Einschulung und Trauerfall im Kollegium

Hallo Ihr Lieben!

Bei uns ist erste Schulwoche, ich hab grad drei Tage lang die Friseure eingeschult.
Nun habe ich morgen meine ersten Deutschklassen, die ich sonst gern gut gelaunt begrüße und kennenlerne. Nur: Heute mittag haben wir erfahren, dass sich ein Kollege das Leben genommen hat. Er war so ein Netter! Und je später der Tag wird, desto trauriger macht mich das und ich merke, ich kann das morgen nicht überspielen. Aber ich kann 16-18-jährige Schüler, die ich das erst Mal sehe, auch nicht mit so etwas konfrontieren.
Ich hab so gar keine Idee, ich bin einfach nur so traurig…
any ideas?
Danke

Hi,

sag ihnen ein gewisses minimum. Dass Du Dich freust, sie kennenzulernen, dass Du aber nicht fröhlich sein kannst, weil es dir nicht gutgeht. Dass sie nichts dafür können, und es Dir bald wieder besser gehen wird.

die Franzi

Hi Franzi!

Mit dieser Formulierung habe ich gewisse Erfahrungen, und deshalb möchte ich die gerade vermeiden. Bei meiner Klientel wird sowas schnell als Schwäche aufgefasst und das halte ich für den ersten Kontakt für ziemlich unglücklich.

Ich weiß auch nicht, was ich machen soll. Es ihnen sagen finde ich zu heftig. Gar nichts sagen - da wundern sie sich, was mit der Neuen los ist. Ich überlege ihnen unter einem Vorwand irgendeine Aufgabe zu geben…

ach, ich weiß es nicht

Hallo,

das tut mir sehr leid. Der Tod eines Kollegen ist schon schlimm, und ein Suizid hat noch mal eine ganz eigene Wucht. Nicht einfach, wenn Du dann funktionieren musst.

Ein paar unterschiedliche Gedanken, schau, ob was passt:

Ich kenne Deine Schule nicht, aber meinst Du nicht, dass die Nachricht sowieso sehr schnell die Runde macht? Dann ist es vielleicht besser, Du sagst es Ihnen als sie kriegen es direkt über den Pausenflurfunk gerüchteweise mit.

Eine Idee wäre, Franzis Sätze allgemeiner zu formulieren und so von Dir selbst etwas wegzurücken: Ihr habt vielleicht schon gehört, dass an der Schule etwas Schlimmes passiert ist, deswegen ist die Stimmung hier gerade etwas gedrückt. Das hat nichts mit Euch zu tun, wir freuen uns auf Euch. So, und jetzt möchte ich Euch kennenlernen.

Ich denke, der Fokus sollte dabei auf den Schüler/innen liegen: „Für Euch ist es vielleicht komisch, in so eine Stimmung an der neuen Schule zu kommen, Ihr kanntet ja den Lehrer auch gar nicht. Ich will Euch herzlich willkommen heißen, und wenn es heute nicht ganz so fröhlich zugeht, wisst Ihr jetzt, woran es liegt. Deswegen fand ich es fair, es Euch zu sagen.“

Das Thema Suizid zieht sicher Interesse auf sich, deswegen lieber vorher überlegen, wo und wie Du die Grenze ziehst. Vielleicht mit Verweis auf die Privatsphäre des verstorbenen Kollegen und seiner Familie? Evtl. erstmal nur sagen „Ein Lehrer ist gestorben“. Die Nachfrage, woran, kommt wahrscheinlich sowieso. Dann musst Du eine Antwort haben - entweder ehrlich oder mit der Notlüge „Ich weiß noch nichts Genaues“. Ist nur blöd, falls der Flurfunk es doch schon gemeldet hat.

Oder ganz anders: Darauf vertrauen, dass das gewohnte Vorgehen so wie sonst auch Dir für die Schulstunden Stabilität geben wird. Dass Du weniger fröhlich sein wirst als sonst - ja, das ist dann einfach so. Es wird weitere Stunden geben und sie werden Dich besser kennenlernen. Die Interaktion mit ihnen schiebt für Dich vielleicht die Stunde(n) über die Trauer etwas zur Seite. Sie darf danach ja wieder kommen.

Oder, ja, eine Aufgabe, irgendwas zum Kennenlernen? Hast Du ein Deutschspiel oder so etwas, wo sie beschäftigt sind, was Spaß macht und Du nicht so viel agieren musst?

Ich glaube, Du tust Dir was Gutes, wenn Du Dir zugestehen kannst, dass Du in anderer Verfassung bist als in anderen Jahren und dass das sein darf. Alles andere ist wahrscheinlich sekundär.

Vielleicht kannst Du Dich dann auch auf Dein Gefühl verlassen, ob sie schon was mitgekriegt haben und es gut ist, es anzusprechen, oder ob es besser ist, es beiseite zu stellen.

Alles Gute für morgen!

Jule

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Klar, da sollten sie alt genug sein um auch so was zu verstehen. drücke dir die Daumen f+ür den heutigen Tag, meistens geht das darüber Sprechen einfacher als gedacht, vor allen wenn man angefangen hat darüber zu reden.

