Hallo Oliver,
Du schreibst aus einem mentalistischen Standpunkt heraus. Daß
gerade Du es machst, wo Du Dich doch als Materialisten siehst,
finde ich erstaunlich.
Weshalb ist das erstaunlich? Materialist heißt doch nicht, daß ich kein Gehirn habe
Es ist die subjektive Widerspiegelung der objektiven Realität.
Du argumentierst, daß das Treffen von Entscheidungen „ganz
klar“ aus einem „geistigen Prozeß“ heraus geschehe, zumindest
bei Dir. Ich frage mich, woran Du das festmachst. Anhand
welcher Bedingungen / Faktoren stellst Du fest, daß Du eine
Entscheidung getroffen hast?
Na aus meinem Selbstbewußtsein, woher sonst?
Und von diesen Faktoren - welche
sind es, an denen es jemand anderes erkennen kann?
Wenn es kein völlig anders funktionierende extraterresterische Entität ist, gehe ich davon aus, daß sein Gehirn exakt die gleiche Funktionsweise hat, differierend um verschiedene Erkenntnisse durch verschiedene Erfahrungen (siehe Kant). Er widerspiegelt also auch nur die objektive Realität, welche gleichen, aber nicht identischen Prozessen unterliegt (siehe Hegel). Somit bedingt also das gesellschaftliche Sein das Bewußtsein (Marx). Soviel zur Aufklärung 
Von den
Faktoren, die Du anführen kannst, muß das Verhalten sein (und
physiologische Prozesse), an dem jemand anderes Deine
Entscheidung erkennen kann.
Nein, dem liegt Kausalität und dialektischer Determinismus zugrunde. Um solchen Fragen einen Beweis anzubringen, habe ich vor einiger Zeit ein Experiment gemacht, bei dem ich einem berühmt-berüchtigten Mitleser als Hardcore-Kantianer einen Zopf in seinem Gehirnskasten geflochten hatte, woraufhin er zuwangsläufig ausrasten mußte und mir Autismus unterstellte. Das beweißt eindeutig, daß dieser Mitleser beim Denken (Gott sei es gedankt) diesselbe Logik nutzt, nur andere Erkenntnisse hat, da ihm meine Erfahrungen nicht zuteil wurden.
Was sagt mir das? Wenn ich anderer Leute Erkenntnisse kenne, kann ich daraus Rückschlüsse auf dessen Denkweise ziehen. Der Prozeß der Erkenntnisgewinnung ist determiniert und ich erwarte schon unter sehr ähnlichen Voraussetzungenm sehr ähnliche Entscheidungen. Der Entscheidungsprozeß ist also vom Verhalten unabhängig und geht dem voraus.
Alles andere ist nicht
beobachtbar, oder? Die Existenz Deines „Geistes“, von dem Du
behauptest, daß seine Prozesse zu der Entscheidung führten,
kannst nur Du für Dich als existent ansehen. Andere können
Deine geistigen Prozesse nicht beobachten, nicht fühlen, nicht
sehen, nicht physikalisch erfassen - sie können höchstens
aufgrund von Verhaltensbeobachtungen darauf schließen.
Das ist die direkte Messung. Richtig. Du darfst aber vom Meßergebnis nicht unüberlegt auf kausalle Zusammenhänge schließen, es gibt immer noch den Determinismus. Gerade die Quantenphysik lehrt uns da Vorsicht!
Oder anders:
"Angenommen, es gilt, was Quine sagte, daß es nämlich keine
Entität ohne Identität gebe, dann ist die fehlende Erfüllung
der Bedingungen der Identitätslogik Grund daran zu zweifeln,
daß das Mentale real ist. Wenn wir bedenken, daß 1) das
Mentale - wie es der Cartesianer sieht - nur im Geist
existiert, 2) es aufgrund der Cartesianischen Definition rein
privater Natur ist (d.h. von anderen unbeobachtbar), dann
schlußfolgern wir, 3) daß es nicht real sein kann. Was nur im
Geist existiert, existiert nicht.
