Eine Stelle im "Ölbaumgarten" von Rilke erläutern

In diesem Gedicht stellt das lyrische Ich seine Befindlichkeit resp. Lebenssituation dar in starker Assoziation, oder vielmehr eher Identifikation mit dem Gang des Jesus in den Garten Gethsemani auf dem Ölberg in Jerusalem - bevoir er von den Soldaten gefangengenommen wird. Und zwar ist die Episode assoziiert, wie sie speziell im Mathäus-Evangelium Kap. 26.36-46 erzählt wird. Dort begleiten Jesu Schüler/Jünger ihn, aber während er mit seinem auf ihn zukommenden Schicksal hadert, schlafen sie (was er ihnen im Mt-Ev. zum Vorwurf macht). Darauf bezieht sich entfernt „Die Jünger rührten sich in ihren Träumen“.

„Ich“ hadert mit der Existenz des Gottes, Rilke greift hier auch auf die berühmten letzten Worte Jesu am Kreuz zu, die im Mt-Ev. 27.46 lauten „Mein Gott, warum hast du mich verlassen“.

„Ich“ zweifelt an der Existenz des Gottes, weil es für ihn keine Verbindung mehr zu ihm gibt …

warum willst Du, dass ich sagen muss,
Du seist, wenn ich Dich selber nicht mehr finde.

Ich finde Dich nicht mehr. Ich bin allein.

Eine noch tiefere, transzendierte Form des Alleinseins, tragischer als von seinen engsten Lebensbegleitern allein gelassen zu sein, die ja pennen, während er, Jesus, vor Angst Blut schwitzt.

Der Gott, mit dem „Ich“ - wie Jesus im Gethsemani - intim, vertraulich spricht, esistiert zugleich gar nicht: Er ist nicht.

aller Menschen Gram,
den ich durch Dich zu lindern unternahm,
der Du nicht bist.

„der Du nicht bist“ ist hier kein Relativsatz (etwas wie „welcher Du nicht bist“), sondern eine appositionsartige Parenthese: „durch Dich - Du, den es gar nicht gibt“

Gruß
Metapher

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