Drehimpulserhaltung

Hallo,

ich beschäftige mich momentan mit der Impuls- und der Drehimpulserhaltung, deren Herleitung habe ich verstanden.
Folgendes habe ich mir zusammengereimt, ich wäre sehr froh, wenn das jemand durchlesen könnte, danke.

_Impuls- und Drehimpuls sind nur bezüglich eines abgeschlossenen Systems erhalten, darum ist es möglich Impuls in Drehimpuls umzuwandeln und umgekehrt.

Beim Auto passiert Folgendes:

  1. Impuls wird vom Gas auf den Kolben übertragen.
  2. Der Kolben überträgt den Impuls an die Welle. Aus Impuls wird Drehimpuls
  3. Der Drehimpuls wird an das Rad übertragen.
  4. Das Rad gibt Impuls an die Strasse ab.Aus Drehimpuls wird Impuls._

Vielen Dank fürs Durchlesen!
Liebe Grüsse
Andrea

Hallo!

Impuls- und Drehimpuls sind nur bezüglich eines
abgeschlossenen Systems erhalten, darum ist es möglich Impuls
in Drehimpuls umzuwandeln und umgekehrt.

Äh … nein!

Es ist hier besser von Kräften und von Drehmomenten statt von Impulsen und Drehimpulsen zu sprechen.

Warum suchst Du Dir eigentlich ein so schrecklich kompliziertes System raus? Wenn ich versuche, das in Teilsysteme zu zerlegen (Zylinder/Kolben, Kolben/Pleuel/Kurbelwelle, Kurbelwelle/Getriebe/Antriebswelle, Rad/Straße) so ist kein einziges dieser Systeme ein abgeschlossenes.

Es wird auch nicht der „Drehimpuls“ der Kurbelwelle auf das Rad übertragen, denn das würde ja bedeuten, dass die Kurbelwelle nach diesem Übertragungsvorgang keinen Drehimpuls mehr hätte. Richtiger wäre: Die Antriebswelle überträgt ein Drehmoment oder meinetwegen auch eine Arbeit auf das Rad.

Michael

Hallo Michael,

Vielen Dank für Deine Antwort!

Impuls- und Drehimpuls sind nur bezüglich eines
abgeschlossenen Systems erhalten, darum ist es möglich Impuls
in Drehimpuls umzuwandeln und umgekehrt.

Äh … nein!

Was ich in diesem Falle nicht verstehe ist Folgendes. Wenn es nicht möglich ist Impuls in Drehimpuls umzuwandeln. Dann stellt sich die Frage woher, denn die Welle den Drehimpuls nimmt, d.h. ich müsste der Welle Drehimpuls zuführen. Jetzt liefert aber das explodierende Glas ja eindeutig einen Impuls und keinen Drehimpuls.

Es ist hier besser von Kräften und von Drehmomenten statt von
Impulsen und Drehimpulsen zu sprechen.

Es wird auch nicht der „Drehimpuls“ der Kurbelwelle auf das
Rad übertragen, denn das würde ja bedeuten, dass die
Kurbelwelle nach diesem Übertragungsvorgang keinen Drehimpuls
mehr hätte. Richtiger wäre: Die Antriebswelle überträgt ein
Drehmoment oder meinetwegen auch eine Arbeit auf das Rad.

Das Drehmoment ist ja die erste Ableitung vom Drehimpuls, wenn auf das Rad nun ein Drehmoment wirkt bedeutet das doch gerade, dass Drehimpuls übertragen wird, oder nicht ?

Bin ich jetzt ganz falsch?

Verwirrte Grüsse
Andrea

Hallo!

Was ich in diesem Falle nicht verstehe ist Folgendes. Wenn es
nicht möglich ist Impuls in Drehimpuls umzuwandeln. Dann
stellt sich die Frage woher, denn die Welle den Drehimpuls
nimmt, d.h. ich müsste der Welle Drehimpuls zuführen. Jetzt
liefert aber das explodierende Glas ja eindeutig einen Impuls
und keinen Drehimpuls.

Das explodierende Gas liefert keinen Impuls! Es gilt ja nach wie vor der Impulserhaltungssatz. Das Gas dehnt sich aus und überträgt auf den Kolben und auf den Zylinderkopf jeweils den gleichen Impuls nur in entgegengesetzte Richtung - oder sagen wir besser: denselben Kraftstoß. Dieser Kraftstoß wird auch vollständig auf die Kurbelwelle übertragen. Da die Kurbelwelle aber fest im Motorblock gelagert ist, gleicht sich das wieder genau mit dem Kraftstoß aus, den der Zylinderkopf erfahren hat. Das ist der Grund, warum der Motor selbst dann nicht von selbst aus dem Motorraum hüpfen würde, wenn er nicht festgeschraubt wäre.

