Die Lüge der Tangentensteigung?

Moin,

http://www.brinkmann-du.de/mathe/gost/formel/f_0478.gif

Bei der Definition des Differentialquotienten strebt ja delta x gegen 0, aber ohne wirklich null zu werden (denn durch null kann man ja nicht teilen!).

Damit man aber doch von einer Tangente reden kann muss doch delta x gleich null sein. Das geht aber nicht (siehe oben). Also haben wir auch keine Tangente.

Dennoch wird ständig davon geredet, dass man mit dem Differentialquotienten die Steigung der Tangente errechnet. Warum wird das behauptet? Warum benutzt man den Grenzwert als die Steigung der Tangente?

Der Grenzwert bedeutet doch nur, dass der Differntialquotient gegen den Grenzwert strebt, ihn aber niemals erreicht. Also warum benutzt man den Grenzwert als die Steigung der Tangente? Es ist ja sogar so, dass, wenn man den Grenzwert benutzt der Differentialquotient nichtmal definiert ist!!! Genau deshalb strebt dellta x ja nur gegen 0.

Ich hoffe ihr versteht was ich meine.

Thanks and peace.

Hi,

erstmal: runterkommen.
dann: richtig, durch 0 kann man nicht teilen, und die Tangente ist nicht bestimmt. trotzdem wirst du zustimmen, dass genau die Steigung der (wenn eindeutig bestimmt) Tangente das ist, was man sucht.
Was kann man also machen? Aufgeben ist hier keine Alternative, also hat man sich folgendes überlegt: Man fängt mit einer sekante an, deren einer Punkt der von Interesse ist, von dem man also die Tangente bestimmen will. Rutscht nun der 2. Punkt immer weiter an den ersten heran, nähert man sich der gesuchten Tangente. :smile:
Von der anderen Seite macht man das genauso.
Im Falle das beide Grenzwerte gegen denselben Wert konvergieren, weiß man … was?
Nun, die tangente kann dann - auch wenn wir sie nicht direkt bestimmen können keinen anderen Wert haben, als den Grenzwert.
HTH
viele Grüße,
JPL

Hallo ElaMiNaTo,

ich weiß leider nicht genau, was Du meinst; da ich jedoch Deinen Bildungsstand aus vorangegangenen Postings einigermaßen einschätzen kann, sehe ich in Deiner Frage hauptsächlich ein Problem mit dem Grenzwertbegriff. Ich hoffe inständig, dass Dir meine weiteren Ausführungen helfen werden, die „Lüge der Tangentensteigung“ zu durchschauen. Wenn nicht, frag einfach weiter.

Schau Dir zuerst einmal dieses Bild an: Es zeigt den Graphen einer Funktion. Ich denke, es ist einigermaßen klar erkennbar, dass diese Funktion bei x=0 den Wert 1 annimmt.

Und nun schau, der Graph welcher Funktion das ist: f(x)=sin(x)/x.
Oha, bei x=0 besitzt diese Funktion überhaupt keinen Wert, weil man durch 0 nicht teilen kann. Aber je näher man der Null kommt, desto näher kommen die Funktionswerte der 1. Offenbar lässt sich die Funktion durch f(0):=1 stetig (sogar unendlich oft differenzierbar!) fortsetzen.

Als nächstes stell Dir die Funktion f(x)=x²/x vor. Für alle von null verschiedenen x gilt f(x)=x, nur für x=0 gilt dies nicht. Aber es gibt nichts, was dagegen spräche, der 0 einfach den Funktionswert 0 zuzuweisen, denn dadurch wird die Funktion unendlich oft differenzierbar.

Und nun stell Dir eine Normalparabel vor: f(x)=x². Bei x=0 besitzt diese Funktion offenbar (anschaulich!) eine waagerechte Tangente, die Steigung der Tangente ist also 0. Und jetzt stellt sich halt die Frage, wie man das ausrechnen kann.
Dazu kann man natürlich erst einmal Näherungen bestimmen, indem man den Punkt bei x=0 und noch einen weiteren Punkt bei x=h (in der Nähe von null) auf dem Funktionsgraphen nimmt, eine Sekante durch diese zwei Punkte legt. Die Näherung sollte immer besser werden, je näher h an 0 kommt.
Die Steigung dieser Sekanten kann man aber ausrechnen: Sie beträgt m(h)=h²/h. Das ist die Funktion, die wir eben schon einmal betrachtet haben: Wenn h nicht null ist, ist m(h)=h. Wenn man also mit h immer näher an 0 kommt, dann geht auch m(h) immer näher an null; und da wir mit m(h) die Steigung der Tangente genähert haben, hat diese offenbar die Steigung 0.

