Distler Mörike-Chorliederbuch - Textfrage

Hallo,

sind evtl. Distler-Experten hier?

In der Notenausgabe des „Feuerreiter“ aus Hugo Distlers op. 19 weicht der Text an zwei Stellen signifikant von Mörikes Original ab:

  1. Strophe:
    „… denn es geht schon auf und nieder …“
    (statt: „… denn er geht schon auf und nieder …“)

letzte Strophe:
„… Husch! da fällt’s wie Asche ab …“
(statt: „… Husch! da fällt’s in Asche ab …“)

Hier der Originaltext:
http://www.recmusic.org/lieder/get_text.html?TextId=…

Kann man davon ausgehen, dass es sich dabei um einen Druckfehler handelt? Oder hatte Distler die Angewohnheit, seine Textvorlagen zu verändern?

Falls sich die Frage nicht mehr entscheiden lässt - wie wird in Aufführungen üblicherweise mit diesen Textstellen verfahren? Ich finde die Textänderungen ziemlich entstellend.
(Aber in Schuberts Winterreise gibt es ja z.B. auch Abweichungen von Müllers Originaltext, die so eng mit der Komposition verknüpft sind, dass man sie besser stehen lässt).

Freue mich auf eure Antworten/Meinungen!

Grüße
Wolfgang

Textfrage
Lieber Wolfgang,

Falls sich die Frage nicht mehr entscheiden lässt - wie wird
in Aufführungen üblicherweise mit diesen Textstellen
verfahren?

ohne mich jetzt auf Distler speziell zu beziehen, würde ich alle solche Stellen, wo kein Schaden für den Sinn des Textes entsteht, so singen lassen, wie es beim Komponisten steht. Wenn Varianten vokaltechnisch keine Vorteile bringen, kannst du aber auch dem Dichter folgen. In der zeitgenössischen Musik sind aber oft diese kleine Abweichungen ein Resultat der kompositorischen Arbeit, mal Schreibfehler, mal Eigenständigkeit, mal Trotz. In seltenen Fällen aber auch eine mehr oder weniger überlegte Einmischung in den Sinn oder/und Stil des Textes. Wenn Ausgaben voneinander abweichen und des Autors Wille undeutlich ist, bist du als Interpret frei, deine Entscheidung selbst zu treffen.

Liebe Grüße

P.S. Ich bin inzwischen mit Mahlers Aufnahmen durch. Soll ich posten oder lieber nicht? :smile:

offtopic
Hallo Peet,

Ich bin inzwischen mit Mahlers Aufnahmen durch. Soll ich
posten oder lieber nicht? :smile:

klar, das interessiert uns doch alle!

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo peet,

ohne mich jetzt auf Distler speziell zu beziehen, würde ich
alle solche Stellen, wo kein Schaden für den Sinn des Textes
entsteht, so singen lassen, wie es beim Komponisten steht.

Da stimme ich dir generell zu, aber dieses spezielle Stück läßt mich zweifeln. Wahrscheinlich liegt es daran, dass bei diesem speziellen Stück in meinen Augen sehr wohl Schaden am Text entsteht. Außerdem ist halt (für mich) nicht erkennbar, ob es wirklich so beim Komponisten steht, oder ob nur der Sätzer gepfuscht hat.

In der zeitgenössischen Musik
sind aber oft diese kleine Abweichungen ein Resultat der
kompositorischen Arbeit, mal Schreibfehler, mal
Eigenständigkeit, mal Trotz. In seltenen Fällen aber auch eine
mehr oder weniger überlegte Einmischung in den Sinn oder/und
Stil des Textes.

Tja, das spannt in der Tat die möglichen Erklärungen auf (danke, sehr aufschlussreich!). - Hat jemand einen Anhaltspunkt, was im fraglichen Stück der Fall ist?

Wenn Ausgaben voneinander abweichen und des
Autors Wille undeutlich ist, bist du als Interpret frei, deine
Entscheidung selbst zu treffen.

Darauf wird es wohl hinauslaufen. Danke für deine Meinung!

P.S. Ich bin inzwischen mit Mahlers Aufnahmen durch. Soll ich
posten oder lieber nicht? :smile:

Fällt dein Urteil denn so vernichtend aus? Nur zu, ich bin hart im Nehmen! *g*

Liebe Grüße zurück
Wolfgang

Zurück zu Mörike
Hallo, Wolfgang,
ich halte die Textänderungen in der Notenausgabe für Irrtümer, vielleicht auch eine Eigenmächtigkeit des Setzers oder so etwas. Ich habe den Text in meiner Aufführung (vor Jahren) deshalb geändert, denn beide Abweichungen ergeben keinen Sinn.

  1. Strophe:
    „… denn es geht schon auf und nieder …“
    (statt: „… denn er geht schon auf und nieder
    …“
    )

… wer oder was ist „es“? „er“ ist der Feuerreiter unter der Mütze, den man sich konkret vorstellen kann als verstohlen ein Auge riskierend.

letzte Strophe:
„… Husch! da fällt’s wie Asche ab …“
(statt: „… Husch! da fällt’s in Asche ab …“)

Hier ist es noch klarer. „wie Asche“ ergibt keinen Sinn, oder kann mir jemand sagen, WIE Asche TYPISCHERWEISE ABFÄLLT? („wie Schnee“ beispielsweise würde ich verstehen)
„in Asche“ heißt „zu Asche geworden“. Das verbrannte Gerippe sitzt ja noch auf der Mähre und fällt plötzlich in sich zusammen. Das ist das gespenstische Bild, das Mörike zeichnen will.

Viele Grüße
und viel Freude und Erfolg beim Proben!
Thomas

Hallo Thomas,

vielen Dank, das entspricht genau meiner Einschätzung! Ich fühle mich bestätigt und beruhigt.

Schöne Grüße
Wolfgang