Einstiegsgeld und gesetzliche Krankenversicherung - keine 0815 Frage!

Hallo zusammen,

erstmal vielen Dank, dass ihr euch meiner Frage annehmt.

Natürlich wurde die Thematik „Einstiegsgeld und Krankenversicherung“ hier schon oft rauf und runtergebetet, einige Fragen konnte ich mir bisher trotz Recherche aber nicht beantworten. Deshalb hoffe ich auf euch Experten:

  • meine Ausgangssituation:

  • ich habe Architektur studiert und 1 Jahr bis dato gearbeitet

  • beziehe derzeit Hartz4 

  • möchte mich Selbstständig machen (als "beratender Ingenieur, Architekt darf ich mich erst nennen wenn ich in der Architektenkammer bin, Voraussetzung hierfür: 2 Jahr Praxiserfahrung)

So, ich stehe nun vor der Entscheidung, wie ich meine Selbstständigkeit am besten in die Tat umsetze.

Mögliche Szenarien:

Szenario 1: ich beziehe weiter Hartz4 und baue mir mein Gewerbe „nebenbei“ auf

–> hierzu meine Fragen:

a) nehmen wir an, mein Hartz4 wird für weitere 6 Monate bewilligt und ich verdiene „nebenberuflich“ sehr viel Geld (zur Vereinfachung: 10.000 €). Wie würde die Verrechnung dann ablaufen? Ich würde mich ja bei der ARGE melden müssen, dass ich nebenberuflich selbstständig bin. Auch beim Finanzamt etc… Dann würde ich monatlich der ARGE mein Einkommen zukommen lassen und die ARGE setzt fest, wieviel ich zurück zahlen muss. Was ist dann allerdings mit der gesetzlichen Krankenversicherung, welche die ARGE für mich gezahlt hat? Muss ich die auch erstatten?

aa) Wenn ich jetzt 6 Monate lang gut Geld verdient habe und das Amt mir deshalb (zu Recht!) kein Hartz4 mehr zahlt, kann ich dann immer noch EInstiegsgeld beantragen weil ich ja dann jetzt vorhabe, mich hauptberuflich selbstständig zu machen?

Szenario 2: ich mache mich „vollzeit“ selbstständig und BEANTRAGE Einstiegsgeld

–> hierzu meine Fragen:

b) wie läuft das Ganze „technisch“ ab? dem Antrag auf Einstiegsgeld ist ja die Gewerbeanmeldung zuzufügen. Wenn ich mein Gewerbe nun anmelde, bin ich doch nachdem ich mich auch bei der ARGE gemeldet habe dass ich mich selbstständig machen möchte, ab diesem Zeitpunkt (nehmen wir an 01.03) selbstständig. Falle ich dann automatisch aus der gesetzlichen Krankenversicherung (über die ARGE) raus?

c) müsste ich mich dann in Unwissenheit darüber, ob mir das Einstiegsgeld gewährt wird, bei der gesetzlichen Krankenversicherung anmelden und die zu entrichtenden Beiträge eigenständig zahlen? Das könnte ziemlich schief gehen, da ich ohne das Einstiegsgeld die erste Zeit nicht über die Runden kommen werde. Weil über das Einstiegsgeld wird ja erst im Nachhinein entschieden, wenn das Business also gewissermaßen schon steht.

d) mein Fallmanager hat mir nach einem Telefonat lediglich einen Fragebogen (ähnlich dem Businessplan) zugeschickt und NICHT den Antrag. Heißt also, wenn ich mein Business jetzt aufnehme (z.B. zum 01.03), mein Fallmanager mir den Antrag aber erst zum 01.04 „aushändigt“ (er sagte mir, er würde mir den Kram nach der Beantwortung des Fragebogens und nach der Begutachtung des Businessplans erst geben), kann ich also nicht mehr rückwirkend zum 01.03 Einstiegsgeld beantragen, wäre also in diesem Monat Mittellos. Habe ich das richtig verstanden?

e) Nehmen wir an ich bin - unabhängig vom Einstiegsgeld - selbstständig und habe in einem Monat keine Einkünfte. Muss ich dann - sofern es nicht anders geht - Hartz4 beantragen? 

Ich hoffe ihr könnt meine Fragen weitgehend verstehen. Ansonsten fragt gerne nach! Nochmal vielen lieben Dank im Voraus, echt toll das Forum hier…

Beste Grüße
Nico

Moin!

