Du - Sie - Formaler Umgang im Spanischen

Hallo,

hier einen Thread tiefer habe ich eine Frage zum Sprachumgang im Französischen gestellt. Darauf hat mir als erste Helena geantwortet mit der Aussage:

„Wir Spanier gehen wesentlich formaler mit Menschen um, als deutsche. Es täte mich absolut nicht wundern, wenn es in Französischen auch wie bei uns wäre…“

Das wundert mich, denn ich hatte bisher den umgekehrten Eindruck, nämlich dass es in anderen Sprachen, vor allem im Spanischen, das ich fließend spreche, lockerer zugeht als bei uns.

Ich muss allerdings vorsichtshalber anmerken, dass sich meine praktischen Spanisch-Erfahrungen vorwiegend auf Lateinamerika beziehen. Ich habe Spanisch zwar in D gelernt, mich dann aber durch halbjährigen Aufenthalt in Mexico den dortigen Sprachgewohnheiten angepasst und bin danach ein Jahr lang den ganzen Kontinent hindurch bis nach Chile und Argentinien gereist.

Überall war es so, wie ich es in Mexico gelernt habe: Nur in wenigen, kurzen oder sehr formellen Kontakten, siezt man sich: Z. B. wenn man einen Fremden auf der Staße nach dem Weg fragt, einem Verkäufer im Kaufhaus gegenüber, oder bei einer Behörde. Ansonsten duzt man sich. Nur in Argentinien war es anders, da herrscht das „vos“ vor, sogar in Variationen, die ich gar nicht kannte. Aber es hat auch dort offenbar niemanden gestört, wenn ich ihn aus Gewohnheit bzw. Nichtkenntnis duzte.

Helena ist Spanierin, in Spanien könnte es anders sein. Aber: Ich sammle Miniaturfahrräder, habe mehr als 500 Stück von Reiskorngröße bis zu ca. 30 cm und kaufe solche häufig über Ebay in diversen Ländern ein. Und da stieß ich vor einiger Zeit auf einen Verkäufer in Spanien, der eine Vielzahl für mich interessanter Modelle anbot. Ich schrieb ihn an, wir diskutierten mehrfach hin und her, weil ich aufgrund der von mir bestellten Menge den Preis herunter handeln wollte. Während ich ihn im ersten Anschreiben siezte, duzte er mich in seiner Anwort und verkehrten wir auch weiterhin per Du.

Ich bekam dadurch den Eindruck, dass das „Du“ auch in Spanien die vorherrschende Kommunikationsform ist, sogar noch mehr als in Lateinamerika, wo man Fremde zunächst mal siezt. Oder bin ich da seltsamer- und ungewöhnlicherweise auf einen „Einzeltäter“ gestoßen?

Grüße
Carsten

Hallo, Helena scheint recht zu haben. Die Spanier sind in
der Beziehnung nicht so locker wie die Latinos! Bin seit 12 Jahren
mit einer Cubanerin verheiratet und treibe mich oft und viel in Cuba rum. Dort wird auch überwiegend „gedutzt“ nur bei Offiziellen und den Eltern (war früher wenigstens bei meiner Frau und ihren Eltern so, heute nicht mehr) wird gesietz. Gilt aber meistens nur für Cubis, ich als Ausländer dutze
alle und hatte nie Probleme damit. Selbst im Supermarkt werden die Verkäuferinnen gedutzt und ein bisschen mehr. Sie freuen sich immer wenn
man wie folgt anfängt: Buenas mi corazon. Donde es… schon hast Du gewonnen und wirst freundlichst behandelt. Andererseits, habe ich ein Jahr auf Mallorca gearbeitet und bin mit dem gleichen Spruch übelst
in einem Supermercado in Palma aufgelaufen!! Konnte gerade noch die Verkäuferin davon abhalten mir eine zu scheuern! Sie beruhigte sich erst wieder, als ich ihr mein Verhalten erklärt habe. Danach war sie wieder friedlich und meinte nur: Wir Frauen in Spanien sind so ein Verhalten nicht gewöhnt und verlangen von einem Fremden respekt!
Gruss Falko

Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung!
Hallo Carsten,

hier einen Thread tiefer habe ich eine Frage zum Sprachumgang
im Französischen gestellt. Darauf hat mir als erste Helena
geantwortet mit der Aussage:

„Wir Spanier gehen wesentlich formaler mit Menschen um, als
deutsche. Es täte mich absolut nicht wundern, wenn es in
Französischen auch wie bei uns wäre…“

Wie im Titel schon gesagt, ich entschuldige mich. Sorry! Ich habe immer ein Problem mit dem deutschen Wort „Formal“ und ich verwechsle ihn immer.