Richtig, deshalb nochmal Marx: Das gesellschaftliche Sein bedingt das Bewußtsein. (Sein hier als Willensprozeß, nicht als objektive Realität verstanden). zwar ist es privat, aber nicht ausschließlich an die Entität gekoppelt. Die eigene Identität, das subjektive, sind doch nur unterschiedliche Erfahrungen.
Was nur auf eine Weise und
nur durch eine Person wahrgenommen werden kann, existiert
nicht. Rosarote Elefanten, die nur gesehen, aber nicht
gerochen und die nur von Alkoholikern im Delirium tremens
gesehen werden können, existieren nicht. Sie existieren im
Geist des Alkoholikers, aber sie existieren nicht wirklich"
(Max Hocutt).
Ja, siehe oben.
Bleibt das Verhalten (und physiologische Prozesse), an denen
wir „Entscheidung“ festmachen können. Mit Pawlowscher
Reflexologie hat das „matching law“ entgegen Deiner Behauptung
gar nichts zu tun. Denn:
Falsch. An Verhalten kannst du lediglich das wahrscheinliche Verhalten analysieren, nicht aber die ihm eigene Entscheidung.
Beispiel Wahlen: am Wahlverhalten erkennt man, daß die Mehrheit eine CDU möchte, machst du eine Umfrage unter den Wählern, sind sie dennoch großteils gegen sie. Sie hatten nur Pest und Cholera zur Auswahl. Wenn ich dir anbiete, dich zu erschiessen oder zu erhängen, wofür würdest du dich entscheiden? Subjektiv sicherlich für weiterleben, allerdings würden das die Unmstände nicht zulassen. Auch das ist ein Beispiel, an welchem die Messung das Meßergebnis beeinflußt. Also Vorsicht bei der Verhaltensanalyse.
„Herrnstein´s matching law was another point […]
against [Hervorhebung von mir] reflexology. First, the
matching law´s units are rates of behavior and
rates of reinforcement rather than individual acts and
individual consequences. Second, the matching law puts a
strain on reflex-based analysis by showing that a given act
may be manipulated through the consequences of other
acts. […] And the relativity itself broke clearly with
Cartesian reflexes. If you could manipulate one act by
reinforcing another then neither could be a reflex in any
sense“ (Rachlin & Laibson. In Herrnstein, The matching
law , 1997).
Die Sichtweise, die ich darlegte, ist mit einer Theorie
aufgrund Pawlowscher Reflexe ganz und gar nicht zu vereinbaren
und widerspricht ihr deutlich.
Dein Kerkerbeispiel ist ein Gedankenexperiment, an das ich
dachte, als ich schrieb, daß oftmals Verhalten im „luftleeren“
Raum betrachtet wird. Wenn Du jemanden im Kerker hältst und
ihm jedwede Möglichkeit nimmst, daß er sich irgendwie verhält,
dann ist jegliche Diskussion überflüssig geworden. Du kannst
behaupten, daß diese Person denkt. Sicherlich wird sie es tun.
Aber was sie denkt, kann niemand herausfinden - es sei denn,
man nimmt ihr den Knebel ab und fragt sie. Dann hast Du die
Situation aber grundlegend verändert, denn dann ist Verhalten
wieder möglich. Frank, Du kannst nicht Situationen einführen,
in denen Dir Dein Indikator fehlt [nämlich Verhalten] und
trotz des Fehlens Deines Indikators behaupten, daß das
Indizierte [nämlich der "Geist] in der von Dir angenommenen
Form [nämlich Entscheidungsprozesse] existiert. Wozu
bräuchtest Du dann noch einen Indikator?
Die Frage ist, wie ich den Indikator nutze. Indem ich meine Logik an ihm identifiziere, weiß ich, daß diese jederzeit reproduzierbar ist.
