Hallo!
Ich beschäftige mich im Moment für eine Deutsch-Hausaufgabe mit dem Thema Dokumentartheater und hab mir überlegt vielleicht selbst ein kleines Dokumentartheaterstück zu schreiben. Ich hab mir auch schon viele Definitionen durchgelesen, aber ich verstehe noch nicht so ganz ob und wieviel man sich ausdenken darf. Wenn man beispielsweise die Prozessform wählt: Darf man sich dann z.B. kurze Passagen auch ausdenken, solange sie den Ansichten und Meinungen der Personen entsprechen oder muss alles original so gesprochen worden sein?
Danke für eure Hilfe, und euch allen noch einen schönen Tag 
Grüß Dich Mauzfleder,
zunächst einmal bist Du bei der Beantwortung dieser Frage ausschließlich einer Instanz verantwortlich, und die bist Du selbst. Wenn Du weißt, wozu du die fiktiven Passagen einsetzt, dann ist es selbstverständlich ausschließlich deine Sache, wie groß der Anteil der Originalquellen an deinem Stücktext ist. Behalte aber immer im Kopf: jedes Einsetzen einer Quelle ist ein heftiger Eingriff in ihren Charakter. Es ist Dir also gar nicht möglich, Dir NICHTS auszudenken. So ist es, um bei deinem Beispiel zu bleiben, etwas völlig anderes, ob ein Schauspieler, eine Richter oder ein Journalist ein Gerichtsprotokoll liest, ob das Pbulikum erkennen kann, dass es sich um ein Theaterstück handelt oder ob Du Flugblätter damit verteilst… Auf der anderen Seite ist jeder Gegenstand und jeder Körper auf der Bühne ja auch Dokument seiner selbst, ebenso wie der Raum, in dem gespielt wird und so weiter. Site specific theatre ist ja gerade auch eine große Mode. Regeln gibt es keine, und die Möglichkeit einen Stoff unverfälscht auf die Bühne zu bringen auch nicht.
Die Geschichte des Dokumentartheaters ist extrem reich und vielschichtig und gerade im Moment hält die Szene auch viel an Beispielen bereit. Extrem gut dokumentiert sind im Internet zum Beispiel die Arbeiten von Rimini Protokoll, Christoph Schlingensief und Jérôme Bel. Aber es gibt wirklich unendlich viel.
Nochmal in Kürze: Sei Dir und Deinem Thema so treu wie Du kannst. Du kannst nur versuchen, ehrlich zum Publikum zu sein, wenn Du Dir selbst nichts vormachst. Auf der anderen Seite ist es auch nicht gesagt, dass man zum Publikum ehrlich sein muss.
Viel Spaß beim Schreiben
Beco
Bei deiner Arbeit handelt es sich um Literatur und damit immer Fiktion. Dir bleibt auch gar nichts anderes übrig, als Sachen hinzuzudichten. Inwiefern du z.B. in einem Prozess neben Aussagen auch z.B. neue Beweiststücke oder Zeugen hinzudichtest, liegt m.E. an dir. Entfernst du dich aber zu sehr von den Fakten, verliest du den dokumentarischen Charakter, ganz klar.
Hallo,
soweit ich das überblicke, ist das Dokumentartheater immer noch eine fiktionale Gattung - und die Kriterien „eher“ inhaltlicher Art (Politisches, Gegenwart etc.).
Ich denke daher, dass du sehr wohl erfinden darfst… (siehe Beispiel Ralf Hochhut Der Stellvertreter).
Natürlich bezieht das DT seinen Reiz auch aus der Tatsache, dass „viel“ dokumentarisches - sprich: Originaldokumente, -zitate etc. verwendet werden/können.
Wenn deine Personen sich gut/griffig geäußert haben, warum es nicht verwenden? wenn nicht… mach du es kurz prägnant griffig… allerdings sollte es bei realen Personen immerhin deren tatsächliche Meinung wiedergeben soweit bekannt.
Viel Erfolg
Cornelia
P.S.: hast du diese Bak-Arbeit schon zum Thema gelesen?
http://is.muni.cz/th/123877/pedf_b/Bertold_Brecht1.pdf
Hallo!
Grundsätzlich ist eine Veränderung des Textes eine Abkehr vom Dokumentarischen. WIe immer in der Kunst sind die Grenzen jedoch fließend. Dem Zuschauer muss zu jedem Moment klar sein, was an dem Stück dokumentarisch und was fiktiv ist. Das geht meiner Meinung nach nur, wenn man für die fiktionalen Textpassagen eine deutlich gebundene Sprache nutzt (Metrum oder Reim) bzw. das Dokumentierte mit bekannten literarischen Texten verstärkt oder kontrastiert.
Gruß
thorino
Hallo,
leider kenne ich mich mit Dokumentartheater-Regeln nicht aus. Aber Normierungen sind ja eigentlich uninteressant, wenn Du für Dein Stück keine Note haben willst. Lindholm & Hofmann nennen ja sogar ihre Fakes authentisch und irritieren damit die Zuschauer.
Aber alles in allem, kann ich Dir leider nicht weiterhelfen.
Ich hoffe, es findet sich jemand mit Wissen zum Dokumentartheater.