Daher finde ich an dieser Stelle ist eine Erklärung meinerseits Pflicht:
In Spanien werden die Menschen viel, sehr viel häufiger gedutzt als hierzulande. Es ist nicht unüblich, dass wenn man in einem, sonst völlig unbekannten Laden rein geht, schon gleich gedutzt wird. Oder in einer Kneipe. Ich meine aber damit NICHT dass es immer so ist, aber jedenfalls sehr häufig und unbedingt viel häufiger als was ich bis jetzt in Deutschland erlebt habe.

Also nochmals Entschuldigung und ich hoffe dass es jetzt klar ist.

Schöne Grüße,
Helena

Nachfrage
Moin,

Nur in Argentinien war es anders, da
herrscht das „vos“ vor, sogar in Variationen, die ich gar
nicht kannte.

Du weißt aber als fließend Spanisch Sprechender doch sicher, daß „vos“ die argentinische Version des „du“ ist? Das Verb in der Gegenwart wird dabei auch von der „vosotros“-Form abgeleitet durch Fallenlassen des „i“, so daß „du bist“ eben „vos sos“ heißt.
Von daher verstehe ich diesen Satz nicht wirklich, denn dann wäre in Argentinien eben alles wie in den anderen Ländern auch.

Um Aufklärung bittet

Kubi

Hallo Kubi,

wie und wo ich mein Spanisch gelernt und vor allem praktiziert habe, habe ich ja gesagt. Es freut (und überrascht) mich, dass Du Dich so gut in länderspezifischen Spanischvariationen auskennst, zumal Du neben mir einer der Wenigen hier bist, die mehr oder weniger auch Japanisch sprechen. Wie kommt man als Finanzbeamter dazu? Bitte um Aufklärung! :smile:

Argentinien habe ich nur drei Wochen lang bereist, und das in Begleitung von zwei Chilenen. Die einheimischen Kontaktpersonenen, die wir besuchten, waren Exilchilenen. Meine Kontakte mit „richtigen“ Argentiniern beschränkten sich auf Gespräche mit Geschäftsleuten und insbesondere mit Reedereiangestellten in Buenos Aires, weil ich nach einer Schiffspassage weg vom Kontinent suchte.

Dass man in Argentinien „vos“ sagt und es Variationen davon gibt, ist mir erst aufgefallen, als ich Jahre später in D ein Buch las, das in Argentinien erschienen war. Ich fand das schwierig, habe mir über Hintergründe keine Gedanken gemacht, und das Buch verschenkt. Wenn ich heute spanischsprachige Bücher oder Zeitungen lese, dann nur solche, die in Lateinamerika, aber nicht in Argentinien erschienen sind.

Grüße
Carsten

Moin,

Es freut (und überrascht) mich, dass
Du Dich so gut in länderspezifischen Spanischvariationen
auskennst,

Laß die Kirche mal im Dorf. Ich kenne mich nur ein wenig mit den argentinospezifischen Phänomenen aus, weil ich eine argentinische Brieffreundin habe, die mir so einiges beigebracht hat.

zumal Du neben mir einer der Wenigen hier bist, die
mehr oder weniger auch Japanisch sprechen. Wie kommt man als
Finanzbeamter dazu? Bitte um Aufklärung! :smile:

Wie kommst du auf Finanzbeamter? Ich bin Chemie-Ingenieur, das ist nicht ganz das Gleiche :wink:
Und Sprachen sind einfach mein Hobby, und darum spreche ich ein paar und habe von etlichen anderen mehr oder weniger gute Allgemeinkenntnisse.

Dass man in Argentinien „vos“ sagt und es Variationen davon
gibt, ist mir erst aufgefallen, als ich Jahre später in D ein
Buch las, das in Argentinien erschienen war.

Wie gesagt, „vos“ ist argentinische Pendant zu „tú“, und die Konjugation im Präsens wird gebildet, indem man bei der „vosotros“-Form einfach das „i“ wegläßt. Also wird „du bist“ zu „vos sos“ und „du hast“ zu „vos tenés“ etc.

Gruß

Kubi

Wie kommst du auf Finanzbeamter? Ich bin Chemie-Ingenieur, das ist nicht ganz das Gleiche :wink:

Hmh,

ich meinte mich zu erinnern, das vor Jahren mal gelesen zu haben.

Entschuldigung! :smile:
Carsten