Einlesen in das Leben von Protestanten

Hallo!

Wie ein paar evtl. schon wissen habe ich dieses Semester noch ev. Theologie angefangen. U.a. weil diese Fakultät einen guten Ruf in Sachen Bibelwissenschaften hat- was mich am meisten interessiert- und über die netteren Dozenten verfügt. Abgesehen davon sehe ich als Frau meine Zukunftschancen mit evangelischer Theologie besser.

Eigentlich bin ich aber katholisch und wurde tendenziell so erzogen, nicht dass ich sonderlich gläubig wäre.
In der Uni lerne ich nun viele interessante Dinge- Bibelwissenschaft, eins meiner Lieblingsfächer momentan halt, systematische Theologie… mir fehlt aber was.
Und das ist die Kenntnis vom Alltag der Protestanten (vor allem).
Wenn es also dann an die Spezialitäten geht, bin ich ahnungslos und ein wenig gehemmt.
Z.B. wusste ich vom Reformationstag, aber wie dieser begangen wird ist mir nicht bekannt.

Leider habe ich hier nicht die Möglichkeit mal eben reinzuschauen, die nächste ev. Kirche ist einen ganzen Ort entfernt und aufgrund einer 42 Stundenwoche (reine Anwesenheit in der Uni) habe ich mom. kaum mobilität. In meinem Freundeskreis habe ich auch keine wirklich Gläubigen oder ansatzweise so erzogenen.

Ich würde mich aber trotzdem gerne etwas mehr mit Alltag der Protestanten auseinandersetzen.
Kann mir jemand ein Buch oder eine ausführliche Homepage empfehlen, damit ich mehr über den Alltag (!) erfahre?

Glaubensgrundsätze u.ä. habe ich an der Uni (und in heimischen Büchern) genüge, mich würde interessieren, wie jetzt das genaue Leben der Gläubigen aussieht, damit ich zumindest etwas Ahnung habe und mich nicht wie ein Spion fühle wenn ich im Hörsaal sitze XD

lg
Kate

Ich würde mich aber trotzdem gerne etwas mehr mit Alltag der
Protestanten auseinandersetzen.
Kann mir jemand ein Buch oder eine ausführliche Homepage
empfehlen, damit ich mehr über den Alltag (!) erfahre?

Da es „Das Protestantische Leben“ nicht gibt, sich Protestanten alleine in Deutschland in Reformierte, Unierte und Lutheraner unterscheiden und es neben vielen Ortstraditionen genausoviele individuelle Möglichkeiten zu leben finden, dürfte dieser Wunsch nicht einfach zu erfüllen sein. Es gibt im Prinzip nichts, was man als Protestant halt so macht, weil man es als Protestant halt so zu machen hat. Als „praktizierender Protestant“ (lutherisch) würde ich empfehlen:

  1. Einen Überblick gibt die Seite der EKD (Evangelischen Kirche in Deutschland) http://www.ekd.de
  2. Von dort aus mal unter „EKD & Kirchen“ nach den Landeskirchen gucken und schauen, was die auf ihren Internetseiten so anbieten und erzählen. Und dann einfach mal auf ein paar Gemeindeseiten weitersurfen.
  3. Meistens gibt es ein gedrucktes „Sonntagsblatt“ oder ähnliche Zeitschriften, die gemeindeübergreifend aus dem Leben berichten. Eigentlich sollte die entsprechende Kirchenzeitung auch an der Uni verfügbar sein, einfach mal in der Bibliothek danach fragen und lesen, was da so drinsteht.
  4. Naja, und dann bleibt aber letztlich nur der Weg des echten Lebens: Mal in eine evangelische Gemeinde gehen und gucken, wie dort Gottesdienste gefeiert werden, was es für Angebote gibt und mit den Menschen reden. Das ist eine „Tugend“, die im universitären Lehrbetrieb leider immer wieder vergessen wird, obwohl sie gerade in solchen Fragen mit zu den besten Erkenntnissen führt :wink:.