Wie, bitteschön, komme ich sonst auf meinen jederzeit reproduzierbaren dialektischen Determinismus? Dieser ist ausschließlich durch Vergleich von Erkenntnissen, durch nachdenken, gewonnen.
Ich stimme mit Dir überein, daß sich aus Verhalten
Konsequenzen ergeben. Das ist ein wichtiger Punkt. Aber nur
der eine. Der zweite Punkt, den Du übersiehst, ist: Aus diesen
Konsequenzen ergeben sich weitere Konsequenzen. Eine weitere
Konsequenz ist Verhalten der Verhaltensklasse selbst, das zu
der ersten Konsequenz geführt hat. Ich benutze wieder das
Beispiel des Fußballers. Diesmal aber benutze ich ein Schema,
damit es klarer wird:
Verhalten 1: den Gegenspieler umlaufen
Konsequenz 1: dem Gegenspieler entkommen
Konsequenz 2 (Verhalten 2): in ähnlicher Situation einen
Gegenspieler in ähnlicher Weise umlaufen, weil man beim ersten
Mal dem Gegenspieler entkommen ist.
Das ist Kausalität und Reproduzierbarkeit.
Wir bezeichnen Verhalten 1 als Reaktion, Konsequenz 1 als
Verstärker, Konsequenz 2 (Verhalten 2) als Mitglied der Klasse
vom Typ des Verhaltens 1, d.h. ein Operant. Insofern ist
Verhalten von seinen Konsequenzen abhängig. Du hast schon
recht. Es müßte ganz korrekt heißen: Verhalten ist von seinen
vergangenen Konsequenzen abhängig.
Zum Schluß Deine Frage, warum der Mensch nicht irgendwann die
Entscheidung fällen sollte, den Turm als Kunstwerk zu
veräußern. Genau an solche Fragen habe ich gedacht, als ich
den Text schrieb. Es ist nämlich wieder eine Frage, in der zum
Zwecke der Gegenargumentation die Situation verändert wird.
Ich schrieb: in einer ähnlichen Situation. Wenn Du die
Situation änderst, dann ändern sich die Verhaltensweisen.
Richtig, aber darauf habe ich nicht angespielt. Es klang bei dir, als wenn dieses Ereignis eine unausweichliche Kausalität darstellt. Das wäre falsch, da damit der Determinsmus nicht gelten kann (meiner
.
Beispiel: Wenn die Sonne scheint, gehen Menschen spazieren.
Dann kommt jemand und sagt: Das kann nicht stimmen, denn sie
bleiben zu Hause, wenn es regnet. Ja, stimmt, natürlich kann
ein Turm auch gebaut und nicht zerstört werden (wer würde das
bestreiten?). Er kann auch verkauft werden. Das war aber nicht
die Ausgangssituation. Die Sonne schien, es regnete nicht:
Tobias hatte eine Situation definiert, in der erst ein Turm
gebaut und dann wieder zerstört wird, und Tobias fragte, warum
erst der Turm gebaut wird, wenn er dann wieder zerstört wird.
Dann bräuchte der Turm doch nicht gebaut zu werden, oder?
Doch, sagt die Verhaltensanalyse. Sie gibt in dieser Situation
die folgende Antwort: In dieser Klasse von Situationen folgt
(immer - meistens - oft, aber jedenfalls kontingent) das
Zerstören des Turms auf das Bauen des Turms. Wenn das
Turmbauen dadurch in seiner Auftretenswahrscheinlichkeit
erhöht wird, dann ist das Zerstören des Turms der Faktor, der
die Auftretenswahrscheinlichkeit erhöht und das nennen wir per
definitionem eine Verstärkung. Insofern ist das Zerstören des
Turms die Bedingung, unter der der Turmbau erfolgt. Von Pawlow
ist übrigens keine Spur in der Argumentation zu finden.
Pawlow wäre, wenn er prinzipiell Türme zerstört, wenn er sie gebaut hat, egal unter welchen Umständen. Es klang so, sorry.
Gruß
Frank