Antwort (ein bisschen lang geraten)
Hallo,
> Mein kritischer Ansatzpunkt war der, daß in der Phil. immer
> noch, jetzt mal Software-technisch gesprochen, mit Lochkarten
> hantiert wird.
Ja, da ist etwas dran. Aber ich denke, dass mit der Verfeinerung der Methoden – besonders der analytischen – hier ein gewisser Fortschritt erreicht werden kann, wobei ich nun gerade nicht zu denjenigen gehöre, denen man eine Überbewertung angelsächsischer Theoreme nachsagt.
> > Ja, einverstanden! Schopenhauer hat viel Nützliches gesagt. > > Aber er hat eben auch viel Falsches
> > gesagt – insbesondere zu Hegel. Wie willst du da
> > unterscheiden, wenn du selbst auch nur A.Sch. zitierst?
> Wo bitteschön siehst du, daß ich NUR Sch. zitiere? Ich habe
> etwas von ihm zitiert, nicht ausschließlich.
> Hier möchte ich dann obige Aussage ergänzen. Man muß
> selektieren, Nützliches vom Falschen trennen, wie beim
> Aschenbrödel: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins
> Kröpfchen! 
Das ist ein sprachliches Missverständnis: das „nur“ bezog sich nicht auf Schopi, sondern auf das Zitieren.
> So um das Jahr 1900 herum, ideal zum Jahrhundertwechsel,
> formulierte Husserl, seine L.S. (korrigiere
> mich, falls mein Gedächtnis wieder einmal terminologische
> Unzulänglichkeiten aufweist!
)
> Diese brachten frischen Schwung in den damals doch
> desillusionierten Zustand, der Phil. Er brachte neue
> Hoffnung! Es wurde wieder philosophiert, statt chronologisches
> und geschichtliches Geplänkel. Heidegger > hat diesen frischen
> Geist, dieses Neuerwachen, dieses Innovative fortgeführt.
Ich denke, hier über Exaktheit zu streiten, ist müßig. Denn natürlich sehen die Anhänger Husserls das so. Ich selbst würde den Beginn allerdings um 10 Jahre verschieben, aber das ist ja auch gleichgültig. Heideggers „Weiterentwicklung“ allerdings hat Husserl mit Argwohn betrachtet.
> Ich denke wir haben wieder einen Jahrhundertbeginn und wieder
> einen äquivalenten Zustand! Wäre Zeit > für einen, wie Winkel
> das so schön ausdrückt: Lauten Philosophen, diese verkrampften > Duckmäuser hätten eigentlich ausgedient!
Ja, das fände ich auch schön, wenn man nur auf einen Jahresanlass oder ein Jubiläum warten müsste, um Verbesserungen zu lancieren. Die Unterscheidung zwischen lauten und leisen, verkrampften und lockeren Philosophen finde ich allerdings ein wenig zu plakativ. Es gibt auch unter den Leisen Lockere, genauso wie unter der Lauten ziemlich verkrampfte (Sloterdijk etwa). Und Lautstärke allein ist auch nicht wünschenswert, denke ich. Wo du Recht hast, ist, dass es unter den akademischen Philosophen einige Windbeutel gibt, vielleicht auch ein wenig viele, mag sein. Aber ich denke, dass das ein internes Problem der Universitäten und ihrer Struktur ist, kein gesellschaftliches.
> Meine Aufgabe? Aber lieber Thomas, ich bin Unternehmer und
> sehe mich nur als konstruktiv-kritischen Zaungast!
Na und? Es ist natürlich nicht deine Aufgabe allein, aber es ist im Prinzip schon die Aufgabe dessen, der Mängel erkennt, wenn schon nicht die Dinge selbst durchzuführen, so doch den Weg zu zeigen, den er gerne beschritten wissen will.
> Naja konstruktiv ist vielleicht etwas übertrieben, aber im
> Zuge der Öffnung der Universitäten,
> haben wir eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit mit
> verschiedenen, vor allem technologischen und
> patentrechtlichen Fakultäten, erlangt.
