Dogville gegen Kant

Ein Film gestern in SAT3

Selten genug sehe ich einen guten Film zum ersten Mal.
Der kategorische Imperativ wird in einem kleinen abgelegenen Dorf am Ende einer Straße auf den Kopf gestellt. Oder ist das normal? Nicht gebietet das Gewissen des Einzelnen „Handle so, wie andere auch handeln sollten!“, in Dogville paßt jeder auf, daß umgekehrt die anderen so handeln, daß man selbst damit klar kommt.
Dies ist das ethische Korsett der gezeichneten demokratischen Dorfgemeinschaft.
Der schwedische Regisseur, Lars von Trier, hält das (zurecht?) für typisch amerikanisch.

Der Film erzählt, - so wie der Idiot bei Dostojewsky – wie ein guter Mensch auftaucht, hier von einer Frau, Nicole Kidman, gespielt, und zum Eschaton aller Werte, zum Weltuntergang der Gemeinschaft oder der Menschheit führt. Wie man’s nimmt.
Alle versündigen sich an der Frau heilen Gewissens mit gängigen sozialökonomischen Sprüchen legitimiert, die dann zur Strafe alle töten läßt.
Ein bis ins Detail logisch und glaubhaft ablaufender Automatismus zur Hölle in den Untergang.
Es hätten auch Christen, Moslems, Buddhisten sein können, Schweden genauso wie Deutsche, Frauen wie Männer.
Niedergeschlagen fragte ich mich: Kenne ich in der Gegenwart wenigstens einen Menschen, der gegen diesen Teufelskreis standhalten würde?

ganz herzlich
Friedhelm

Es stellt sich doch die Frage: Hat der Mensch ein Gewissen?
ist der kategorische Imperativ von Kant in der positiven Auslegung nur ein frommer Wunsch und könnte das „eigene“ Handeln als Maxime für alle gedacht nicht eine Zumutung sein? „Darwinismus: der Stärkere hat recht.“

– (Zweck-an-sich-Formel) vgl. GMS, Akademie-Ausgabe Kant Werke IV, S. 429, 10-12
„Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetze werden sollte.“

Oder ist es realiter nicht umgekehrt, daß das allgemeine Handeln im Sinne des Herdentriebs zur Maxime meines eigenen Handelns wird, - im Sinne z.B. eines kulturellen Verhaltens bei Menschenopfern oder Kannibalismus?

Friedhelm

Ich sah gestern die Fortsetzung von „Dogville“. Der etwas langatmige Film „Manderlay“, auch von Lars von Trier, nur mit neuen Schauspielern, führt den kategorischen Imperativ:
„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
geradezu ins Absurde und Lächerliche, wenn dies allgemeine Gesetz dadurch eben eine Welt würde wie Manderlay, die durch Unwissenheit, Dummheit, Kriminalität und Charakterlosigkeit bestimmt wird: Eben die Hölle auf Erden.
Ist aber nicht der amerikanische Traum.

ganz herzlich
Friedhelm

„Handle so,
wie andere auch handeln sollten!“, in Dogville paßt jeder auf,
daß umgekehrt die anderen so handeln, daß man selbst damit
klar kommt.
Dies ist das ethische Korsett der gezeichneten demokratischen
Dorfgemeinschaft.

Weis ned ob das Thema noch aktuell is - mal probieren

Ich kenne den Film, habe ihn aber nie aus einer kantischen Perspektive gesehen (eher noch aus einer marxistischen). Denn wie du ja sagst, kommt der „bewachungs -kontrollmechanismus“ der Mitbewohner dazu, die das Sollen aus sich heraus (wie es aus meiner sicht Kant meinte) abschwächt. Die „Maxime“ DEINES Handelns wird durch die anderen Vorgegeben, was meiner meinung nach eher marxistisch ist (ok nicht ganz, da der ja zentralistisch organisiert ist)

Wie sieht die Sache beim 2. Teil aus? welche Maxime gilt dort? (hab ihn noch nicht gesehen)