Machen wir das gleiche mit der Sinusfunktion: Hier erhalten wir für die Sekantensteigungen m(h)=sin(h)/h, das ist die Funktion, deren Graphen ich Dir ganz am Anfang gezeigt habe. Wie Du dort sahst, „besitzt“ dieser Graph bei h=0 den Funktionswert 1, auch wenn m(0) rechnerisch nicht definiert ist. Der Graph der Sinusfunktion sollte also bei x=0 die Steigung 1 haben, was Du zeichnerisch schnell verifizieren kannst.

Liebe Grüße
Immo

Moin,

Mittag

Bei der Definition des Differentialquotienten strebt ja delta
x gegen 0, aber ohne wirklich null zu werden (denn durch
null kann man ja nicht teilen!).

Solange x noch strebt, haben wir nicht den Differen tial quotienten, sondern einen Differen zen quotienten.

Der Differentialquotient ist der Grenzwert. Und es ja gerade das besondere an Grenzwerten, dass es Folgen gibt, die sich einem Grenzwert immer mehr annähern, ohne ihn jemals zu erreichen. (Schau Dir nochmal die Definition des Grenzwertes an.) Der Grenzwert ist nicht unbedingt ein Folgenglied.

Damit man aber doch von einer Tangente reden kann muss doch
delta x gleich null sein.

Nein. Damit man von einer Tangente reden kann, muss eine Folge von Geradensteigungen einen Grenzwert haben. Diesen Grenzwert findest Du heraus, indem Du ermittelst, welchem Wert sich die Folge beliebig weit annähert. Nicht, indem Du durch Null teilst.

Dennoch wird ständig davon geredet, dass man mit dem
Differentialquotienten die Steigung der Tangente errechnet.

Der Differentialquotient ist die Steigung der Tangente.

Warum wird das behauptet? Warum benutzt man den Grenzwert als
die Steigung der Tangente?

Das wird nicht behauptet, sondern definiert.

Der Grenzwert bedeutet doch nur, dass der
Differntialquotient gegen den Grenzwert strebt, ihn aber
niemals erreicht.
Also warum benutzt man den Grenzwert als
die Steigung der Tangente? Es ist ja sogar so, dass, wenn man
den Grenzwert benutzt der Differentialquotient nichtmal
definiert ist!!! Genau deshalb strebt dellta x ja nur gegen 0.

  • Unterscheide zwischen einer Folge und ihrem Grenzwert. Du kannst nicht davon ausgehen, dass Du den Grenzwert mit dem gleichen Ausdruck berechnen kannst, mit dem Du einzelnen Folgenglieder berechnest.
  • Unterscheide zwischen Differenzenquotient (Folgenglied) und Differentialquotient (Grenzwert).

Gruß
KHK

Schau Dir zuerst einmal dieses Bild an: Es zeigt
den Graphen einer Funktion. Ich denke, es ist einigermaßen
klar erkennbar, dass diese Funktion bei x=0 den Wert 1
annimmt.

Und nun schau, der Graph welcher
Funktion das ist: f(x)=sin(x)/x.
Oha, bei x=0 besitzt diese Funktion überhaupt keinen Wert,
weil man durch 0 nicht teilen kann. Aber je näher man der Null
kommt, desto näher kommen die Funktionswerte der 1. Offenbar
lässt sich die Funktion durch f(0):=1 stetig (sogar unendlich
oft differenzierbar!) fortsetzen.

Als nächstes stell Dir die Funktion f(x)=x²/x vor. Für alle
von null verschiedenen x gilt f(x)=x, nur für x=0 gilt dies
nicht. Aber es gibt nichts, was dagegen spräche, der 0 einfach
den Funktionswert 0 zuzuweisen, denn dadurch wird die Funktion
unendlich oft differenzierbar.