> Wieso sollte das auf phil. Ebene nicht ebenfalls
> funktionieren? Aber da kann ich bestenfalls als
> Impulsgeber fungieren, immerhin habe ich einen ca. 14 Std. Tag!
Zusammenarbeit ist doch nicht schlecht. Sie darf nur nicht dazu führen, dass ein Teil der „Zusammenarbeitenden“ seine Eigenständigkeit verliert. Und gerade im Hinblick auf eine mögliche ökonomische Abhängigkeit der Philosophie habe ich da große Bedenken. Ich selbst kann meine Praxis auch nur in diesem unabhängigen Sinne führen, weil ich es mir leisten kann, nicht jeden Auftrag oder Job annehmen zu müssen. Zur Philosophie gehört Unabhängigkeit untrennbar hinzu. Die Alternative wäre so etwas wie die mittelalterliche Philosophie, in der es zwar auch Möglichkeiten gab, unabhängig zu forschen, aber eben doch nur, solange man nicht gegen die theologischen Grundsätze, von denen man fundamental abhängig war, nicht tangierte.
>Abgesehen davon dass es sich nicht um „angeblich studierte >:stuck_out_tongue_winking_eye:hilosophen“, sondern allenfalls um „studierte >angebliche >:stuck_out_tongue_winking_eye:hilosophen“ handelt (was ein wichtiger Unterschied ist), denke >ich, dass die Leistung der Philosophie >nicht - jedenfalls >nicht ausschließlich - in der Hypothesenaufstellung besteht, >sondern eher in einer >Analysetätigkeit. Nein, nicht - wie du >jetzt wahrscheinlich unterstellen wirst - in einer Analyse von >älteren Texten >(das auch!), aber vor allem in der Analyse von >Begründungszusammenhängen. Freilich gibt der, der keine >Begründungszusammenhänge erkennen lässt, ein schlechtes Ziel >für philosophische Untersuchungen ab. Man >müsste dann schon >auf Begriffsbildungen (wie Wittgenstein) rekurrieren, was … Organismus … Evolution … Dialektik des Innovativen …
> Abstecher in die Psychologie … Habermas …
Da hast du Recht, aber man sieht hier auch sehr deutlich die Entwicklung Habermasscher Gedanken aus der philosophischen Tradition, nämlich der Hegelschen. Also ist das eher ein Argument für die Bewahrung der Tradition. Aber ich weiß schon, was du sagen willst: Man soll halt nicht an jedem Komma und jedem Semikolon herummäkeln, das ist ja auch richtig. Aber gelegentlich haben solche Kleinstmäkeleien auch ihre Berechtigung, wie man z. B. ganz deutlich bei Wittgenstein sieht, dessen Nachlass gerade in Faksimile ediert wird. Da erschließen sich einem die Texte auf ganz neue (zum Teil unsprachliche) Weise. Das ist ein echtes Erlebnis, dass auch in der Alltagswelt Folgen haben wird. Freilich wird das nicht sofort geschehen und auch nicht sofort einleuchten, aber auf die Dauer bin ich mir da ganz sicher.
> Hier ging es mir eigentlich um diese unsägliche Antwort von
> Herrn x-nada gegen Sonja!
Ok, dazu möchte ich eigentlich nichts mehr sagen, weil ich mich sonst wieder aufrege! Ich denke, es steht außer Frage, dass ich dir hier zustimme.
> Wenn ihr mich jetzt dafür rügt, nehme ich diese Rüge
> stillschweigend an.
Ich hatte meine Kritik nicht als Rüge (schon gar nicht als kollektive „ihr“-Rüge) verstanden, sondern eher als eine Diskussion, die auch scharf geführt werden darf, damit die Standpunkte klar werden. Wer bin ich denn, dass ich dir eine „Rüge“ verpassen dürfte …
> Klares denken kann nur im emotionslosen Zustand des kausal
>-motivations- und ziellosen funktionieren!
