Hallo Ludwig,
zu Herrn Richter mag ich mich nicht einlassen (auffällig nur, das gegenständliche Kunst offenbar in ist), sondern lieber zu Werbung und Marketing.
Auch
ist mir nicht ganz klar, ob Du jetzt die „künstlerische
Leistung“ G. Richters
in Frage stellst, oder lediglich den darum herum
entstandenen,evtl. unangebrachten Rummel und Kunstmarkt.
Sicherlich ist es aber gerade dieser schon paradoxe
Mechanismuns, der letztendlich den Künstler G.R. erst zum Ruhm
und sicherlich zum Multi-Millionär gemacht hat.
—> So ist es: der Rummel um ihn all die Jahre hat es soweit gebracht, dass R. sich selbst wundert und sich in dem Spiegelinterview darüber eher belustigt äußert.
Nun, er ist halt zum Phänomen einer besonderen Persönlichkeit
in der bildenden, zeitgenössischen Kunst, mit vielen sich
richtig drehenden
Rädchen, inclusive seines künstlerischen Ausnahme-Talents,
mutiert.
—> Eben dieses Räderwerk der PR ist es offenbar, das Künstler letztlich zu dem macht, was sie sind. Insofern ist das für den Künstler ein Fortschritt, als er nicht „warten“ muss, bis er posthum zu Ehren kommt 
Vielleicht sogar mit dem Bonus,ein Maler aus der
ehem. DDR gewesen zu sein, als er in der freien, westlichen
Kunstszene entdeckt wurde.
Auch da war er schon kein ganz unbekannter Maler mehr. Auf
viele Kultur- und Kunstleute aus dem Osten hat sich der Westen
seinerzeits gestürzt,ob in der Musik, Literatur,oder bildende
Kunst. Und Richter war einfach zur richtigen Zeit schon mit
einer relativen Bekanntheit dabei.
—> Das klingt mir zu sehr nach Zufall. Gewiss wurde nach der Wende der Osten kunstvermarktungstechnisch abgeklopft und ausgesaugt, aber Medien stürzen sich nicht auf jedermanns Werk, nur weil es gut ist. Es gehört auch eine „interessante“ Persönlichkeit dazu, die man aufbauen und vermarkten kann. Der Künstler und sein Werk müssen schon zu einander passen.
(ich erinnere mich an einen Film über seine früheren
Arbeiten,da war ich noch an der FH f.bild. Kunst.)
Sicherlich hatte also G.R. aus o.g. Gründen schon in seinen
frühen Zeiten die Aufmerksamkeit der Medien auf sich. Das hat
sich einfach weiter transportiert.
—> Dieses „einfache Weitertransportieren“ war vermutlich nicht purer Zufall. Ich kann mir gut vorstellen, dass geschickte PR zum richtigen Zeitpunkt die Vermarktung und Wertschätzung erst ermöglicht hat.
Und in der „Jetztzeit“ tut die besondere Einrichtung eines
„Kunstkompass“ - des Rankings unter ca.11000 weltweit
erfolgreichen Künstlern, alles weitere um die
(seine)Poularität weiterzutransportieren.
—> Du meinst vermutlich das von Capital geführte Ruhmesbarometer , das seit 1970 jährlich veröffentlicht wird? Da ist allerdings nur von einer Rangliste der 100 Größten die Rede.
Wer darin
aufgeführt wird, bzw. präsent ist, hat es geschafft, alle die
Kriterien einer realen, „normalen“ (oft brotlosen)
Künstlerkarriere über Bord zu werfen. Der „Kunstkompass“ -
also die Rangliste der aktuellen und potenziellen
internationalen Kunststars ist ein Beweis dafür, dass doch
jede/r Künstler/in aus jeder Altersgruppe am Weltrang und
Weltruhm „teilhaben kann“.
—> Das ist dann so was wie eine Bestsellerliste in der Literatur. Bestes Beispiel Dieter Bolens erstes Machwerk, das er als cleverer Geschäftsmann schreiben ließ und nicht selber schrieb.
Vorausgesetzt, dass ihre Kunst und
Persönlichkeit zur richtigen Zeit und am auch richtigen
Ort,(s.o.) zum Gegenstand des Interesses der richtigen, also
maßgebenden Persönlichkeiten der internationalen Kunstwelt
werden. Sie sind es nämlich, die wiederum darüber entscheiden,
dass ihre Kunstwerke in der richtigen nationalen und
internationalen Ausstellung im richtigen Museum gezeigt und
von den richtigen, also meinungsbildenden Medien registriert
werden.
