Die Rolle der Banken

Hallo zusammen,

als die HRE am Abgrund stand, war man sich quer durch die Nation einig, daß ein Absturz einen Dominoeffekt bei den Banken und anschließend (deswegen) einen Zusammenbruch großer Teile der Realwirtschaft auslösen würde. So jedenfalls die Begründung für das Rettungspaket.

Ich frage mich, wie es sein kann, daß ein Kreditinstitut, dessen Zustand einen so immensen Einfluß auf die Gesamtwirtschaft hat, als einfache AG mit der daraus resultierenden (legitimen) Zielstellung eines möglichst hohen Gewinns auf die Menschheit losgelassen wird.
Ich bin weit davon entfernt, nach Verstaatlichung zu rufen, aber ich meine, hier herrscht ein Ungleichgewicht zwischen der Zielstellung eines Unternehmens und seinem Gewicht (die Physiker mögen mir verzeihen).
Mit einer Veränderung der Vergütungsstruktur im Management und einer Erhöhung des Eigenkapitals wird sicherlich das Risikomanagement stärker gewichtet, aber am Rollenverständnis der KI ändert das nichts.

Zum (hinkenden) Vergleich: Wenn Daimler pleite geht, dann löst das zwar bei den Zulieferern Turbulenzem aus, aber es bricht deswegen nicht die Stahlindustrie und die Elktroindustrie zusammen.

Passen bei den Banken ihr eigenes Rollenverständnis als gewinnorientierte Unternehmen der Privatwirtschaft und ihre Rolle und ihr Gewicht in der Gesamtwirtschaft zusammen?

Gruß
Cassius

Hallo,

Ich frage mich, wie es sein kann, daß ein Kreditinstitut,
dessen Zustand einen so immensen Einfluß auf die
Gesamtwirtschaft hat, als einfache AG mit der daraus
resultierenden (legitimen) Zielstellung eines möglichst hohen
Gewinns auf die Menschheit losgelassen wird.

schlimmer noch: die Politik ruft doch seit gut 15 Jahren nach größeren weil angeblich international schlagkräftigeren Kreditinstituten. In jüngster Vergangenheit war das ja am Beispiel Commerzbank/Dresdner Bank zu sehen und ganz besonders bizarr bei den Landesbanken, bei denen man gar nicht weiß, welche am schlechtesten dasteht. Anstatt die Buden einzudampfen, verlangt man die Konsolidierung zu einer, maximal zwei deutschen Landesbanken.

Mit einer Veränderung der Vergütungsstruktur im Management und
einer Erhöhung des Eigenkapitals wird sicherlich das
Risikomanagement stärker gewichtet, aber am Rollenverständnis
der KI ändert das nichts.

Das Risikomanagement wird nie ein adäquates Gegengewicht zum Vertrieb haben. Spätestens im Vorstand steht ein einzelner Risikovorstand dem Rest des Vorstandes gegenüber. Das kann nicht funktionieren. Die einzige Möglichkeit, ein Kreditinstitut risikoorientiert zu führen, ist in Form einer Personengesellschaft mit persönlich haftenden Gesellschaftern, die also mit dem eigenen Geld spielen. Hier besteht zwar wieder das Problem, daß Kredite aus privaten Interessen genehmigt werden, aber zumindest ist dort das Risikoverständnis ein anderes.

Man spielt eben nicht mit dem Geld anderer Leute, sondern mit dem eigenen - oder dem der persönlich haftenden Gesellschafter, die einem Vertriebsmenschen und dem Risikomanagement bei zu hohen Ausfällen die Hammelbeine langziehen.

Passen bei den Banken ihr eigenes Rollenverständnis als
gewinnorientierte Unternehmen der Privatwirtschaft und ihre
Rolle und ihr Gewicht in der Gesamtwirtschaft zusammen?

Es ist ein Irrglaube, daß die Kreditinstitute ein Rollenverständnis haben. Es geht immer nur um Einzelinteressen, um das einzelne Geschäft. Letzten Endes entscheidet die Marktseite, ob ein Geschäft gemacht wird, indem sie die Entscheidung immer weiter eskalieren lassen. Am Ende entscheidet dann im Zweifel der Vorstand (siehe oben).

Hinzu kommt, daß die Kostenrechnung in Kreditinstituten nicht trivial ist. Ohne auf Details eingehen zu wollen, ist es nicht einfach, Einzel- und Gemeinkosten zu identifizieren und so zu berechnen, ob sich ein einzelnes Geschäft tatsächlich lohnt bzw. einen zusätzlichen Deckungsbeitrag einbringt. Darüber hinaus stellt sich immer die Frage, ob man ein Geschäft, das sich u.U. nicht lohnt, trotzdem macht, um in eine möglicherweise ertragreiche Geschäftsverbindung mit dem Kunden einzutreten. Genauer gesagt ist es meistens so, daß man als Kreditinstitut erst einmal die unattracktiven, risikreicheren Geschäfte bekommt und erst später das risikolose Provisionsgeschäft.

