Die Rolle Hindenburgs zur Diskussion

Hallo Experten,

die Weimar-Diskussion bringt mich zur Frage, warum eigentlich Hindenburgs Rolle diskussionslos negativ gesehen wird. Ja, er war Monarchist und Repräsentant des alten Systems. Aber gerade deswegen war seine Wahl ein Symbol dafür, dass die Republik sich etwas nach rechts abgesichert hat, d.h. der Fundamentalwiderstand z.B. der DNVP wurde durch ihre Integration in die Regierung gebrochen.

Ja, er war kein Demokrat, aber er war als Preuße ja immerhin „Rechtstaatler“ und er hat die Buchstaben(!) von Verfassung und Gesetzen beachtet, zudem war er eigentlich der letzte von Einfluss, der von Hitlers Ernennung überzeugt werden musste.

Deswegen wurde er ja 1932 mit „verkehrten Fronten“ gewählt.

Klar, ein Reichspräsident Wilhelm Marx hätte Hitler nie ernannt. Aber was waren 1933 die Handlungsoptionen? Ironischerweise bedeutete die Regierung Hitler ja eine Rückkehr zum parlamentarischen System, nach den Jahren der Notverordnungen und Präsidialkabinette.

Das zur Diskussion von
Andreas

Ja, er war kein Demokrat, aber er war als Preuße ja immerhin
„Rechtstaatler“ und er hat die Buchstaben(!) von Verfassung
und Gesetzen beachtet, zudem war er eigentlich der letzte von
Einfluss, der von Hitlers Ernennung überzeugt werden musste.

Bis auf die Aussage, dass er „als Preuße“ automatisch auch „Rechtsstaatler“ war würde ich zustimmen. Allerdings wäre zu überlegen ob Hindenburg den „böhmischen Gefreiten“ nicht eher aus persönlichen als aus politischen Gründen ablehnte.

Deswegen wurde er ja 1932 mit „verkehrten Fronten“ gewählt.

Er wurde vor allem wiedergewählt, da sie SPD dazu aufrief, denn die Alternative hieß A. Hitler.

Klar, ein Reichspräsident Wilhelm Marx hätte Hitler nie
ernannt. Aber was waren 1933 die Handlungsoptionen?
Ironischerweise bedeutete die Regierung Hitler ja eine
Rückkehr zum parlamentarischen System, nach den Jahren der
Notverordnungen und Präsidialkabinette.

30.01.33 Ernennung Hitlers zum RK
04.02.33 „Notverordnung zum Schutz des deutschen Volkes“
28.02.33 „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“
23.03.33 „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“

soviel zur Rückkehr zum Parlamentarismus (ich weiss das ist anachronistisch),
zudem war der Plan Papens Hitler als Marionette zu nutzen,
mit diesem Argument konnte er Hindenburg überhaupt erst überzeugen H. einzusetzen, es war also nie beabsichtigt zum Parlamentarismus zurückzukehren.

Hallo,

Ja, er
war Monarchist und Repräsentant des alten Systems.

Grade das finde ich überhaupt nicht negativ.
Vor allem, wenn man es in Bezug auf Hitler sieht: Hätte sich Hindenburgs monarchistische Überzeugung durchgesetzt (wie viele historische Konjunktive mag das natürlich unrealisitisch sein), wäre Hitler wohl kaum an die Macht gekommen. Ein deutscher Kaiser hätte das sicher verhindert.

Gruß,
Markus

Hallo,

Ein deutscher Kaiser hätte das sicher verhindert.

Das ist eine interessante Idee: Ich denke manchmal, dass die (erzwungene) Abdankung des Kaisers nach dem 1. WK der größte Fehler war. Damit fehlte eine Integrationsfigur. Wilhelm II. war sicher alles andere als ein fähiger Mann bzw. ein halbwegs moderner Staatenlenker - „die größte Fehlbesetzung in der Geschichte“ - aber er hinterließ ein Loch.

Gruss
Laika

Hallo Sirko,

soviel zur Rückkehr zum Parlamentarismus (ich weiss das ist
anachronistisch),

Mit der Rückkehr zum parlamentarischen System meinte ich, dass erstmals seit 1930 sich eine Regierung wieder auf eine Mehrheit im Reichstag stützen konnte.

Gruß,
Andreas

Äh jein
Wo ist denn genau der Unterschied zwischen einem Kaiser und einem Führer? Abgesehen von dem heriditären Anspruch?
Wenn man sich die Verfassung des Reiches vor 1918 anschaut ist der Unterschied was die Kompetenzen angeht nicht so gewaltig.
Ausschlsggeben ist also die Person weniger der Titel.
W. II war vor dem Hintergrund der Niederlage und einer Revolution nicht mehr tragbar.
Wer hätte ihn Deiner Meinung nach ersetzen sollen?

