Drehmomentangaben

Hallo,
irgendwie hab ich immer ein Problem mit den Drehmomentangaben der Hersteller. z.B. beim Auto, da heisst es: Steuerriehmenabdecken mit 6!! Nm (M6) anziehen, Ventildeckeldichtung mit 5!!! Nm anziehen, oder Wasserpumpe mit 13 (M6)!! Nm anziehen.

Das kommt mir alles sehr wenig vor, und ich dreh die Schrauben immer nach Gefühl viel fester zu.

Soll man nun diese Drehmomentangaben wirklich ernst nehmen, oder ist das einfach zu wenig???

Gruß
Ludwig

Hallo,
irgendwie hab ich immer ein Problem mit den Drehmomentangaben
der Hersteller. z.B. beim Auto, da heisst es:
Steuerriehmenabdecken mit 6!! Nm (M6) anziehen,
Ventildeckeldichtung mit 5!!! Nm anziehen, oder Wasserpumpe
mit 13 (M6)!! Nm anziehen.

Das kommt mir alles sehr wenig vor, und ich dreh die Schrauben
immer nach Gefühl viel fester zu.

Soll man nun diese Drehmomentangaben wirklich ernst nehmen,

Ja. Denn wenn ein Konstrukteur sich schon die Mühe einer solchen Angabe in der Produkt-Dokumentation macht, dann ist das in der Regel wohlbegründet. Aber in eine Personen befördernde Maschine (Auto, Flugzeug,…) sollte man nicht einsteigen, wenn alle deren Schrauben nur nach Gefühl „fest“ angezogenen werden !!
Gruß
Karl

oder ist das einfach zu wenig???

Gibt es eine Erklärung, warum das nicht absolut genügt?
Wenn der Arzt eine Tablette pro Tag verschreibt, futtert man doch auch nicht gleich die ganze Packung am ersten Tag auf.

Gruß
Ludwig

Das leuchtet mir auch ein, dass man die Angaben beachten sollte.
Doch in meinen Augen fällt eine M6-Schraube, die mit 5 Nm angezogen wurde wieder heraus.
Oder liege ich falsch?

Gruß
Ludwig

Hallo,

Das leuchtet mir auch ein, dass man die Angaben beachten
sollte.
Doch in meinen Augen fällt eine M6-Schraube, die mit 5 Nm
angezogen wurde wieder heraus.
Oder liege ich falsch?

Naja, sicher wird auch bei 6…7…8Nm noch nichts schlimmes
passieren. Toleranzen sind sowieso einzuplanen.

Bei 15Nm versaust Du dann aber das Alugewinde im weichen Motorblock
oder die Schraube wird abgeschert (nicht unbedingt aus Edelstahl).

Immer nach dem Motto „Erst geht’s immer schwerer und dann
gehts plötzlich ganz leicht“.

Bedenke, 5Nm sind 50N auf 10cm (das ist etwa die Länge eines
normalen Maulschlüssels für eine M6-Schraube. Da muß man schon
ganz ordentlich festschrauben.
Gruß Uwi

Das leuchtet mir auch ein, dass man die Angaben beachten
sollte.
Doch in meinen Augen fällt eine M6-Schraube, die mit 5 Nm
angezogen wurde wieder heraus.

Nein. Betrachtet man eine Schraubverbindung zunächst nur statisch, dann ist sie selbsthemmend (d.h. der Steigungswinkel des Gewindes ist kleiner als der Reibwert, wie bei einer schiefen Ebene). Wichtig für die Sicherheit einer Schraubverbindung auch unter schwingender Last ist eine immer genügende statische Vorspannkraft, damit sie die überlagernde schwingende Belastung mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand aufnehmen kann. Über den Drehwinkel, mit dem die Schraube angezogen wird und unter Berücksichtigung der Reibwerte an der Auflagefläche und im Gewinde sowie der Elastizitäten der an der Verschraubung beteiligten Bauelemente (z.B. Dichtung, Klemmteil, Schraube …)errechnet sich die Vorspannkraft.
Und dann muss man abschätzen, ob es evtl. Setzvorgänge (über die Zeit, oder das von Uwi beschriebene Abwürgen) gibt, wie groß schwingende Belastungen im Betrieb sein können.
Du magst jetzt einen Eindruck bekommen haben, wie komplex die Auslegung einer sicheren Schraubverbindung ist.
Gruß
Karl

Oder liege ich falsch?

Gruß
Ludwig

Das leuchtet mir auch ein, dass man die Angaben beachten
sollte.
Doch in meinen Augen fällt eine M6-Schraube, die mit 5 Nm
angezogen wurde wieder heraus.