Zunächst einmal: Es ist gar nicht so unüblich freiberuflich als Archithekt zu arbeiten ohne in der Kammer zu sein. Manche bleiben ein ganzes Berufsleben lang „beratender Ingenieur“. Bei dieser Art von selbständiger Tätigkeit erfolg die Anmeldung nicht als Gewerbe, sondern über das Finanzamt. Sie bekommen dann schlicht eine schriftliche Bestätigung und vor allem Ihre Einkommenssteuernummer.

Ihre Selbständigkeit setzen Sie übrigens m.E. am besten um indem Sie mit Start bereits mindestens an einem Projektauftrag arbeiten. Dann kommen auch schneller Erlöse. Aber das wissen Sie ja auch, denn Sie kalkulieren ja im Bestcase bereits mit rund € 10.000,- Überschuss in den ersten 6 Monaten (Bewilligungszeitraum).

Zu Ihren Szenarien:

1a)

Sollten Sie innerhalb des Bewilligugszweitraumes anerkannte Überschüsse oberhalb des Schonertrags (liegt je nach Bedarfsgemeinschaft zwischen € 100 und 150,-) erwirtschaften, wird ein um so höherer Teil vom bisherigen mtl. Leistungsbezug idR. als Darlehn mit mtl. „Tilgung“ (Einbehalt) zurückgefordert. Auch wenn Sie dann ganz rausfallen bleibt davon der KV Beitrag unberührt.

1aa) Solange Sie in Bezug sind, können Sie immer Anträge Stellen. Ob diese gewährt werden wage ich aber zu bezweifeln. Man könnte im Amt dieses Szenarie mit einer gewissen Berechtigung auch als Sozialschmarotzertum empfinden. Warum soll Ihnen das Amt, dass für absolute Bedürftigkeit steht Geld schenken wo Sie doch bereits bewiesen haben, dass Sie keine Almosen brauchen? Bedenken Sie eines: Einstiegsgeld ist wie der Gründungszuschuss (ALG I) eine „Kann-Leistung“; Sie benötigen neben eigenem Wissen und ggf. einen guten Gründercoach vor allem das Wohlwollen der Behörde.
Diese Variante (Mittels Einstiegsgeld aus der Nebenerwerbs- in die Haupterwerbs-Selbständigkeit) hat m.E. nur eine Chance auf Anerkennung, wenn Sie „nicht so gut“ Geld verdient haben, aber eine sehr gute Prognose!

2b) Die Kernfrage ist bereits weiter oben und unter 1a) beantwortet. Abgesehen davon: Rein formell ist es dem JOBCENTER egal ob sie bedürftig sind weil Sie keinen Arbeitsplatz oder weil Sie als Selbständiger (noch) nicht genug Aufträge haben. Entscheidend für einen Rausfall aus dem Bezug ist Ihre Bedürftigkeit. Und oft Ihre sogenannte Mitwirkung.

2c)

Bereits unter 1a) und 2b) beantwortet. Nochmal: Solange Sie mindestens 1 Euro Leistung bekommen, sind Sie über das JC Krankenversichert. Davon ab: KV  melden sich ganz von alleine, wenn das Amt nicht mehr zahlt. Bei den GKV kann ich sagen, dass hier eine relativ hohe Zeittoleranz besteht.

2d)

Klären Sie die Frage nach dem was wann am besten mit ihrem Fallmanager direkt; ggf. mit Unterstützung durch einen Gründercoach. Und auch hier noch einmal: Im Gegensatz zum Gründungszuschuss (ALG I) entfällt ihre Bedürftigkeit ja nicht mit Ihrem Statuswechsel.

2e)

Niemand MUSS Harz IV beantragen; es sein denn es treibt ihn die Bedürftikeit oder Gier über seine Schamgrenze. In manchen Gewerben macht es sich auch nicht wirklich gut, wenn die Kunden wissen, dass man…man riecht dann nach „Erfolglos“.

Jeder Selbständige kann jederzeit - bei Eintritt  einer vorübergehend anhaltenden Bedürftigkeit, Harz IV beantragen und sein Gewerbe weiterführen. Dies geschieht dann idR. zur „Überbrückung einer kurzfristigen Situation“. Von einem Unternehmer, gerade in Ihrer Branche ist allerdings zu erwarten, dass er einen Monat überbrücken kann. Gehört zum Alltag. Für 1 Monat lohnt sich m.E. der Aufwand und das „Nacktmachen“ bei JC   idR. nicht.

Noch Fragen? Good Luck!

StefanR