Zunächst schicke ich Ihnen mal ein paar virtuelle Knuddler zum Trösten - ich weiß, wie nervenaufreibend solche Phasen sein können. Vor allem, wenn man nicht weiß, wie man sich verhalten soll. Hart bleiben und das Einschlafritual trotz Protesten durchziehen? Nachgeben und ihn wieder aus dem Bett rausnehmen? Aber dann lernt er vielleicht, dass er mit uns machen kann was er will?
Als erstes möchte ich euch beruhigen: Nein, wenn man auf die Belange eines Kindes eingeht und von Regeln und Ritualen bisweilen auch mal abweicht, zieht man sich damit noch lange keinen „Tyrannen“ heran. Das ist ein Ammenmärchen aus alten Zeiten, in denen man noch glaubte, Kinder wären von Natur aus durchtrieben und egoistisch und würden die Schwächen ihrer Eltern sofort schamlos ausnutzen. Ganz im Gegenteil: Ein Kind wünscht sich im Grunde seines Herzens nichts mehr, als dass seine Eltern glücklich und mit ihm zufrieden sind, und Kinder sind aus diesem Grund auch ausgesprochen kooperativ (solange man diese Fähigkeit nicht über Gebühr strapaziert und auch umgekehrt Kooperationsbereitschaft signalisiert). Wenn ein Kind schreit, weint oder sich massiv gegen die Forderungen seiner Eltern wehrt, hat das fast immer einen trifftigen Grund und das Kind braucht in dieser Situation Hilfe. Das Weinen eines Kindes ist nichts anderes als ein Hilferuf. Deshalb wäre es fatal, ihn einfach zu ignorieren und schreien zu lassen!!!
Zugegeben, es ist nicht immer einfach, den Grund für das Weinen zu erkennen. Manchmal hilft nur „Ausprobieren“ - und vor allem eine Portion Geduld! Die aktuelle Schreiphase geht auch wieder vorüber, so viel kann ich Ihnen zumindest schon mal versprechen. Bis dahin würde ich mal sein Gesamt-Schlafpensum überprüfen: Wie viel schläft er mittags und wie viel nachts? Macht er noch zusätzlich manchmal zwischendurch ein Nickerchen?
Achten Sie mehr auf seine Müdigkeitssignale als auf die Uhrzeit: Wirkt er mittags müder, wenn sie ihn ins Bett bringen als abends? Ein Grund für seinen abendlichen Aufstand könnte sein, dass er inzwischen weniger Schlaf braucht und abends einfach noch nicht müde genug ist. Kinder haben eigentlich von Natur aus ein sehr gutes Gespür für ihr Schlaf- und auch Hungerbedürfnis. Erste Überlegungen wären also, ihn entweder abends später hinzulegen, oder den Mittagsschlaf zu kürzen bzw. ggf. ganz wegzulassen. Es gibt viele Kinder, die mit knapp zwei Jahren schon keinen Mittagsschlaf mehr brauchen. Stellen Sie sich aber darauf ein, dass er in den ersten Wochen ggf. mit ein wenig „schlechter Laune“ reagieren wird, weil er am Nachmittag entsprechend müde ist. Der neue Ryhtmus wird sich aber schnell einpendeln. Wenn sie das Gefühl haben, ohne Mittagsschlaf hält er noch nicht durch, dann spricht aber auch nicht dagegen, ihn abends eine Stunde länger wach zu lassen. Lieber etwas weniger Feierabend und ein gut gelauntes Kind, als abendliche Einschlaf-Kämpfe.
Sollten Sie das Gefühl haben, dass er trotz Müdigkeit nicht alleine einschlafen will, könnte die Ursache an einem gesteigerten Nähebedürfnis liegen. Auch das kommt phasenweise vor, je nach Entwicklungsschub Ihres Kindes. Manche Veränderungen und Lernprozesse machen unseren Kindern regelrecht Angst und sie klammern sich verstärkt an uns und suchen Schutz und Nähe. In dieser Phase wäre es z.B. hilfreich, sich gemeinsam mit ihm hinzulegen, bis er eingeschlafen ist, oder ihn zu euch ins Familienbett umzuquartieren. Das ist sicher nicht für alle Eltern die bevorzugte Lösung, auch wenn die Kinder von dieser körperlichen Nähe in aller Regel enorm profitieren. Aber vielleicht haben Sie ja auch die Möglichkeit, ihn schlafend umzubetten oder sich in seinem eigenen Bett daneben zu legen, bis er eingeschlafen ist. Auch leise Musik und eine offen gelassene Zimmertüre können ggf. helfen.
Zu Guter letzt sind aber auch körperliche Ursachen nicht ganz auszuschließen. Der Körper unterliegt einem eigenen Biorythmus. Gerade Wachstumsschübe oder ein neuer Zahn, der sich durch den Kiefer bohrt, verlagern sich häufig auf die Abend- und Nachtstunden und können dann unangenehme Beschwerden verursachen.
So oder so möchte ich Ihnen empfehlen, auf Ihr Bauchgefühl zu achten. Wenn Sie das gefühl haben, dass er sich wirklich schwer tut - egal ob er noch nicht müde genug ist oder ihm etwas weh tut oder andere Sorgen plagen - nehmen Sie ihn ernst und zwingen Sie ihn nicht gegen seine Bedürfnisse einzuschlafen. Ein gesundes, müdes und zufriedenes Kind kann in aller Regel ohne Zwang und ohne Tränen einschlafen. Sein Weinen hat einen Grund. Nehmen Sie ihn wieder raus aus dem Bett, trösten Sie ihn, zeigen Sie Verständnis. Schon alleine das kann Wunder wirken, denn Ihr Sohn spürt Ihre eigene Stimmung, merkt wenn Sie nervös und angespannt oder wütend sind und kann dann nur umso schlechter einschlafen. Oder können Sie etwa gut schlafen, wenn Sie sich gerade mit Ihrem Mann gestritten haben? Wahrscheinlich liegen Sie dann noch lange wach und grämen sich über das, was zwischen Ihnen vorgefallen ist. Sehen Sie, und Ihrem Sohn geht es da auch nicht anders. Er braucht das gute Gefühl, das alles in Ordnung ist. Es ist fatal, aber je mehr Sie wollen, dass er einschläft, desto weniger wird es ihm gelingen. Leider.
Lassen Sie öfter Fünfe grade sein, versuchen Sie nicht mit aller Gewalt konsequent zu bleiben, machen Sie sich locker, kuscheln Sie mit Ihrem Sohn, versuchen Sie herauszufinden, was ihn quält und seien Sie versichert: Es geht wieder vorbei.
Zwei kleine Anmerkungen noch, auch für künftige Herausforderungen:
- Es gibt keine Gewohnheit, die sich nicht auch wieder ändern ließe.
und 2. Wenn Sie schon konsequent sein wollen, dann richten Sie sich konsequent nach der Verfassung Ihres Kindes: Geht es ihrem Kind gut, dann fordern Sie es, geht es ihm schlecht, dann seien Sie nachgiebig! Und achten Sie immer auf den Gesichtsausdruck Ihres Kindes, er ist der Spiegel seiner Seele.
Viel Erfolg und noch viele glückliche Familienstunden wünsche ich Ihnen!
Anke Merau