Gruß, Martinus…

Hallo Kate,
nicht dürfte für Dich als zukünftige Religionswissenschaftlerin einfacher sein, als die Binnenperspektive (!) ev. oder rk Christentums kennenzulernen. Laut Deiner Visitenkarte wohnst Du in Essen - da kann es nicht sein, dass die nächste ev. KG im nächten Ort liegt. Je nachdem, ob Dein Heimatstadtteil zur Westfälischen oder RHeinischen Landeskirche gehört, müsstest Du auf den Homepages der entsprechenden Kirchen (zu erfahren unter http://www.ekd.de) über die Postleitzahl die nächste KG erfahren können! Ich kann Dir nur empfehlen, einmal einen rk und dann einen ev. GOttesdienst zu besuchen - Du wirst nicht nur viel über die Frömmigkeit lernen können! Die ev.theol. Fakultät in Bochum (das war doch Dein Studienort, oder? Einen guten Ruf hat die Faultät eher in der Systematik/Gesellschaftswissenschaft, die historischen Wissenschaften - BIbelwissenschaften ist nicht mein Begriff - wozu ja neben KG auch AT und NT gehören, studiert man immer noch besser in Münster) hat außerdem auch Universitätsgottesdienste. Außerdem solltest Du vielleicht die Möglichkeit des Kontakts zu Deinen dortigen Kommilitonen nutzen, das bringt Dir allemal mehr als ein Buch.

Abgesehen davon sehe ich als Frau meine Zukunftschancen mit
evangelischer Theologie besser.

Nun ja, willst Du Pfarrerin werden, hast Du sicherlich recht - aber ansonsten spricht es vielleicht sicherlich für einen RW, wenn er/sie auch eine der christl. Theologien studiert hat, aber welche dürfte wohl eher egal sein (nun ja, wobei ich andere Gründe hätte, die ev. Theologie anzuraten:wink:.
Dann noch: MIt den neuen Studiengängen und Prüfungsordnung in D kenne ich mich nicht aus, aber vor langer Zeit (um 2000) war es nicht so einfach möglich, an einer ev.theol. Fakultät als Katholik sein Examen abzulegen - ich hoffe, das ist mittlerweile geklärt.

Z.B. wusste ich vom Reformationstag, aber wie dieser begangen
wird ist mir nicht bekannt.

In D bzw. im Westen D’s wird der Tag eigentlich gar nicht begangen, wenn am Sonntag danach mit einer entsprechenden Predigt (wobei hier für mich nur Gal 5 in Frage kommt). In Österreich gibt es überfüllte Gottesdienste, die mit stehend geschmetterten „Ein feste Burg“ anfangen…

Ich würde mich aber trotzdem gerne etwas mehr mit Alltag der
Protestanten auseinandersetzen.
Kann mir jemand ein Buch oder eine ausführliche Homepage
empfehlen, damit ich mehr über den Alltag (!) erfahre?

Grundsätzlich wirst Du allerdings mit diesem Anspruch auf Schwierigkeiten stoßen, wobei (verzeih’) Deine Aussage schon recht naiv klingt. D-e-n Alltag gibt es nicht und es ist wohl vielmehr eines der grundlegenden Kennzeichen des modernen europäischen Protestantismus, dass die Autonomie des Gläubigen zu bewahren ist. Selbst Theologiestudierende sind nicht unbedingt fleißige Kirchgänger, heiraten nicht sofort oder sind ansonsten irgendwie „bessere“ Menschen. Und selbst, wenn Du eine Essener Gemeinde besucht hast, wirst Du erstaunt sein beim Besuch eines gut lutherischen GD in der Hannoverschen Landeskirche, naja, und dann fahre mal nach Siegen und besuche dort einen GD…

Glaubensgrundsätze u.ä. habe ich an der Uni (und in heimischen
Büchern) genüge, mich würde interessieren, wie jetzt das
genaue Leben der Gläubigen aussieht, damit ich zumindest etwas
Ahnung habe und mich nicht wie ein Spion fühle wenn ich im
Hörsaal sitze XD

Ganz ehrlich: Genau das geht einem als Theologin manchmal auf die Nerven. Die Unwissenheit der Leute lässt sie ein KLischee konstruieren und dann lauern sie auf jede einzelne Bestätigung oder sind empört. Deine Kommilitonen sind in demselben Land, in derselebn Gesellschaft aufgewachsen wie Du - stell Dir mal vor, die gehen zu den RWlern und lauern darauf, irgendetwas irgendwie spezifisch zu finden?!

Grüße
Taju

Hallo Taju!
Erstmal vielen Dank für deine ausführliche Antwort!

