Eine Kirche pro zwei Menschen im Hochmittelalter?

Bei einer gemütlichen Gesellschaftsspielrunde galt es die Frage zu beantworten, ob im Hochmittelalter wirklich auf zwei Menschen eine Kirche kam. Dass die Aussage stimmt, überraschte uns doch sehr.
Woran liegt das? Liegt das an der Defition von Kirche und der damit verbundenen Tatsache, dass zu dieser Zeit vieles als „Kirche“ galt, oder spielen Epidemien und Seuchen eine Rolle, die künstlich die Anzahl der Menschen drastisch reduzierten, so dass so ein Vergleich zulässig erscheint.
Oder gibt es gar einen anderen Grund. Die Antwort würde mich doch sehr interessieren!

Hallo Laarson,

ich bin zwar keine Expertin auf diesem Gebiet, aber ich vermute(!) mal dass es zwei Gründe dafür gibt: erstens wurde wahrscheinlich jedes noch so kleine Kapellchen als „Kirche“ gewertet - das scheint mir der Hauptgrund zu sein - und zweitens war die Zahl an Klöstern sehr hoch so dass, beispielsweise nach einer Epidemie, tatsächlich ein solcher Vergleich möglich wäre.
Ich hoffe ich konnte helfen!

LG
Pythia

Es tut mir leid, diese Frage kann ich euch leider auch nicht beantworten. Vielleicht kann euch die katholische oder evangelische Kirche mit ihren Archiven weiterhelfen. Friedhelm

Im Grunde hast Du Dir die Frage schon selber beantwortet. Da spielen mehrere Faktoren mit (sorry, ich arbeite mit einem U.S. keyboard und habe keine Umlaute):

  • es gab viele kleine Gebetsstaetten die in dieser Frage offensichtlich als Kirchen gezaehlt wurden. Die meisten davon natuerlich entlang von Walfahrts- und Pilgerwegen.

  • Auch die Epidemien spielten eine Rolle, wobei technisch gesehen das Hochmittelalter nur bis etwa zum Ende der Kreuzzuege geht waehrend der Schwarze Tod eigentlich als Pandemie zum ersten Mal in Europa etwa 1347 auftrat. Es gab aber vorher schon andere Krankheiten die bisweilen die Bevoelkerung ganzer Ortschaften halbierte. Nicht nur, dass dadurch die Anzahl Menschen/Kirche sank. man baute oft auch eine zweite um sich den guten Willen Gottes sozusagen zu erkaufen. Man kann heute noch in manchen bayerischen Doerfern mit gerade einmal 500 Einwohnern bis zu zehn Kirchen finden.

  • Kirchen dienten nicht immer nur als Gebetsstaetten sondern auch als Manifestation politischer Gegebenheiten. Waehrend des Hochmittelalters bauten Fuersten und Kirchenfuersten Kirchen als Zeichen ihrer eigenen Macht weit ueber den tatseachlichen Bedarf hinaus. Die aus anderen Geschichten bekannte Rosslyn-Chapel was urspruenglich als Kathedrale geplant obwohl es in dem Gebiet eigentlich gar keine nennenswerte Bevoelkerung gab.

  • Dann wurden Kirchen gebaut wenn man sich irgendwo ansiedelte. Meist gleich als erstes. Europa hatte waehrend des Mittelalters noch weite Wildnisgebiete. Oft setzten Fuersten Moenche ein um diese Gebiete urbar zu machen und die beuten als erstes ein Kloster mit Kirche. Dann klappte es nicht, die Moenche wurden von Hunder und Krankheiten dahingerafft, aber die Kirche stand noch da. Schoene Baureste solcher Unternehmungen findet man vor allem in Suedfrankreich.

  • Und zuletzt gab es noch „aufgelassene“ Kloester. Die hatten auch Kirchen, waren zum Teil Jahrhunderte in Benutzung und wurden dann im Rahmen politischer Veraenderungen in der Kirche geschlossen. L’Abbaye in der Normandie is t ein fruehes Beispiel dafuer.

