Dunse

Hallo, ihr großen Geister!

Was meint Herr Kant mit dem Wort Dunse , wenn er sagt:

Wenn ich es nur dahin bringen kann, daß man im schulgerechten Begriffe, mitten unter barbarischen Ausdrücken, mit mir eine Strecke fortgewandert wäre, so wollte ich es schon selbst unternehmen (andere aber werden hierin schon glücklicher sein) einen populären und doch gründlichen Begriff, dazu ich den Plan schon bei mir führe, vom Ganzen zu entwerfen; vor der Hand wollen wir Dunse (doctores umbratici) heißen, wenn wir nur die Einsicht weiter bringen können, an deren Bearbeitung freilich der geschmacksvollere Theil des Publici keinen Antheil nehmen wird, außer bis sie aus ihrer dunkelen Werkstatt wird heraus treten und mit aller Politur versehen auch das Urtheil des letzteren nicht wird scheuen dürfen.

aus: Brief an Christian Garve

und an anderer Stelle:

Man bemerkt bald, daß diese ehrwürdige Gesellschaft sich in zwei Logen teile, in die der Grillenfänger und die der Gecken. Ein gelehrter Grillenfänger wird bescheidentlich ein P e d a n t genannt. Wenn er die trotzige Weisheitsmiene annimmt, wie die D u n s e alter und neuer Zeit, so steht ihm die Kappe mit Schellen gut zu Gesicht.

aus: Über das Gefühl des Schönen und Erhabenen

Ich habe zuerst an Duns Scotus gedacht, dann habe ich dies:

Dunsel, der; -s, - (landsch. für Dummkopf, Tollpatsch)

gefunden.

Hielt Kant etwa Duns Scotus für einen Dunsel?

Gruß Fritz

Hallo, Fritz,
offenbar ja, denn die „verschatteten Gelehrten“ (doctores umbratici) lassen wohl keinen anderen Schluß zu.
Übrigens kenne ich den Begriff „Dunsel“ = Tölpel von meiner Ex-Schwiegermutter, einer Sudetendeutschen.

Was allerdings den Tolpatsch angeht, den die NDR ganz in tolpatschiger Weise zum Tollpatsch macht, so stammt dieser Begriff nach meiner Information von den ehemals in Ungarn auf dem Lande üblichen Bauernpantinen = Tolpas (hier leider ohne die nötigen Sonderzeichen). Man verwendete dann - pars pro toto - diese Pantinen auf den ganzen Kerl, dem, Bauerntölpel, der er war, beim KuK Militär erst einmal das rechte Gehen beigebracht werden mußte.
Warum uns die NDR hier ein zusätzliches l zumutet, überflüssig wie ein Kropf, ist mir unerfindlich.

Grüße
Eckard.

Ahoi, Eckard,

vielen Dank für deine Bestätigung.

Zu:

„verschatteten Gelehrten“ (doctores umbratici)

Für „umbraticus“ gibt mein Lexikon auch „(im Schatten sitzender) Müßiggänger, Tunichtgut, Taugenichts“.

Jetzt fehlt mir noch eine Art Bestätigung, dass Kant tatsächlich „Dunse = Dunsel“ meinte.

Tollpatsch: Warum uns die NDR hier ein zusätzliches l zumutet, überflüssig wie ein Kropf, ist mir unerfindlich.

Sie erklären diese auch ihnen als nicht richtig gebildete Form bekannte Schreibung aus der „Volksetymologie“. Die „Leute“ meinen, das Wort käme von „wie toll in der Gegend rum patschen“ und würden diese Schreibung einfacher finden.
Eine der echten Schwachstellen der NDR, wie etwa auch das „Quäntchen“, das ja mit „Quantum“ nun aber auch gar nichts zu tun hat.
Aber damit muss man leben;-(.

Grüße
Fritz

Hallo, ich denke ich kann dir die Frage

„Umsonst versuchet die Dummheit, Jhm die Särke der Flügel, den wahren poetischen Ausdruck, Zu beschneiden; er fühlet die Gluth, die Britten beseelet, Folget Albion nach, und läßt die Dunse der Deutschen Wider den falschen Geschmack vergebliche Klagen verathmen.„

Dunse heißt hier so viel, wie langweilig, trocken.

Quelle Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], Siehe DWDS.

In den Briefwechsel zwischen Kant und Garve wird diskutiert, ob die „Kritik der reinen Vernunft“ popularisiert werden kann. Garve - das nur nebenbei bemerkt - war mit Feder der erste Rezensent der KrV. Kant war es sehr wichtig, dass seine Kritik eine möglichst breite Wirkung hat. Zu diesem Zweck hat er nicht nur Garve Briefe geschrieben, sonder auch Manso u.a.
Er war aber der Meinung, dass vor der Popularisierung eine wie er sagt: „pünktliche Scholastik“ notwendig sei. Um genau dieses Thema geht es auch in dem dir vorliegenden Brief. Kant musste bei der ersten Ausarbeitung der Kritik sehr wissenschaftlich und damit auch trocken und für ein nichtakademisches Publikum langweilig und spröder vorgehen, erst danach ist es möglich, die Kritik zu popularisieren. „sich zu Volksbegriffen herabzulassen“

Er befand sich in einer ähnliche Situation, in der sich auch die Physiker des 20. Jahrhundert befanden: Die Relativitätstheorie ist für Laien nicht verständlich. Dennoch kann man sich auch als Laie eine Vorstellung davon machen, die ohne Mathematik auskommt. Einstein hätte also ähnliches sagen können wie Kant:
„Wenn ich vor Schülern die gesamte Mathematik angewendet hätte, um ihnen die Idee der Theorie verständlich zu machen, hatten sie mich für spröde, trocken und langweilig gehalten, sie hätten mich als Nerd abgekanzelt.“ Diese Worte habe ich nun zum Zweck der Illustration Einstein in den Mund gelegt; er wird es mir verzeihen.
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Hallo,

gibt es eine Quelle zu dieser Wortbedeutung, oder ist das Deine Interpretation?

Bei Grimm, Adelung u. a. wird „Duns“ anders definiert:

Grimm: DUNS, m. ein aufgeblasener eingebildeter geistloser gelehrter.

Adelung: Der Duns, des -es, plur. die -e, ein in den neuern Zeiten aus dem Engl. Dunce eingeführtes Wort, welches überhaupt einen dummen Menschen, einen Dummkopf bedeutet, im Deutschen aber vornehmlich von einem schwachköpfigen, blödsinnigen Gelehrten gebraucht wird.

Gruß
Kreszenz

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Diese Indenmundlegung wird er dir sicher nicht verzeihen :slight_smile:

Wie er sowas selbst ausdrückt, dazu hier ein Beispiel:

Das vorliegende Büchlein soll solchen eine möglichst exakte Einsicht in die Relativitätstheorie vermitteln , die sich vom allgemein wissenschaftlichen, philosophischen Standpunkt für die Theorie interessieren, ohne den mathematischen Apparat der theoretischen Physik zu beherrschen. Die Lektüre setzt etwa Maturitätsbildung und - trotz der Kürze des Büchleins – ziemlich viel Geduld und Willenskraft beim Leser voraus . Der Verfasser hat sich die größte Mühe gegeben, die Hauptgedanken möglichst deutlich und einfach vorzubringen … …
[Vorwort zu „Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie“, 1916. Nachdruck 1956, New York]

Gruß
Metapher

PS: Das Urspungsposting hier ist übrigens von 2003

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