Alles in allem ist die ganze Veranstaltung nicht so einfach zu beurteilen, wie es die Allgemeinheit gerne hätte. Die beiden Hauptpunkte sind aber aus meiner Sicht die verfehlte Risikokultur der nicht-inhabergeführten Institute und die pure Größe, die eine Volkswirtschaft in Bedrängnis bringen können.

Nur wird man dagegen als einzelnes Land kaum etwas machen können.

Gruß
Christian

Hallo,

die Politik ruft doch seit gut 15 Jahren nach größeren weil angeblich :international schlagkräftigeren Kreditinstituten

Das finde ich noch legitim. Wenn du nicht groß genug bist und genügend Marktkapitalisierung auf die Waage bringst, wirst du früher oder später Objekt einer Übernahme. Ich würde mich als Bundesregierung auch nicht wohlfühlen bei dem Gedanken, daß größer werdende Teile der Wirtschaft im Land von auswärtigen KI abhängig werden könnten, auf die im Ernstfall eben nicht eingewirkt werden kann. Die Privatbanken können das nicht leisten.

Sobald ein Laden eine gewisse Größe erreicht hat, muß umgeschaltet werden vom Unternehmer auf Manager, das ist auch bei den großen Privatvermögen in den Unternehmerfamilien so. Das schlägt dann in der Unternehmenssteuerung und in der Unternehmenskultur durch bis ganz weit unten. Wenn der Laden absäuft, räumt der Manager seinen Schreibtisch und nimmt sein Restgehalt mit (Eick), der Unternehmer zieht sich in seine Gemächer (Schäffler?) zurück oder greift schlimmstenfalls zum Strick (Merckle).

In dem Zielkonflikt Größe vs. Unternehmertum/Risikoorientierung sehe ich das letztere auf dem Rückzug und nirgend einen Silberstreif. Die Landesbanken sollten eigentlich als Regulativ wirken, haben aber eine wie die andere die ihnen ursprünglich von den Ländern zugedachte Rolle mißachtet, sind dem Größen- und Ertragswahn erlegen und haben Geschäftsbank gespielt. Deren Zusammenlegung und Konsolidierung würde nicht mehr erzeugen als eine weitere Entscheidungsebene und Neidreaktionen der meisten Landesfürsten.

Mal abgesehen von den gegebenen politischen Möglichkeiten:
Was wäre von einem vom Einfluß von Gebietskörperschaften befreiten KI im Eigentum der Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu halten? Das wäre ein geschlossener Kreis und eine überschaubare Anzahl von Anteilseignern, die alle einigen Sachverstand mitbringen, nicht vom Größenwahn befallen sind und mit denen auch keine (freundliche oder feindliche) Übernahme zu machen ist.

Gruß
Cassius

Hallo,

die Politik ruft doch seit gut 15 Jahren nach größeren weil angeblich :international schlagkräftigeren Kreditinstituten

Das finde ich noch legitim. Wenn du nicht groß genug bist und
genügend Marktkapitalisierung auf die Waage bringst, wirst du
früher oder später Objekt einer Übernahme.

das war in der Vergangenheit selten ein Argument der Politik und ist es heute im Zusammenhang mit den Landesbanken schon gar nicht. Wenn man Obergrenzen für Kreditinstitute festlegte, wäre das Thema eh vom Tisch.

Größe ist nicht gut. Größe bedeutet Komplexität und Ineffizienz, Risiken und Kosten. Man kann der Ansicht sein, daß ein Industrieunternehmen damit leben kann - ein Kreditinstitut kann es auf Dauer nicht, weil es praktisch nur mit Risiken zu tun hat.

Ich würde mich als
Bundesregierung auch nicht wohlfühlen bei dem Gedanken, daß
größer werdende Teile der Wirtschaft im Land von auswärtigen
KI abhängig werden könnten, auf die im Ernstfall eben nicht
eingewirkt werden kann.

Auf ein privatwirtschaftliches Kreditinstitut kann praktisch auch nicht eingewirkt werden, wenn man mal von aufsichtsrechtlichen Regelungen absieht, die aber auch für ausländische Institute gelten. Schon auf die öffentlich-rechtlichen Institute wird nicht eingewirkt, obwohl es aufgrund der Gesellschafterrolle der öffentlichen Hand möglich wäre.

Sobald ein Laden eine gewisse Größe erreicht hat, muß
umgeschaltet werden vom Unternehmer auf Manager, das ist auch
bei den großen Privatvermögen in den Unternehmerfamilien so.

Und genau deswegen ist Größe schlecht: sobald Management und operatives Geschäft inkl. Mitarbeiter nur noch durch große Reden anläßlich von Betriebsversammlungen und Vorschriften miteinander verbunden sind, wirds problematisch.