Nein. Betrachtet man eine Schraubverbindung zunächst nur
statisch, dann ist sie selbsthemmend (d.h. der Steigungswinkel
des Gewindes ist kleiner als der Reibwert, wie bei einer
schiefen Ebene). Wichtig für die Sicherheit einer
Schraubverbindung auch unter schwingender Last ist eine immer
genügende statische Vorspannkraft, damit sie die überlagernde
schwingende Belastung mit einem ausreichenden
Sicherheitsabstand aufnehmen kann. Über den Drehwinkel, mit
dem die Schraube angezogen wird und unter Berücksichtigung der
Reibwerte an der Auflagefläche und im Gewinde sowie der
Elastizitäten der an der Verschraubung beteiligten Bauelemente
(z.B. Dichtung, Klemmteil, Schraube …)errechnet sich die
Vorspannkraft.
Und dann muss man abschätzen, ob es evtl. Setzvorgänge (über
die Zeit, oder das von Uwi beschriebene Abwürgen) gibt, wie
groß schwingende Belastungen im Betrieb sein können.
Du magst jetzt einen Eindruck bekommen haben, wie komplex die
Auslegung einer sicheren Schraubverbindung ist.
Gruß
Karl

Stimme voll und ganz zu.
Vielleicht noch eine Info, meinerseits, für Ludwig und nur ergänzend. Wenn Du 3 Gewindegänge einer Schraube eingeschraubt hast, dann hast Du schon etwa 90% ihrer max. Zugbelastung erreicht. Mehr wie 100 % geht eh nicht.
Stell Dir sechs (6) Schrauben M6 vor, die auf einem Flansch eine Schleifscheibe halten mit einer Masse von etwa 400KG. Die Schleifscheibe erreicht durch den Antrieb ein Moment von etwa 400Nm. Die 6 Schrauben werden mit 60Nm vorgespannt und gesichert (Loctite).
Das hält. Aber wenn Du das Teil wechselst, wechselst Du generell die Schrauben. Wenn die Spannung zu groß ist werden die Schrauben verformt und zwar über die Elastizitätsgrenze.
Wenn Du also Deine Felgen entgegen der Vorschrift mit größerem Moment anziehst, dann sind Deine Schrauben verformt. Beim nächsten Wechsel sind diese Schrauben also nicht mehr sicher. Es ist wie wenn sie angesägt wären.

Gute Fahrt, und einen Kumpel mit Drehmoment-Schlüssel,

Wünscht Norbert

Vielleicht noch eine Info, meinerseits, für Ludwig und nur
ergänzend. Wenn Du 3 Gewindegänge einer Schraube eingeschraubt
hast, dann hast Du schon etwa 90% ihrer max. Zugbelastung
erreicht.

Das ist wohl so zu verstehen, dass 90% der Vorspannkraft auf den ersten drei Gewindegängen abgestützt werden. Wie hoch die Vorspannkraft ist, das hängt davon ab wie stark sie angezogen wird, bzw. von der „Gegen“-Kraft aus den von der Schraube zusammengeklemmten Teilen.

Mehr wie 100 % geht eh nicht.
Stell Dir sechs (6) Schrauben M6 vor, die auf einem Flansch
eine Schleifscheibe halten mit einer Masse von etwa 400KG. Die
Schleifscheibe erreicht durch den Antrieb ein Moment von etwa
400Nm. Die 6 Schrauben werden mit 60Nm vorgespannt und
gesichert (Loctite).

Um 400Nm zu übertragen muss das Produkt aus r x F x µ größer sein, zusätzlich noch ein angemessener Sicherheitszuschlag. Dabei sind
F : die Vorspannkräfte der 6 Schrauben,
die sind proprtional zum Drehmoment, mit dem man sie anzieht
r : der Radius, auf dem die Schrauben sitzen
µ : Reibwert zwischen der Schleifscheibe und dem Flansch
Dann weiss man, ob das hält, wie hoch der Sicherheitsfaktor ist.
Das Loctite hilft nicht, die Vorspann- bzw. Anpresskräfte zu sichern. Wenn die Schraubverbindung sich setzt (Flansch oder Scheibe nachgegeben haben)geht die Vorspannkraft verloren, die Schrauben müssten die 400 Nm durch Scher-/Querkräfte übertragen. Das Loctite verhindert in diesem Fall nur, dass die Schrauben herausfallen. Loctite verwenden hier diejenigen, die die Auslegung ihrer Schraubverbindungen nicht sicher beherrschen.
Gruß
Karl

Das hält. Aber wenn Du das Teil wechselst, wechselst Du
generell die Schrauben.

Eigentlich nur dann, wenn die Schraube gezielt bis in die Streckgrenze angezogen wurde. Zuerst mit Drehmomentenschlüssel, um die Teile halbwegs fest zusammenzufügen, dann mit einem (in Schraubversuchen zu ermittelnden)Drehwinkel bis in die Streckgrenze hinein. Dieses Verfahren ist Stand der Technik für sicherheitsrelevante Schraubverbindungen, z.B. im Motorenbau für Zylinderköpfe, Pleuel etc.

Wenn die Spannung zu groß ist werden
die Schrauben verformt und zwar über die Elastizitätsgrenze.
Wenn Du also Deine Felgen entgegen der Vorschrift mit größerem
Moment anziehst, dann sind Deine Schrauben verformt. Beim
nächsten Wechsel sind diese Schrauben also nicht mehr sicher.
Es ist wie wenn sie angesägt wären.

Gute Fahrt, und einen Kumpel mit Drehmoment-Schlüssel,

Wünscht Norbert