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Die Schüler werden den Todesfall sehr schnell mitbekommen. Wenn Du nun nichts davon sagst, kann der Eindruck der Gefühlskälte der Lehrer entstehen.

Ich sehe auch keinen Grund, den Schülern nichts zu sagen.

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Hi,
Verheimlichen kannst du deine, sagen wir mal, anderelaune nicht.
Numm die Laune, wie sie ist, sieh zu, dass du sie nicht an den Schülern auslässt, und halte eine emotional neutrale Stunde. Nächstes mal bist du dann halt fröhlich.
Edit: nach lektüre der anderen beitrögekehre ich zu meiner Ausgangsposition zurück, in der mutigen Version: sprich Klartext. Unterschätze die Schüler nicht. Ich kann deine Sorgen verstehen, aber über den Tod lachen auch
teenager nicht.stellenursicher, dass du ihnen auch Gelegenheit zum reden gibst, falls jemand etwas sagen möchte, und dass du wieder zum Alltag zurückkehrst, zu etwas hoffnungsfroherem. Sie müssen wissen, dass sie nicht schuld sind und keine Verantwortung für deine Stimmung tragen. Und dass sie geholfen haben, indem sie dir zugehört haben. Die können das.

Die Franzi

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Sehr schön formuliert.

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Hi Jule!

Hab deinen Beitrag eben gelesen, habe es aber heute letzenendes genauso gemacht. Ich bin sehr situativ rangegangen und hab der ersten Klasse (die, die neu ist) gesagt, dass halt ein Kollege plötzlich gestorben ist und ich deshalb vielleicht nicht ganz so ausgelassen bin. Das war genug Information in dieser Klasse.
Ich hab mich dann an Standardprozessen festgehalten (Namenliste, Fotos machen, Bewertungskriterien erklären, Themenabsprache) und das war gut so. Zwischendrin war ich dann doch etwas ausgelassener - und bekam dafür gleich die fast vorwurfsvolle Bemerkung, dass ich ja doch gut gelaunt sei. Das meinte ich damit, dass die nicht immer damit umgehen können.
Ich glaube aber, dass ich das richtig gemacht hab in dieser Klasse.

Bei meinen Friseuren hab ich erst nichts gesagt, die waren schon ziemlich mies drauf als ich nach der Mittagspause bei ihnen begann, und als sie am Arbeiten waren kam die Bemerkung ich sähe so schlecht gelaunt aus, als ich mal einen Moment in Gedanken versank. Denen habe ich ganz klar gesagt was passiert ist, da gab es dann echte Betroffenheit, Nachfragen, Mitgefühl und viele Fragen zum Thema Suizid. Ich denke, dass das auch in dieser Klasse richtig war, es so zu handhaben.

Ich denke, ich kann mich immer auf mein Gefühl verlassen, ich sollte ihm nur vorher mehr vertrauen.

Am Ende der Stunde stellte ich dann fest, dass ich mit dem falschen Unterrichtsstoff begonnen hatte, nicht dem fürs 2., sondern fürs 3.Lehrjahr. Was soll’s…

Vielen Dank und liebe Grüße
Diva

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Hallo Diva,

manchmal braucht man es ja einfach, alles mal aufzuschreiben und das Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit wiederzugewinnen. Freut mich, dass Dir das so gut gelungen ist.

Ich finde, das ist eher ein Zeichen dafür, dass sie es ernst genommen haben. Jugendlichen ist ja oft eine unmittelbare emotionale Authentizität sehr wichtig. Sie haben sich gemerkt, dass Du Grund hast, ernst zu sein, und es fiel ihnen auf, dass da - aus ihrer Sicht - eine Diskrepanz war, als Du innerlich gerade woanders warst.
Und sie haben sich getraut, Dich darauf anzusprechen. Ist doch was.

Jo, wenn man durch den Wind ist, kann das vorkommen. Wird ihnen nichts schaden.
Dass mit ihnen ein echtes Gespräch über den Suizid möglich war, ist doch ein Zeichen, dass sie Dir vertrauen. Hut ab für diesen Schultag, und jetzt tust Du Dir hoffentlich was Gutes?

Viele Grüße,
Jule

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Das ist ja wirklich sehr lieb von dir, Jule.

Ja, ich war gestern schon Radfahren, um den Druck wegzustrampeln und hatte mir dann ne fette Pizza bestellt. Und jetzt esse ich gerade den Salat und werd einen ruhigen Abend machen - und morgen auf mein Improvisationstalent vertrauen.

Danke dir nochmal ganz herzlich!

Diva

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Hi,

Ich denke auch, dass die Reaktion der Schüler einz Zeichen ist, dass sie zugehört ähaben und die Situation ernst nehmen. Und sie trauen sich, einer neuen Lehrkraft so eine Frage zu stellen. Man darf auch nicht vergessen, dass die Schüler in dem Alter nicht wissen, was Tod ist, die meisten haben noch niemanden verloren. Und sie wissen nicht, wie man damit umgeht.

Die Franzi

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