Hallo Kate,
nicht dürfte für Dich als zukünftige
Religionswissenschaftlerin einfacher sein, als die
Binnenperspektive (!) ev. oder rk Christentums kennenzulernen.
Laut Deiner Visitenkarte wohnst Du in Essen - da kann es nicht
sein, dass die nächste ev. KG im nächten Ort liegt. Je
nachdem, ob Dein Heimatstadtteil zur Westfälischen oder
RHeinischen Landeskirche gehört, müsstest Du auf den Homepages
der entsprechenden Kirchen (zu erfahren unter
http://www.ekd.de) über die Postleitzahl die nächste KG
erfahren können! Ich kann Dir nur empfehlen, einmal einen rk
und dann einen ev. GOttesdienst zu besuchen - Du wirst nicht
nur viel über die Frömmigkeit lernen können!

Ich wohne am Stadtrand, wir haben hier drei katholische Kirchen in direkter nähe (eine direkt neben an, in der ich auch teilweise mit erzogen wurde XD Ich war früher fleißiger Kirchgänger, was vor allem daran lag, dass unser Pfarrer ein super Geschichtenerzähler war und den Glauben für die Kids interessant machte. Mittlerweile steht die Kirche häufig leer, der neue Pfarrer ist nicht… so gut. Da hatte ich mich aber schon abgelöst). Ich weiß wo die nächste ev. Kirche ist, aber wirklich erst im nächsten „Ort“ naja, also wir sagen hier (im Kaff) auch zu Stadtteilen „Ort“, falls dich das verwirrt hat ^^° Dennoch die Verkehrssituaation ist nicht sooo ideal.

Außerdem solltest Du vielleicht die
Möglichkeit des Kontakts zu Deinen dortigen Kommilitonen
nutzen, das bringt Dir allemal mehr als ein Buch.

Da hast du sicherlich recht, momentan tu ich mich aber noch ein wenig schwer… Kontakt aufnehmen ist für mich generell schwer und ich bin den ganzen Tag am rennen momentan, man hat kaum Zeit den nächsten Raum zu erreichen.

Abgesehen davon sehe ich als Frau meine Zukunftschancen mit
evangelischer Theologie besser.

Nun ja, willst Du Pfarrerin werden, hast Du sicherlich recht -
aber ansonsten spricht es vielleicht sicherlich für einen RW,
wenn er/sie auch eine der christl. Theologien studiert hat,
aber welche dürfte wohl eher egal sein (nun ja, wobei ich
andere Gründe hätte, die ev. Theologie anzuraten:wink:.

Naja, ich hab schon ein Problem damit als Frau einen Glauben zu unterstützen der Frauen gern in den Boden stampft und son Mist wie Zölibat u.ä. unterstützt…

Dann noch: MIt den neuen Studiengängen und Prüfungsordnung in
D kenne ich mich nicht aus, aber vor langer Zeit (um 2000) war
es nicht so einfach möglich, an einer ev.theol. Fakultät als
Katholik sein Examen abzulegen - ich hoffe, das ist
mittlerweile geklärt.

Soweit ich weiß schon. Es gibt einen Studiengang Pfarramt und einen Bachelor of Arts Studiengang mit anschließendem Master of Education. Ich mache allerdings nur den Bachelor, dafür ist, soweit ich bisher informiert bin, meine Konfession irrelevant.

Z.B. wusste ich vom Reformationstag, aber wie dieser begangen
wird ist mir nicht bekannt.

In D bzw. im Westen D’s wird der Tag eigentlich gar nicht
begangen, wenn am Sonntag danach mit einer entsprechenden
Predigt (wobei hier für mich nur Gal 5 in Frage kommt). In
Österreich gibt es überfüllte Gottesdienste, die mit stehend
geschmetterten „Ein feste Burg“ anfangen…

Vielen Dank für diese Information!

