Hallo,
mE liegst Du gleich in zwei zentralen Punkten schief.
Zum Einen geht es beim UP um die Frage, ob ein AG bei Abschluß
eines Arbeitsvertrages rechtssicher den Verzicht auf
gesetzlichen Mindesturlaub und den Verzicht auf die
Ersatzleistung der Abgeltung vereinbaren kann.
Dies hast du letztendlich mit Ja beantwortet und dies ist
falsch, da es sich bei den zu Grunde liegenden Bestimmungen
der §§ 1 und 3 Abs. 1 um zwingendes, nicht abdingbares Recht
handelt.
der UP hat doch den sachverhalt konkretisiert:
Ok. Angenommen, der AG stellt dem AN den Verzicht auf einen Teil des diesem (nach Beendigung eines zeitlich befristeten Arbeitsverhältnisses) zustehenden Urlaubsersatzgeldes als Vorbedingung für eine [gedankl. ergänzung: erneute] Beschäftigung, wäre eine solche Vereinbarung ebenfalls unwirksam?
es bestand also bereits einmal ein AV, aus dem der abgeltungsanspruch entstand. nun möchte der AG wieder ein AV mit dem AN, allerdings soll dieser auf diesen früheren anspruch verzichten ?! (so habe ich jedenfalls den SV verstanden…)
es geht also nicht darum, auf einen künftigen -noch nicht fälligen- anspruch zu verzichten. und dies ist -noch einmal- möglich, weil § 7 IV burlg ein bloßer abgeltungsanspruch ist.
Eine derartige Klausel wäre wohl nichtig, mindestens aber
rechtswidrig und könnte vom AN jederzeit angefochten werden.
abgesehen davon, dass dies nicht der fall ist, ist eine einzelne klausel nicht „anfechtbar“. dieses von dir behauptete gestaltungsmittel gibt es im deutschen recht nicht… (entweder die klausel ist nichtig oder sie ist es nicht… eines gestaltungsakts seitens des AN bedarf es hierzu nicht; vielleicht meinst du aber mit „anfechtung“ die feststellungsklage ?!)
Zum Zweiten ist die von Dir angegebene Entscheidung (BAG 9 AZR
652/10) nicht so weitreichend, wie von Dir interpretiert.
Die sog. „Surrogatstheorie“ bezog sich nämlich lediglich
darauf, daß es für den Anspruch aus § 7 Abs. 4 BUrlG
(Geltendmachung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses)
keine eigenständigen Form-und Fristvorschriften für die
Geltendmachung dieses Anspruches gab und diese daher dem
relativ restriktiven „Fristenregime“ des BUrlG unterliegen
sollte.
uh, da warst du aber lange im winterschlaf. ich habe übrigens bewusst nur diese eine entscheidung ausgewählt, weil sie auch für laien sehr verständlich ist. es gibt natürlich eine reihe anderer urteile, aber da du den erfurter hast, kennst du sie bestimmt…
die surrogatsrechtsprechung besagte, dass der abgeltungsanspruch iSd § 7 IV burlg ein surrogat für den urlaubsanspruch aus § 7 III burlg ist, d.h. ein abgeltungsanspruch nach § 7 IV burlg entsteht nur, wenn die übertragungsvorschriften („fristenregime“) nach § 7 III burlg vorlagen.
Nur dies hat das BAG aufgegeben und damit den Anspruch aus § 7
Abs. 4 BUrlG (und nur diesen) unabhängig von der
Arbeitsfähigkeit den allgemeinen Verjährungsfristen lt. Gesetz
oder TV unterworfen. Dadurch ergibt sich für viele AN (wie im
verhandelten Fall, bei dem im Arbeitsvertrag eine zu kurze
Ausschlußfrist vereinbart war) eine Verbesserung bei der
Geltendmachung ihrer Ansprüche.
richtig, nun ziehe aber bitte die rechtlichen konsequenzen hieraus (dazu braucht man keine jur. ausbildung):
das bag gibt die surrogatsrechtsprechung auf und proklamiert ausdrücklich einen reinen geldzahlungsanspruch. das bag unterwirft den anspruch aus § 7 IV burlg den verfallfristen und hält die allg. verjährungsfristen für anwendbar.
die konsequenz ist, dass auch auf den anspruch aus § 7 IV burlg (nachträglich) verzichtet werden kann, vgl. hier. (das ist natürlich nur ein beispiel, vllt hörst du ja auf andere …)
Diese Entscheidung hat aber mit der Unabdingbarkeit des
Anspruches nach §§ 1 und 3 Abs. 1 BUrlG und des daraus uU
resultierenden Abgeltungsanspruchs bei Beginn und während des
Arbeitsverhältnisses erst mal überhaupt nichts zu tun.
das habe ich auch nicht behauptet ?! wie gesagt, der fall hier war so gestaltet ist, dass der abgeltungsanspruch bereits entstanden und fällig ist…
Im Übrigen sind die Folgen von Schultz-Hoff bei Weitem nicht
so dramatisch, wie Du das darstellst, da sie sich im
wesentlichen nur auf § 7 Abs. 3 und 4 (Verfall/Abgeltung bei
Beendigung des Arbeitsverhältnisses) beschränken. Die
Folgeentscheidungen des BAG sind in der arbeitsrechtlichen
Literatur gut erläutert und auch im Zusammenhang dargestellt.
Alle anderen Grundsätze des Urlaubsrechts sind von
Schultz-Hoff grundsätzlich nicht tangiert.
genau, die aufgabe der surrogatsrechtsprechung hat fast keine auswirkungen auf das urlaubsrecht (vor allem nicht auf „karteileichen“ in betrieben… du scherzkeks…)
p.s. das urteil von 1966 (az: 5 AZR 408/65) solltest du wirklich einmal lesen und in den kontext zu fall setzen…