Ein Unternehmer weiß, warum Maschinen nicht laufen oder Produkte auf Lager verrotten, weil er mit den Mitarbeitern vor Ort spricht. Ein Manager nimmt entsprechende Berichte entgegen und ordnet Gegenmaßnahmen bzw. Ziele an. Ein Unternehmer spricht mit seinen Kunden und verhandelt über den Preis und die anderen Konditionen. Manager schließen mit anderen Managern Absichtserklärungen ab und überlassen die Umsetzung Leuten, die Umsatzprovision bekommen. Unternehmer sprechen mit ihren Kreditgebern und kennen deren Mitarbeiter seit Jahren, während Manager für ihre Finanzleute Vorgaben machen, nur nach den Konditionen zu entscheiden.

Schlecht, schlecht und nochmals schlecht.

Natürlich gibt es Unternehmen, bei denen die Manager gute Arbeit leisten (d.h. besser als beschrieben), und natürlich schlechte Unternehmer. Beides kann aber auf lange Sicht nur die Ausnahme bleiben (irgendwann kommt die erste Managementgraupe und schlechte Unternehmer sind über kurz oder lang vom Markt verschwunden).

In dem Zielkonflikt Größe vs.
Unternehmertum/Risikoorientierung sehe ich das letztere auf
dem Rückzug und nirgend einen Silberstreif. Die Landesbanken
sollten eigentlich als Regulativ wirken, haben aber eine wie
die andere die ihnen ursprünglich von den Ländern zugedachte
Rolle mißachtet, sind dem Größen- und Ertragswahn erlegen und
haben Geschäftsbank gespielt.

Jede Landesbank hat ihre eigene Geschichte und damit gibts auch verschiedene Ursachen für das Scheitern. Oft waren es die Gesellschafter, die Erträge forderten, diese aber auf normalem Wege nicht ermöglichten, weil sie ihren Landesbanken den flächendeckenden Marktzugang verweigerten. Also betätigte man sich auf den Kapitalmärkten und bewegte Riesensummen mit Minimargen.

Generelles Problem der Landesbanken ist darüber hinaus ihre Nähe zur Politik und ihre Dezentralität. In die Provinz bekomme ich nur gute Leute, wenn ich sie fürstlich bezahle oder eben nicht ganz so gute Leute. Außerdem sitzen auf allen Hierarchieebenen auch heute noch ehemalige Beamte und im Aufsichtsrat (naturgemäß) Vertreter der Gesellschafter - was dann wiederum Politiker und Sparkassenleute sind.

Hauptursache für das aktuelle Problem ist der Wegfall von Gewährträgerhaftung und Anstaltslast. Das noch bestehende AAA-Rating wurde dazu benutzt, sich mit billigem Kapital vollzusaugen. Das wollte investiert werden und so trafen zugekaufte Superinvestmentbänker auf ehemalige Beamte ohne Knowhow, die sich von AAA-Ratings überzeugen ließen. Fertig war die Zeitbombe.

Deren Zusammenlegung und
Konsolidierung würde nicht mehr erzeugen als eine weitere
Entscheidungsebene und Neidreaktionen der meisten
Landesfürsten.

Oder aber die weltgrößte Bad Bank.

Mal abgesehen von den gegebenen politischen Möglichkeiten:
Was wäre von einem vom Einfluß von Gebietskörperschaften
befreiten KI im Eigentum der Sparkassen und
Genossenschaftsbanken zu halten? Das wäre ein geschlossener
Kreis und eine überschaubare Anzahl von Anteilseignern, die
alle einigen Sachverstand mitbringen, nicht vom Größenwahn
befallen sind und mit denen auch keine (freundliche oder
feindliche) Übernahme zu machen ist.

Einfluß wird es immer geben, die Zahl der Gesellschafter wäre nicht überschaubar, Sachverstand würde ich genauso wenig durchgängig unterstellen wollen wie fehlenden Größenwahn.

Gruß
Christian

Hallo,

ich bin nach wie vor ratlos, wie ich mir eine optimale KI-Landschaft vorstellen soll.

Wenn ich Deinen Argumenten folge, kommt etwa heraus:

  • Unternehmerisch geführt, also Privatbank oder Kapitalgesellschaft mit geringem Streubesitz (Sicherung gegen Heuschrecken)
  • Nicht zu groß, damit der Staat nicht erpreßt werden kann, und damit Kosten und Effizienz im relativen Optimum liegen.
  • Zentral gelegen wg. Zugang zu guten Mitarbeitern, aber nahe beim Kunden, der gerne aus Kostengründen Ballungsräume meidet.
  • Keine Beteiligung von Gebietskörperschaften (Politiker und Beamte bleiben draußen)
  • Kontrollierte Beschränkung auf ein definiertes Angebots-Portfolio (Schuster, bleib bei Deinem Leisten)
    Habe ich was Wichtiges vergessen?

Interessantes Modell. Der Weg dorthin wäre lang, steinig und dornenreich, selbt unter der Prämisse, daß man sich international auf das oder so etwas Ähnliches einigen könnte.

Gruß
Cassius