Wenn man das alles zusammenrechnet, kann es also gut sein, dass man auf eine Kirche pro zwei Menschen kommt.

Gruss
PB

Hallo,
es tut mir leid, das Hochmittelalter und Kirchengeschichte im Speziellen gehören leider nicht zu meinem „Fachgebiet“, so dass ich keine gesicherte Antwort geben kann.
Ich bin aber auch sehr verwundert und kann mir diese Verhältnismäßigkeit ebenfalls kaum vorstellen (sie ist mir auch während des gesamten Studiums nicht einmal begegnet).
An den Antworten der Experten wäre ich auch interessiert.
Ich hoffe, jemand anderes kann besser weiterhelfen!
Beste Grüße,
Helene

Hallo Laarson,

also, das erscheint mir schon sehr merkwürdig.
Auch wenn im Mittelalter die Bevölkerung sehr viel kleiner war als heute und es Zeiten gab, in denen in Folge von Krieg und Pest die Einwohnerzahl in manchen Landstrichen extrem schrumpfte, scheint mir das Verhältnis von 2 : 1 sehr zweifelhaft.
Dennoch gab es damals mit Sicherheit in vielen Städten Klöster, Kirchen und Kapellen, die heute verschwunden sind oder die umgewandelt wurden. Auch so manche Innung oder Zunft hatte eine solche Kapelle. Spitäler waren in aller Regel kirchliche Einrichtungen.
Allein in meiner 27.000-Einwohner-Stadt weiß ich von 27 noch vorhandenen Kirchen und Kapellen, eine davon von den Weingärtnern. Dazu gab es hier mehrere Klöster, die im Laufe der Jahrhunderte kamen und wieder verschwanden, dazu eine abgebrochene Kirche, ferner diverse Hauskapellen in Privathäusern. Auch Bildstöcke und Kreuzwegstationen im Stadtbild (keine „Kirche“ im heutigen Sinne) mögen zum Eindruck der allgegenwärtigen Präsenz der Kirche beigetragen haben.
Vielleicht kam dem einen oder anderen bei bestimmten Städten schon einmal die flapsige Bemerkung über die Lippen „Hier gibt es pro Kirche zwei Einwohner…“

Woran liegt das? Liegt das an der Defition von Kirche und der
damit verbundenen Tatsache, dass zu dieser Zeit vieles als
„Kirche“ galt, oder spielen Epidemien und Seuchen eine Rolle,
die künstlich die Anzahl der Menschen drastisch reduzierten,
so dass so ein Vergleich zulässig erscheint.

Hallo Laarson,
also die zwei Menschen pro Kirche sind bei allen zu berücksichtigenden Randbedingungen
doch etwas wenig.Man bedenke,die Kirche muss ja auch zunächst einmal gebaut werden.
Die Menschen (in der Mehrzahl Bauern) hatten ja schon schwer für den eigenen Lebensunterhalt zu arbeiten.
(niedrige Produktivität !)Für die Kirche war hauptsächlich der Zehnte vorgesehen ! Man vergleiche die aktuellen Steuersätze! Eine Verschuldung
im heutigen Ausmaß war glücklicherweise nicht möglich.Geld einfach nur drucken,ging
nicht …
Zuverlässiges Zahlenmaterial dürfte knapp sein.
Statistisch zuverlässige Aussagen sind dann so eine Sache…
Deine genannten Ausnahmen sind natürlich in Einzelfällen oder für einen sehr begrenzte Zeitdauer immer möglich, aber repräsentativ sind sie mit Sicherheit nicht.

Hallo sorry auf diesem kirchl. Gebit bin ich leider kein fachmann. Ich kann mir von meinem wisn her nur vorstellen, das duch Kriege, Pest usw. die Bevölkerung eh dezimiert war und das jeder Fürst, Baron, König sich sein Seelenheil kaufen wollte und dann in seinem Örtchen eine Kirche/Kapelle, gebaut hat um nicht im Fegefeuer zu landen.Außerdem waren damals die reisemöglichkeiten noch nicht so wie heute und da war es eigentlich gut die Kirche im Dorf zu haben! Wobei ich die These auf 2 Menschen eine Kirche etwas hinterfragen würde.