Hallo,

ich sehe Hindenburgs Rolle eingeschränkt positiv.
Er war kein Demokrat, aber er übte seine Pflichten gewissenhaft aus.
Er war eine starke Integrationsfigur für die grossen Teile der Bevölkerung, die der neuen politischen Ordnung ablehnend gegenüber standen, aber bereit waren, sich mit ihr zu arangieren.
Er war zu Zeiten ständig wechselnder Regierungen ein steter Pol, jemand, dem die so genannte breite Masse Vertrauen entgegen brachte.

Hindenburgs heutiges negatives Image beruht größtenteils auf der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. Damit tut man diesem Mann imho aber unrecht. Und wenn er zu diesem Zeitpunkt noch im Vollbesitz seiner Kräfte gewesen wäre, wäre es imho nicht zur Machtübergabe gekommen. Dann hätte die NSDAP die Macht wirklich ergreifen müssen, und zwar gegen mehr Widerstand, als KPD und SPD alleine aufbringen konnten.
Aber Wenns, Wäres und Würdes sind halt so eine Sache in den Geschichtswissenschaften…

Grüsse

Jörg

Hallo,

Wo ist denn genau der Unterschied zwischen einem Kaiser und
einem Führer? Abgesehen von dem heriditären Anspruch?

Im konkret vorliegenden Fall: Kaiser Wilhelm II war der rechtmäßige Herrscher Deutschlands. Adolf Hitler beherrschte Deutschland nur durch Wahl bzw. Machtgergreifung.

Ausschlsggebend ist also die Person weniger der Titel.

Dazu, besonders in diesem Falle, natürlich ein grundsätzliches Ja!

W. II war vor dem Hintergrund der Niederlage und einer
Revolution nicht mehr tragbar.
Wer hätte ihn Deiner Meinung nach ersetzen sollen?

Niemand! Nur im Falle freiwilliger Abdankung sein rechtmäßiger Erbe, der deutsche Kronprinz. Die Revolution war, trotz der Niederlage, ein Fehler. Sicher hätte es Schwierigkeiten mit den Siegermächten gegeben, wenn das deutsche Volk zu seinem Kaiser und die einzelnen deutschen Völker zu ihren Königen gehalten hätten. Allerdings ist die Frage, was unsere Kriegsgegner dagegen unternommen hätten bzw. hätten unternehmen können. Letztendlich wäre ihnen dann wohl nur eine Besetzung Deutschlands übriggeblieben, und ob diese zum Erfolg gefährt hätte bzw. überhaupt riskiert worden wäre, halte ich für zweifelhaft.

Gruß,
Markus

Die Weltwirtschaftskrise erreichte im Sommer 1932 ihren Höhepunkt, danach besserte sich die Lage weltweit langsam wieder.
Durch die Konferenz von Lausanne 1932 wurde Deutschland von weiteren Reparationszahlungen befreit.

Hätte Hindenburg nun Hitler im Januar 1933 nicht zum Kanzler ernannt, so wäre die Wirtschaft wieder angezogen, die Weimarer Republik hätte die Krise überstanden, Hitler wäre als Randerscheinung verschwunden und heute wüßten nur ganz wenige, daß es diesen überhaupt je gab.

Wenn man sich die Verfassung des Reiches vor 1918 anschaut ist der Unterschied was die Kompetenzen angeht nicht so gewaltig.

Schon klar.

Ausschlsggeben ist also die Person weniger der Titel.

Ich denke, es geht nur um die Person. Wie ist es denn bei der englischen Königin? Macht hat sie ja gar nicht. Die Menschen brauchen sowas (leider) anscheinend.

Hallo,

Hindenburgs heutiges negatives Image beruht größtenteils auf der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. Damit tut man diesem Mann imho aber unrecht.

Er hätte auch Schleicher eine Übergangsregierung machen lassen können und dann im Herbst Neuwahlen, bei der die Nazis sicher deutliche Stimmenverluste gehabt hätten.

Und wenn er zu diesem Zeitpunkt noch im Vollbesitz seiner Kräfte gewesen wäre, wäre es imho nicht zur Machtübergabe gekommen.

Nach H. A. Winkler („Der lange Weg nach Westen“) war er fast völlig abhängig/beeinflusst von seinem Umfeld. Und die wollten halt Hitler. Darf man ja nicht vergessen, dass für viele einflussreiche Leute, gehobene Schichten und vor allem das Militär Hitler durchaus akzeptabel war. Seine Partei ist nicht so stark von den Arbeiter-Schichten gewählt worden!

Gruss
Laika