Völlig einverstanden, nur dass ich die ökonomische Unabhängigkeit gerne zusätzlich garantiert hätte.
> Welche Einstellung hinsichtlich der Studiengebühren habe ich
> denn Herr Miller? Und wie könnte sich
> denn meine Einstellung ändern? Ist das dein so gerühmtes
> methodisches Denken?
Ich hatte deiner Äußerung entnommen, dass du Studiengebühren forderst. Das halte ich für falsch. Studiengebühren führen zur Begünstigung von Besitzenden, denen es eh schon besser geht. Ich setze eher auf Bafög mit Rückzahlungspflicht für die, denen das möglich ist.
> Wer auf Kosten der Allgemeinheit, Wissen erwirbt, was vom
> Denken und der Arbeit Anderer stammt, um > sich dann damit
> über die Allgemeinheit zu erheben, das ganze unter dem
> Deckmantel, der „Liebe zur
> Weisheit“, der sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht! Talent
> ist eine Gabe und Verpflichtung, Idealismus > eine Tugend!
> Wenn man mit etwas so wertvollem, wie der Philosophie in einem > solch inflationären Umgang umgeht, wenn man sich dieses Wertes
> nicht bewußt ist, dann hat man sie nicht verdient!
Alles richtig, nur das kannst du vorher nicht wissen. Indem du das Auswahlkriterium m. E. zu früh ansetzt, schneidest du Möglichkeiten ab. Gegen die Wucherungen der Wirklichkeiten habe ich nichts einzusetzen, aber das muss hinterher geschehen.
> Hohe Bildung kann man dadurch beweisen, daß man die
> kompliziertesten Dinge auf einfache Art zu
> erläutern versteht! G.B. Shaw
Ja, das ist auch richtig, allerdings würde ich zwei Einschränkungen machen: 1. Shaw schreibt ausdrücklich „kann“ und nicht „muss“ oder „soll“; 2. als alleiniges Qualifikationsmittel reicht diese eigentlich pädagogische Fähigkeit nicht aus, wohl aber ist sie wünschenswert.
> Nicht aber durch Überheblichkeit und Arroganz!
Ich denke, dass du das zu Recht anprangerst, meine aber, dass diese Eigenschaften nicht den Regelfall darstellen.
> Eine Aufgabe der Phil. wäre es z.B. solche komplizierten
> Zusammenhänge zum Wohle des Ganzen
> allgemeinverständlich zu machen. Ähnlich vielleicht den
> Programmierern, da wir das eingangs schon
> hatten, die kompliziertesten Programme schreiben, die jeder
> User im täglichen Leben umsetzen kann.
Das würdest du sicher von Atomphysikern nicht fordern. Oder jedenfalls würdest du hier doch wahrscheinlich zwischen der forschenden und der pädagogisch vermittelnden Tätigkeit unterscheiden, oder? Ich will gar nicht leugnen, dass dies bei philosophischen Zusammenhängen wichtiger ist als in der Physik, aber das eine darf das andere nicht überlagern. Aber du schreibst ja auch ganz in meinem Sinn „Eine“ und nicht „Die“ …
> Es macht mich nicht nur wütend, sondern stimmt mich auch
> traurig, solche statements von so intelligenten und gebildeten
> Leuten zu lesen.
Welche Statements meinst du jetzt und welche Leute? Das ist mir nicht ganz klar, sorry.
> es gibt noch viel zu tun für Philosophen, man muß sie
> vielleicht mal höchst freundlich in den Hintern
> treten, was hiermit geschehen wäre! Nichts für ungut, geschah
> aus Liebe zur Sache!
Sehr schön! Alles Andere hätte mich auch gewundert! Da stimme ich gerne zu.
Ich freue mich, wieder etwas von dir zu lesen.
Herzliche Grüße
Thomas Miller