Grundsätzlich wirst Du allerdings mit diesem Anspruch auf
Schwierigkeiten stoßen, wobei (verzeih’) Deine Aussage schon
recht naiv klingt. D-e-n Alltag gibt es nicht und es ist wohl
vielmehr eines der grundlegenden Kennzeichen des modernen
europäischen Protestantismus, dass die Autonomie des Gläubigen
zu bewahren ist. Selbst Theologiestudierende sind nicht
unbedingt fleißige Kirchgänger, heiraten nicht sofort oder
sind ansonsten irgendwie „bessere“ Menschen. Und selbst, wenn
Du eine Essener Gemeinde besucht hast, wirst Du erstaunt sein
beim Besuch eines gut lutherischen GD in der Hannoverschen
Landeskirche, naja, und dann fahre mal nach Siegen und besuche
dort einen GD…

Du hast Recht, es klingt bestimmt naiv, aber ich habe überhaupt keinen Überblick. Wie erwähnt komme ich aus einem hauptsächlich katholisch geprägtem Bereich und bin da auch noch nicht wirklich rausgekommen, von den paar Kindern die früher den evangelischen Religionsunterrichten war man doch recht getrennt und lange spielte das Thema ja auch keine Rolle. Ich stand Religion auch lange ablehnend gegenüber, bzw. dem Christentum. Das hat sich erst in den letzten Jahren auf dem Gymnasium geändert als ich erkannte, dass Christentum nicht nur römisch katholisch ist. Man ist als Jugendliche ja manchmal auch ziemlich ignorant.
Dadurch habe ich viele Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme versäumt, und momentan ist es für mich schwierig, sehr schade, aber ich versuche es natürlich weiter.

Dass es mehrere Kirchen gibt weiß ich, nur da ich so gut wie nichts über das Leben weiß, hätte mich das interessiert. Vom Katholischen weiß ich ja, dass ein gewisser EInfluss da ist. Nicht nur zur Kirche gehen, auch Kreuze daheim haben, Betkettchen, Kinder zur Kommoniun schicken und wie das abläuft, die Feiertage, Heiligenverehrung, welche es bei den Protestanten mWn nicht gibt.
Aber mal gucken wie das noch wird.

Glaubensgrundsätze u.ä. habe ich an der Uni (und in heimischen
Büchern) genüge, mich würde interessieren, wie jetzt das
genaue Leben der Gläubigen aussieht, damit ich zumindest etwas
Ahnung habe und mich nicht wie ein Spion fühle wenn ich im
Hörsaal sitze XD

Ganz ehrlich: Genau das geht einem als Theologin manchmal auf
die Nerven. Die Unwissenheit der Leute lässt sie ein KLischee
konstruieren und dann lauern sie auf jede einzelne
Bestätigung oder sind empört. Deine Kommilitonen sind in
demselben Land, in derselebn Gesellschaft aufgewachsen wie Du

  • stell Dir mal vor, die gehen zu den RWlern und lauern
    darauf, irgendetwas irgendwie spezifisch zu finden?!

Ich versuche ja grade ein paar Klischees bzw. die Unwissenheit abzubauen, aber ich komme mir trotzdem komisch vor bei Diskussionen und auch wenn ich Gespräche mitanhöre die den Stoff betreffen, da wird sich teilweise auf Hintergründe bezogen die ich nicht kenne, denn ich wurde ja nicht in diesem Glauben erzogen und bin damit kaum in Berührung gekommen.

Die Relwissler und ev. Theologen haben bei uns zum Glück ein gutes Verhältnis, könnte daran liegen, dass die RelWiss in der ev. Theologischen Fakultät liegt. Gut ein Viertel unserer Studenten sind ev. Theologen, 2 Viertel (also ungefähr die Hälfte) Orientalisten und der Rest… Gemischt. Unsere Fachschaftsräte arbeiten auch mehr oder weniger zusammen.

Allerdings hab ich als katholisch geprägte in meiner Vorlesung schon so manchen Spruch gehört. Nicht dass ich es übel nehmen würde, sowas wie Humor hab ich doch noch, aber ich will nicht, dass diese Sprüche berechtigt sind :wink:

lg
Kate

Hallo Kate,
also zunächst: Du solltest wirklich unbedingt einen evang. GD besuchen - gerade, wenn Du rk GD kennst, wirst Du dabei eine Menge lernen, was Dir für das Studium nur nützlich sein kann!
Die meisten evang. Fachschaften bieten Freizeiten zum Kennlernen an, oder aber die KOnvente (die landeskirchlichen Zusammenschlüsse an einer Fakultät) machen Theostammtische!
Es ist sicherlich lobenswert, dass Du Dir ein so großes Pensum vorgenommen hast und ich weiß, dass diese BA/MA-Studiengänge zeitlich viel abverlangen - aber ohne „Netzwerk“ geht es auch nicht im Studium!
Theologen sind übrigens (vorsicht KLischee!) manchmal schon ätzend kontaktfreudig…

Z.B. wusste ich vom Reformationstag, aber wie dieser begangen
wird ist mir nicht bekannt.