Ebenso gilt der Drehimpulserhaltungssatz. Wenn der Motor ausgekuppelt wäre und die Kurbelwelle kein Trägheitsmoment hätte, dann würde im Motor gar kein Drehmoment auftreten. Dem ist aber nicht so. Wenn also der Motor auf die Kurbelwelle ein Drehmoment ausübt, dann muss diese ihrerseits ein Drehmoment auf den Motorblock ausüben. Wo entsteht das? Nun, wenn der Kolben im Arbeitstakt nach unten rauscht, steht das Pleuel schräg. Die Kraft der Verbrennung wirkt aber genau in axialer Richtung im Zylinder. Also muss der Kolben von der Zylinderwand eine Zwangskraft erfahren, damit er sich trotzdem geradeaus bewegt. Diese Zwangskraft (bzw. besser: ihre Gegenkraft) drückt den Motorblock in die entgegengesetzte Richtung zur Drehrichtung der Kurbelwelle. Es resultiert ein Drehmoment, das exakt entgegengesetzt zum Drehmoment der Kurbelwelle ist. Von dem kriegt man nichts mit, weil der Motorblock mit der Karosserie fest verschraubt ist (es macht also doch einen Sinn!).

Das Drehmoment ist ja die erste Ableitung vom Drehimpuls, wenn
auf das Rad nun ein Drehmoment wirkt bedeutet das doch gerade,
dass Drehimpuls übertragen wird, oder nicht ?

Im Prinzip ja. Wenn man ein Motorrad aufbockt, dann reicht schon wenig Gas, dass sich das Hinterrad wie wild dreht. Hier hast Du recht. In der Regel steht das Hinterrad aber auf der Straße. Es kann sich also nicht beliebig schnell drehen. Im Idealfall herrscht am Hinterrad Momentengleichgewicht. Wenn das Motorrad nach rechts fährt, dann dreht sich das Rad im Uhrzeigersinn, ebenso die Antriebskette. Sie bewirkt das eine Moment. Das andere Moment entsteht an dem Punkt, wo der Reifen die Straße berührt. Hier wirkt die Haftreibungskraft (als reactio zur Antriebskraft des Reifens) nach rechts, was ein Moment gegen den Uhrzeigersinn bewirkt.

Momentengleichgewicht bedeutet, dass sich der Drehimpuls des Hinterrades nicht ändert. Es dreht sich mit konstanter Geschwindigkeit.

Das ist ähnlich wie bei den Kräften. Eine Kraft bewirkt eine Impulsänderung (oder in Deinen Worten: Die Kraft ist die erste Ableitung des Impulses nach der Zeit). Im Kräftegleichgewicht ändert sich aber gar kein Impuls, weil hier die resultierende Kraft auch Null ist.

Michael

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Hallo

Wenn Du jetzt den Sonderfalls nimmst, und den Motor auf Maximaldrehzahl beschleunigst, um dann das Gaspedal wegzunehmen um dann gleichzeitig mit dem drehzahlbeschleunigten Motor ein wenig vorwärtszukommen, dann hättest Du eine Energie zunächst in einen Drehimpuls umgewandelt, und dann mit der Energie aus dem Drehimpuls(genauer, mit der kinetischen Energie der sich drehenden Mototteile) eine lineare Beschleunigung erzeugt.
Du kannst in diesem Fall aber nur dadurch einen Drehimpuls erzeugen, indem Du einen Gegenimpuls in die Erdmasse steckst.
Das kommt daher, das die Summe aller Drehimpulse des Systems Erde/Auto in diesem Fall gleich 0 bleibt.
Impuls hat übrigens nicht direkt etwas mit Energie zu tun, die meiste Energie des Drehimpulses steckt trotz allem im Motor, obwohl der Drehimpuls in die Erde gleich dem Impuls des Motors ist.
Man kann mit speziellen Kreiseln einen Drehimpuls in Satelliten erzeugen, jedoch nicht eine lineare Beschleunigung bewirken.

MfG
Matthias

Hallo Michael,

vielen Dank für Deine sehr ausführliche Antwort! Dafür gibts ein wohlverdientes Sternchen.
Jetzt habe ich die Sache langsam aber sicher verstanden, und mit der „geretteten“ Impuls- und Drehimpulserhaltung werde ich heute Nacht sicher besser schlafen.

Liebe Grüsse
Andrea