Konjunktur in Japan und den USA
Hallo Ivo,
da muß ich jetzt ein bißchen ausholen.
Das Problem Japans ist nur schlecht mit den USA zu vergleichen. In Japan haben wir derzeit einen sog. Credit-Crunch, was nichts anderes ist, als eine sehr zurückhaltende Kreditvergabe der Banken (Stichwort: Verbranntes Kind). Da nützen auch niedrige Zinsen nichts: Auch wenn die Industrie von niedrigen Zinsen profitieren und damit Investitionen tätigen wollte: Ohne Kreditvergabe geht’s nunmal nicht.
Auch wenn bei beiden Ländern der Ausgangspunkt das Zerplatzen einer überreifen Blase war, sind dies jedoch auch hier verschiedene Situationen. In den USA hat der private Konsum direkt gelitten: Keine Kursgewinne -> kein Konsum. Da in den USA die Sparquote traditionell sehr niedrig ist, kann der Konsum auch nicht über Auflösung von Ersparnissen finanziert werden. In Japan war der Ausgangspunkt die Spekulation im Bereich Immobilien. Das ging nicht direkt auf den privaten Konsum, sondern betraf vor allem spekulierende Unternehmen (auch Banken) und Sicherheiten für vergebene Kredite. Der schwache Konsum in Japan, den man ja über diverse fragwürdige Programme zu beleben versucht, ist ein anderer schwacher Konsum, als der in den USA. In den USA ist die Hauptursache Geldmangel, in Japan ist es Unsicherheit. Aufgrund der Pleiten von diversen Versicherungen, Banken und Vermögensverwaltern durchaus verständlich.
Im übrigen wird die Situation in den USA mißverstanden. Die wirtschaftl. Entwicklung in den USA ist derzeit zwar negativ, aber das ist nach derartig vielen Jahren nun auch kein Wunder. Man könnte das ganze auch als Basisjahrproblem bezeichnen. In den vergangenen Jahren wurden hohe Kapazitäten aufgebaut, die nun überflüssig scheinen. Der amerikanischen Wirtschaft geht es also nicht wirklich schlecht, sie entwickelt sich auf ein normales Niveau hin. Letztlich kommt es darauf an, daß es nicht zu einem Kreislauf von schlechte Nachfrage –> Entlassungen –> mehr Arbeitslose –> noch schlechtere Nachfrage kommt. Hier sind nicht Zinsen die entscheidende Stellschraube, wenn man wirklich aktiv etwas tun will, sondern die privaten Haushalte und damit letztlich die Einkommensteuer (hat ja auch schon Reagan erkannt). Eine Förderung von Investitionen durch niedrige Zinsen macht nur Sinn, wenn überhaupt Investitionen geplant sind und das ist derzeit eben nicht der Fall.
Die Vorgehensweise von Greenspan und Konsorten ist einfach und effektiv: Zunächst wurde mit Zinserhöhungen der Schwung herausgenommen (d.h. neue, noch unnützere Investitionen und vor allem Konsum auf Kredit wurden verteuert). Daß nun die Zinsen gesenkt werden, obwohl Investitionen nicht notwendig sind, ist einleuchtend: Die Unternehmen, die dennoch über Investitionen nachdenken (z.B. Ersatzinvestitionen, bestimmte Branchen), sollen mit ihrer Planung nicht warten müssen, bis die Zinsen wieder unten sind, sondern investieren, wenn sie es für richtig halten, d.h. den notwendigen Handlunsspielraum erhalten.
Insofern mein Tip: Die US-Wirtschaft wird noch im 4. Q 2001 und im 1.Q. 2002 ein wenig schrumpfen. Schon gegen Ende des 1. Q., spätestens im 2. Q. 2002 wird eine Stabilisierung bis Erholung einsetzen.
Die Frage, ob Greenspan seine Munition vorzeitig verschießt, stellt sich m.E. also nicht.
Gruß
Christian