In D bzw. im Westen D’s wird der Tag eigentlich gar nicht
begangen, wenn am Sonntag danach mit einer entsprechenden
Predigt (wobei hier für mich nur Gal 5 in Frage kommt). In
Österreich gibt es überfüllte Gottesdienste, die mit stehend
geschmetterten „Ein feste Burg“ anfangen…

Vielen Dank für diese Information!

Verzeih die Kirchenhistorikerin in mir: Aber wenn Du jetzt noch wissen willst, warum Österreicher den Reformationstag so anders begehen als Deutsche, dann bist Du mitten in der Reformationsgeschichte, im Konfessionellen Zeitalter und bei Maria Theresia:wink:

Dadurch habe ich viele Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme
versäumt, und momentan ist es für mich schwierig, sehr schade,
aber ich versuche es natürlich weiter.

Naja, DU hast es ja nicht mit Aliens zu tun:wink: Wahrscheinlich kennst Du mehr Protestanten, als Du es selbst weißt…

Dass es mehrere Kirchen gibt weiß ich, nur da ich so gut wie
nichts über das Leben weiß, hätte mich das interessiert. Vom
Katholischen weiß ich ja, dass ein gewisser EInfluss da ist.
Nicht nur zur Kirche gehen, auch Kreuze daheim haben,
Betkettchen, Kinder zur Kommoniun schicken und wie das
abläuft, die Feiertage, Heiligenverehrung, welche es bei den
Protestanten mWn nicht gibt.

Nein, Heiligenverehrung gibt es nicht (nun ja, wobei Luther oder Bonhoeffer gerne mal fast genauso behandelt werden). Der Kirchgang ist allgemein nicht so wichtig, wohl aber natürlich die Konfirmation. Karfreitag ist der wichtigste Feiertag (und wieder sind wir mitten in einem theologischen Thema - Stichworte theologia cruxis, theologia gloriae). Nicht weniger wichtig, wenn auch der Deutschen Einheit geopfert, ist der Buß- und Bettag (wobei die Beichte kein Sakrament ist, sondern nur Taufe und Abendmahl - die Ehe also nicht, ein nicht unerheblicher Grund, warum in der ev. Kirche Wiederverheiratung möglich ist). Nun ja, ehrlich gesagt fällt es mir schwer, einen Alltag der Protestanten zu finden. Die Konfessionelle Identität ist im Protestantismus auch aus historischen Gründen entschieden regional geprägt…
Wenn Du magst, schicke ich Dir ein paar von mir gekürzte Luthertexte, die sicherlich bis heute Ihre Auswirkungen haben für den Alltag der PRotestanten heute. Ich bespreche sie mit meinen Studierenden hier.
Vielleicht nicht uninteressant ist
Graf, Der Prostestantismus, erschienen in der Beck Wissen Reihe
und
Hahn, UDo, Evangelisch für Einsteiger. Das Wichtigste über den Protestantismus
Greschat, Martin: Protestantismus in Europa. Geschichte - Gegenwart - Zukunft. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005

Allerdings hab ich als katholisch geprägte in meiner Vorlesung
schon so manchen Spruch gehört. Nicht dass ich es übel nehmen
würde, sowas wie Humor hab ich doch noch, aber ich will nicht,
dass diese Sprüche berechtigt sind :wink:

Theologen müssen einen derben Humor habe - viel zu oft wird von ihnen erwartet, irgendwie bessere Menschen zu sein.
Grüße
Taju

Karfreitag ist der wichtigste Feiertag

Und wieder schlägt die Vielfalt des Protestantismus zu :wink:. Karfreitag ist hier sicher ein wesentlich wichtigerer Feiertag als in anderen Konfessionen. Aber die Kirchen sind an Weihnachten (und zumindest hier auch Ostern) voller. Von daher würde ich ihn nicht als „wichtigsten Feiertag“ bezeichnen; aber er steht sicher auf der selben Stufe wie Weihnachten und Ostern.