Hallo erstmal,

autsch…, diese Frage kann ich tatsächlich nicht bewusst beantworten, soll heissen: Ich weiss es nicht.
Nicht wirklich, doch ich habe eine Theorie, die zumindest mir selbst einleuchtend erscheint (wenigstens einem ;-D)
Im Mittelalter gab es natürlich nicht nur die „offiziellen“ Kirchen und Kapellen, sondern außerdem hat auch jeder „Burgbesitzer“ eine eigene Kapelle nebst Kleriker gehabt.
Besonders im Spätmittelalter gab es meines Wissens nach kaum einen wohlhabenen Haushalt ohne eigenes Gotteshaus. Das war in den meisten bestimmt nur eine kleine Kapelle oder gar nur ein Kapellenraum, doch wenn auch diese mit eingerechnet wurden, dann könnte die Zahl hinkommen.
Wobei man auch bedenken muss, daß sehr reiche Leute häufig auch mehrere Häuser besaßen.
Zusätzlich gab es auch viele Klöster, die natürlich auch alle eine Kirche hatten.
Und dann noch eine letzte Anmerkung: Im Mittelalter waren die Menschen unfassbar abergläubisch. Wie von dir schon angemerkt, wurde nahezu jede Krankheit, Seuche und Naturirritation von der Kirche dazu benutzt, den Menschen Angst zu machen und sie zu mehr Frömmigkeit und großzügigeren Spenden anzuhalten.
(Nein, nein, ich hab nichts gegen die Kirche)
Ausserdem war es im Mittelalter auch üblich, daß alte Bauten nicht abgerissen wurden, sondern an anderer Stelle einfach neu gebaut wurde. Auch das könnte die Anzahl erhöhen.

Doch um ganz ehrlich zu sein, die Zahl kommt mir trotzdem sehr hoch vor.
Tut mir leid, daß ich dir keine fundiertere Antwort geben konnte.

Hallo Laarson!
Deine Frage hat mich schon ein wenig überrascht, da ich mich relativ gut in Kirchengeschichte auskenne. Ich habe im PC und meinen Büchern recherchiert, bin aber auf kein Ergebnis gestossen. Jetzt am Samstag habe ich einen Kirchenführerkurs, da werde ich den Professor fragen (der sich sehr gut auskennt)
Bis bald Heiner

Hallo Laarson,
die Aussage mit den 2 Einwohnern pro Kirche mag vielleicht für einige Dörfer nach der Pest von 1348 gegolten haben, ansonsten kann sie nur falsch sein. Das kann ich Dir als Historiker mit Sicherheit sagen. Da wird dann sicher der Hersteller des Gesellschaftsspiels einem Irrtum aufgesessen sein.
Viele Grüße, Egbert

Entschuldigung, dass ich so spät antworte: nach meinen unterschiedlichen Recherchen und Befragungen von Fachleuten, scheint es nur eine Antwort zu geben. Seuchen und Epidemien scheinen insofern eine Rolle zu spielen, dass man aus Dankbarkeit, dass man vor Seuchen verschont geblieben ist, eine Kapelle baute.
Kapellenbau hatte damals „Hoch-Konjunktur“ Kapellen wurden aber auch gebaut, um einen Ort zu haben, beten zu können, dass man von Seuchen verschont bleibt. Aber bei allen, die ich befragte, scheint die Zahl 2 auf eine Kirche (bezw, Kapelle) doch etwas hoch gegriffen zu sein. Mehr kann ich auch nicht dazu beitragen Grüße H.K.

Bei einer gemütlichen Gesellschaftsspielrunde galt es die
Frage zu beantworten, ob im Hochmittelalter wirklich auf zwei
Menschen eine Kirche kam. Dass die Aussage stimmt, überraschte
uns doch sehr.