Ehrgeiz und die Notwendigkeit, die Regeln exakt zu kennen, beide fehlen, gibt es auch wenig Motivation dazu.
Zusammenfassend hast du dann Schreiber, die in einer Gesellschaft leben, die weniger denn je auf (orthografische) Regeltreue pocht, und die sich in einem Umfeld bewegen, das* korrekte Rechtschreibung noch weniger fordert als andere Umgebungen. Dass es dann bei Wörtern schiefgeht, die als rechtschreiblich schwierig gelten und bei denen selbst manch geübter Schreiber sich bisweilen vergreift, ist nicht sonderlich überraschend. Aber: Wie ich bereits schrieb, entstehen dadurch äußerst selten echte Verständnisprobleme. Sprache ist meist derart redundant und konventionalisiert, dass man auch mitbekommt, worum es geht, wenn ein Buchstabe oder Wort an der falschen Stelle steht. Das heißt: Wenn man sich über solche Fehler nicht unbedingt aufregen will, liest man eigentlich darüber hinweg – so geht es zumindest mir.
Gruß
Christopher
* Anmerkung am Rande: Ich habe dieses Posting nach dem Schreiben ein oder zwei Mal durchgelesen, dann gepostet und erst danach, beim erneuten Überfliegen, gesehen, dass ich an der markierten Stelle ›dass‹ geschrieben hatte, obwohl dort ›das‹ stehen muss (›das Umfeld, welches‹). Wenn es hier nicht um genau diese Frage ginge, hätte ich den Fehler vermutlich stehen lassen. In diesem Fall kam es mir ein bisschen blöd vor. Außerdem gibt mir die erneute Bearbeitung die Gelegenheit, mich selbst als Beweis dafür anzuführen, dass selbst einigermaßen aufmerksame und um orthografische Korrektheit bemühte Schreiber, die wissen, welches Wort das richtige ist, dann und wann schlicht danebengreifen.