Und er hat eine besondere Prägung - als stiller Tag. Es ist auch auffällig, daß es in vielen Gemeinden Leute gibt, die (fast) nur am Karfreitag in die Kirche gehen (so wie andere fast nur am Heiligen Abend).

Damit steht er sicher für einen typisch protestantischen Zug: Statt Selbstverliebtheit und eigener Pomp neigen die Protestanten eher dazu, sich und die Welt kritisch zu sehen (manchmal vielleicht auch zu kritisch). Nicht umsonst ist die evangelische Kirchenfarbe violett - das steht im Kirchenjahr für die nachdenklichen Vorbereitungszeiten (Advent vor Weihnachten und Passions-/Fastenzeit vor Ostern)…

Gruß, Martinus…

Der Reformationstag der Evangelisch-Reformierten

Guten Tag, Kate

Ich gehöre zu den Evangelisch-Reformierten in der
Schweiz. Davon gibt es bei uns etwas weniger als
Römisch-Katholische.

Die Schweizer Reformierten sind zwischen Zwingli und
Calvin anzusiedeln. Wir sind also nicht Lutheraner und
nennen uns deshalb auch nicht Protestanten. Was meine
Kirchgemeinde nicht daran gehindert hat, eine deutsche
Lutheranerin als Pfarrerin zu wählen. Sie macht ihren
Job sehr gut.

Der Reformationstag ist einer unserer wichtigen
Feiertage. Er wird am ersten Sonntag im November im
Gottesdienst gefeiert. Die Predigt hat dann meist eher
ein historisches Thema aus der Reformation. In manchen
Kirchgemeinden predigt an diesem Tag ein Laie.

Als Bibeltext wird oft Galater 5 gewählt, ein Aufruf
zur Religionsfreiheit.

Der Kirchenchor und die Gemeinde singen u. a. ‚Ein
feste Burg ist unser Gott‘, ein gnadenloses Kampflied,
welches die physische Vernichtung der Katholiken
besingt. Gesungen wird es in meiner Kirche
von der Kantorei der evangelisch-reformierten
Kirchgemeinde, welche mehrheitlich aus Katholiken (!)
besteht. Ich bin in diesem Chor der einzige Angehörige
der Kirchgemeinde (!).

Den Schluss bildet das Abendmahl.

Anschliessend trifft man einander oft zu Kaffee und
Kuchen und Apero.

Freundlich grüsst

Rolfus

Hallo Rolfus,

Der Reformationstag ist einer unserer wichtigen
Feiertage. Er wird am ersten Sonntag im November im
Gottesdienst gefeiert. Die Predigt hat dann meist eher
ein historisches Thema aus der Reformation. In manchen
Kirchgemeinden predigt an diesem Tag ein Laie.

Als Bibeltext wird oft Galater 5 gewählt, ein Aufruf
zur Religionsfreiheit.

Exegetisch möchte ich bezweifeln, dass Gal 5 ein Aufruf zur Religionsfreiheit bedeutet, darum geht es nicht und kann es ja auch kaum gehen bei Paulus, der unseren Begriff der Religionsfreiheit nicht kennt.

Der Kirchenchor und die Gemeinde singen u. a. ‚Ein
feste Burg ist unser Gott‘, ein gnadenloses Kampflied,
welches die physische Vernichtung der Katholiken
besingt.

Weder ist diese Lied ein „gnadenloses Kampflied“ noch feiert es die physische Vernichtung von irgendwen! Außer natürlich, ihr habe in der SChweiz einen anderen Text und nicht Luthers.
Natürlich aber gilt dieses Lied als „Kampflied des Protestantismus“, was es aber eher im 19.Jh geworden ist, als es (in D) weniger um eine physische Vernichtung der Katholiken ging als um die Überzeugung der intellektuellen Überlegenheit des (Kultur)protestantismus.
Doch nicht ohne Grund ist das Lied im Gesangbuch unter „Angst und Vertrauen“ abgedruckt und es sei auch daran erinnert, dass es sich hier eigentlich um einen Psalm handelt. Das Lied hat heute höchst unterschiedliche regionale Bedeutungen- so singt es die Diapora in Österreich in Hochhaltung der Vergangenheit des Geheimprotestantismus (ohne jetzt etwas über histor. Genauigkeit ausgesagt haben zu wollen) anders als die lutherische Mehrheit in Hannover. Wer in dem Lied aber etwas sieht, was jedoch nicht drin steht, also eben die physische Vernichtung von wem auch immer, sollte es lieber nicht singen.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass das „eigentliche“ Reformationslied, da es sich eher auf die reformatorische Entdeckung bezieht, „Nun freut euch, lieben Christen gmein“ ist, ebenfalls von Luther.
Und hier der Text von „ein feste Burg“:
Ein’ feste Burg ist unser Gott,
Ein gute Wehr und Waffen;
Er hilft uns frei aus aller Not,
Die uns jetzt hat betroffen.
Der alt’ böse Feind,
Mit Ernst er’s jetzt meint,
Gross’ Macht und viel List
Sein’ grausam’ Ruestung ist,
Auf Erd’ ist nicht seingleichen.