—> So viele Zufälle gibt es nicht, da sollte man schon als Manager bzw. Agent etwas nachhelfen.
Der Kunstkompass ist gleichzeitig auch eine Rangliste der
führenden Galerien, ohne deren Hilfe die Künstlerinnen und
Künstler auf internationalem Kunstparkett nicht bestehen
könnten, auf denen sich Kritiker, Sammler und Kuratoren
bewegen. Über den internationalen Erfolg einer Künstlerin oder
eines Künstlers entscheidet nämlich, nebst ihrer
künstlerischen Arbeit, die Anstrengung der sie vertretenden
nationalen und internationalen Galerien (von Ausstellern und
Agenten, Vermittlern, Kuratoren - in den Kontakten zu den
Sammlern ), die in verschiedenen Museen der (westlichen) Welt
Ausstellungen veranstalten, die ebenfalls wiederum von
Kritikern in meinungsbildenden Medien wahrgenommen werden.
—> Genau, und auf diese Tätigkeit der nebulösen Agenten oder Manager möchte ich hinweisen.
Was ist also nach Deinen Worten die Verpackung für Deine
Kunst-
um da oben wenigstens mit kleinen Schritten, mit Deiner Kunst
anzukommen ?
—> Mit Verpackung meine ich den Gesamtauftritt eines Künstlers, nicht nur sein Werk. Politiker sprechen gerne von „Aufstellung“ einer Partei oder Fraktion oder was auch immer.
Ich vermute mal, wenn ein Künstler ein ganz artiges Leben mit Familie im Grünen seines Reihenhäuschens führt und ansonsten unauffällig sein Werk verrichtet, dass sich seine Bilder kaum vermarkten lassen. Umgekehrt: führt er ein „verruchtes Künstlerleben“ und wechselt die Weiber wie die Hemden, seine Vernissagen arten regelmäßig zu Happenings aus und sind Talk-of-the-town, ist er eher im Gespräch und verkauft sich auch besser. Das aber nur als Beispiel, nicht als Patentrezept.
Es liegt meiner Meinung nach nicht an der Verpackung- es liegt
eher an den entstandenen, elitären Mechanismen der
Kunst-Kultur und Galeristen-szene - siehe oben - Kunstkompass
-!!!
—> Um diesen Sprung aber zu schaffen, muss ja ein Agent erst einmal den Künstler so weit promoten, dass von ihm auch die Rede ist, dass er eben „in“ ist und nicht „out“. Mechanismen entstehen nicht so einfach aus dem Blauen. Vielleicht sollten wir einen Hurrican als Beispiel nehmen, der sich hochschaukelt, bis er bei Stärke 5 angelangt ist.
Und wenn die „Verpackung“ = Ausstellungsmöglichkeiten,
nationale Presse, nicht so stimmt wie z.B. bei Gerhard
Richter, ist
für den größten Teil der bildende Künstler der relativ kleine
Interessentenkreis und Aktionsradius einer (regionalen)
Galerie (der sich zwar theoretisch in unbestimmter Zeit
vergrößern könnte), durch das übliche -„Vertriebssystem“ -
teilweise sogar ohne professionelle PR/Öffentlichkeitsarbeit -
oft wenig erfolgversprechend, kaum wirtschaftlich, geschweige
den Gewinn bringend – genaugenommen
ohne bedeutsame, ökonomische Effizienz !
—> Also doch Verpackung! Ich umhülle mit der Verpackung nicht nur das Werk des Künstlers, sondern ihn gleich mit. Das Image, sein Auftritt in der Öffentlichkeit, der gesamte Klamauk drum herum, gehören zur Verpackung.
Realistisch analysiert ist diese entstandene Entwicklung
sicherlich der entscheidende strategische (Denk-) Fehler und
Nachteil der „Ware Kunst“ im heutigen Kunstmarkt.
Es gibt nicht wenige Künstler, die diese Zusammenhänge sehen.
Überlegungen für Veränderungen, für neue PR/VK Modelle
scheinen sie jedoch kaum zu berühren, obwohl die meisten u.U.
tagtäglich um ihr (künstlerisches) Überleben kämpfen (müssen).
—> Genau das fällt mir in der Szene immer wieder auf. Sie wuseln vor sich hin ohne Kontakt zum Markt. Nach ihrem Tod werden sie vielleicht als ehedem „unverstandene Genies“ entdeckt. Das sollte man mit Internet und modernen Methoden doch lieber in die Gegenwart des Künstlers verschieben, damit er auch was von seinem Erfolg zu Lebzeiten hat.
Gruß
®_ichard_