Und nun stell Dir eine Normalparabel vor: f(x)=x². Bei x=0
besitzt diese Funktion offenbar (anschaulich!) eine
waagerechte Tangente, die Steigung der Tangente ist also 0.
Und jetzt stellt sich halt die Frage, wie man das ausrechnen
kann.
Dazu kann man natürlich erst einmal Näherungen bestimmen,
indem man den Punkt bei x=0 und noch einen weiteren Punkt bei
x=h (in der Nähe von null) auf dem Funktionsgraphen nimmt,
eine Sekante durch diese zwei Punkte legt. Die Näherung sollte
immer besser werden, je näher h an 0 kommt.

Bis hierhin ist alles klar. Bis auf das leider das allererste Bild mir nicht angezeigt wird bzw. Link nicht funktioniert.

Die Steigung dieser Sekanten kann man aber ausrechnen: Sie
beträgt m(h)=h²/h. Das ist die Funktion, die wir eben schon
einmal betrachtet haben: Wenn h nicht null ist, ist m(h)=h.
Wenn man also mit h immer näher an 0 kommt, dann geht auch
m(h) immer näher an null; und da wir mit m(h) die Steigung der
Tangente genähert haben, hat diese offenbar die Steigung 0.

Wie kommst du auf diese Formel der Sekantensteigungen? Das kann ich irgendwie nicht nachvollziehen. Ich bin es gewöhnt Sekantensteigungen in der Art zu sehen:
(f(x)-(f(x)+h))/ h

Mit der Sinusfunktion taucht dann das gleiche Problem wieder auf. Habe absolut keine Ahnung wie du auf diese Formel der Sekantensteigung gekommen bist.

Liebe Grüße :smile:

Ich kann dem, was du schreibst, nur zustimmen.

Nabööönd,

Solange x noch strebt, haben wir nicht den Differentialquotienten, sondern einen Differenzenquotienten.

Macht Sinn. Ja.

Der Differentialquotient ist der Grenzwert. Und es ja gerade das besondere an Grenzwerten, dass es Folgen gibt, die sich einem Grenzwert immer mehr annähern, ohne ihn jemals zu erreichen. (Schau Dir nochmal die Definition des Grenzwertes an.) Der Grenzwert ist nicht unbedingt ein Folgenglied.

Stimmt. Das habe ich (fälschlicherweise) völlig in meinem Geiste angenommen, dass dies unbedingt so sein muss.

Dadurch fällt eine Verwirrung bei mir immerhin schonmal völlig flach.

Es bleibt eigentlich nur die Frage, warum der Grenzwert auf jedenfall die Tangente sein muss.

Und da springt auch meine eigene Logik dann an, welcher JPL auch folgt, wenn man die Tangente von einem Punlt bestimmen will und von „links“ und „rechts“ die Tangentensteigungen gegen denselben Grenzwert konvergieren, dann kann dies ja nur die gesuchte Tangente sein! Was sollte es sonst sein?

Hallo!

Deine ursprüngliche Frage ist ja jetzt wohl geklärt, jetzt bleibt nur noch die Detailfrage:

Und nun stell Dir eine Normalparabel vor: f(x)=x². Bei x=0

Dazu kann man natürlich erst einmal Näherungen bestimmen,
indem man den Punkt bei x=0 und noch einen weiteren Punkt bei
x=h (in der Nähe von null) auf dem Funktionsgraphen nimmt,

Die Steigung dieser Sekanten kann man aber ausrechnen: Sie
beträgt m(h)=h²/h.

Sekantensteigungen in der Art zu sehen:
(f(x)-(f(x+h))/ h

Ich (fast) auch, nur dass bei mir das Vorzeichen andersherum ist:

m(h) = [f(x0+h)-f(x0)]/h.

Nun betrachte ich das Ganze bei x0=0. Dort ist auch f(x0)=0²=0. Eingesetzt ergibt dies:

m(h) = [f(0+h)-f(0)]/h = [f(h)-f(0)]/h = [h²-0²]/h = h²/h.

Dasselbe gilt sinngemäß für die Sinusfunktion, deren Tangente ich auch bei x=0 bestimmen wollte.

Liebe Grüße
Immo

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