Mit unsrer Macht is nichts getan,
Wir sind gar bald verloren;
Es steit’t für uns der rechte Mann,
Den Gott hat selbst erkoren.
Fragst du, wer der ist?
Er heisst Jesu Christ,
Der Herr Zebaoth,
Und ist kein andrer Gott,
Das Feld muss er behalten.

Und wenn die Welt voll Teufel wär’
Und wollt’ uns gar verschlingen,
So fürchten wir uns nicht so sehr,
Es soll uns doch gelingen.
Der Fürst dieser Welt,
Wie sau’r er sich stellt,
Tut er uns doch nicht,
Das macht, er ist gericht’t,
Ein Wörtlein kann ihn fällen.

Das Wort sie sollen lassen stahn
Und kein’n Dank dazu haben;
Er ist bei uns wohl auf dem Plan
Mit seinem Geist und Gaben.
Nehmen sie den Leib,
Gut, Ehr’, Kind und Weib:
Lass fahren dahin,
Sie haben’s kein’n Gewinn,
Das Reich muss uns doch bleiben.

Grüße
Taju

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Herrlich.
Erst besingt man die physische Vernichtung der Katholiken und geht
dann zum Abendmahl - dann Kaffee und Kuchen.
Man sollte manchmal doch ein bisschen nachdenken ehe man alles
rausläßt was einem so einfällt.
VIKTOR

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Der Kirchenchor und die Gemeinde singen u. a. ‚Ein
feste Burg ist unser Gott‘, ein gnadenloses Kampflied,
welches die physische Vernichtung der Katholiken
besingt.

Naja, Rolf,
das ist wohl eher eine sehr gewagte Interpretation. Wenn ich mich an meinen (ev.luth.) Religionsunterricht recht erinnere, ist mit dem „altbösen Feind“ wohl eher der „Leibhaftige“ gemeint. Und da tönt das Lied doch gleich ganz anders.
Gruß
Eckard

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Tach Kate,

ein paar Tips hab ich noch für Dich:

Martin Greiffenhagen, Das evangelische Pfarrhaus
Martin Greiffenhagen, Pfarrerskinder. Rückblicke auf ein protestantisches Elternhaus
Ansonsten lohnt sich die Lektüre des westfälischen Wochenblatts „Unsere Kirche“. Die findest Du in fast allen evangelischen Kirchen Westfalens ausliegen.

Im Übrigen dürfte sich der Alltag von Evangelischen und Katholiken heute nicht mehr so dolle unterscheiden. Es mag sein, daß es in der Sozialisation immer noch Unterschiede gibt, aber da begeben wiruns schon auf ein sehr spezielles Gebiet.

Gruß - Rolf

Herrlich.
Erst besingt man die physische Vernichtung der Katholiken und
geht
dann zum Abendmahl - dann Kaffee und Kuchen.
Man sollte manchmal doch ein bisschen nachdenken ehe man alles
rausläßt was einem so einfällt.
VIKTOR

Servus Viktor,

Beobachte mal, was die Leute so machen, wenn sie Kaffe und Kuchen konsumieren. Die Frauen bereden ihre Erfahrungen mit ihren Kindern.
Wenn ein Mann dabei ist, ist er der inaktive Part. Er kommt kaum zu wort und hat höchstens die Stelle eines weiteren Kindes, er sieht schon so gequält drein und muß da mithängen, sonst hängt der Haussegen schief. Als lediger fühle ich mich undendlich glücklich und denke gerne an den Psalm 139. Zum kraulen liebe ich doch ein Kissen mehr als eine weibl. Brust.

Heile

Peter S