Hallo bixie,
mein Mann wurde zwar „nur“ (plötzlich, schnell, unerwartet) durch Krebs getötet, aber ich meine, dass ich trotzdem hierzu meine Haltung darlegen darf.
Sie werden für ihre Haltung häufig bewundert und sagen ja auch
selber, sie wollen „anderen Menschen zeigen, wie man mit so
einem Schicksalsschlag fertig werden kann“.
Das kommt mir bekannt vor - und da sind sie in ihrer Trauerarbeit um einiges weiter als andere.
Ich muss sagen, mich gruselt eher ein bisschen, wenn ich sie
sehe, und möchte sie mir keineswegs als Vorbild nehmen für
Trauerverarbeitung.
Warum? Weißt Du, was in den ersten Wochen/Monaten abgelaufen ist? Weißt Du, wie häufig sich die Trauer immer noch in den Alltag einschleicht? Weißt Du, wie dankbar man ist, über den Tod reden zu können, ohne gleich wieder in Tränen auszubrechen? Weißt Du, wie es ist, wenn Deine Freunde schon fast irritiert sind, wenn Du nach einiger Zeit „abgeklärt“ über das Dahinvegetieren des krebskranken Mannes erzähltst, Dir es aber dabei gut tut und Du auch „stolz“ auf Dich bist?
Sicher ist es gut, sich nicht in Hass auf den Mörder zu
zerfleischen - aber Gefühle wie Wut und auch Hass sind auch
menschlich bei solchen Tragöden.
Ja, sie sind sehr menschlich. Ich habe die Ärzte gehasst, die uns so viele Hoffnungen gemacht haben, ich habe meine Schwiegermutter gehasst, die mit ihrer Penetranz meinem Mann zusätzlich Stress bereitet hat. Ich habe meine Schwester gehasst, die alles abgebügelt hat.
Aber dieser Hass/die Wut lässt nach, weil man merkt, dass es einem Selbst nicht hilft - er auch gar nicht zu einem passt.
Hass und Wut sind eben auch immer Ausdruck von Hilflosigkeit. Irgendwann kommt man an den Punkt, an dem der Verstorbene und die Gefühle für ihn wichtiger sind.
Mir kommt die Reaktion
besonders der Frau nicht glaubhaft vor, ich verumute
religiösen Fanatismus dahinter.
Was sollte hierbei religiös sein?
Ich vermute auch, dass sie unermesslichen Schuldgefühle, die
man hat, wenn man nicht bemerkt, dass das eigene 10jährige
Kind nachts nicht nachhause kommt, durch dieser Haltung auf
Abstand gehalten werden sollen.
Ich kann mir beileibe nicht vorstellen, dass die Schuldgefühle nicht da waren/sind. Es ist bloß die Frage, wie man damit umgeht. Vorwürfe macht man sich immer - aber man kann definitv niemanden brauchen, der die Schuldgefühle auch noch nährt.
Ihr Mann wirkt auf mich noch weniger überzeugend - er scheint
wie erstarrt vor Trauer und als wäre er noch gar nicht fähig
gewesen, seinen eigenen Standpunkt zu der Tragödie zu finden.
Du erwartest von Trauernden Überzeugungsfähigkeit? Jeder geht anders mit der Trauer um: Viele ziehen sich zurück, vielen hilft es zu reden, viele ignorieren sie.
Bei Trauer gibt es kein Richtig oder Falsch, aber einen gewissen Zeitrahmen, der bei Überschreitung „ungesund“ sein kann.
Vielleicht steht ihm ein Großteil von Trauer und Verzweiflung
noch bevor.
Ich möchte eher mal vermuten, dass er bereits mittendrin steckt.
Bei beiden habe ich den Eindruck, dass sie versuchen, über
Religion den Weg durch Trauer, Wut und Verzweiflung zu umgehen
- und dass das tiefe Loch für beide vielleicht erst noch
kommt.
Zu welchen „Trauermethoden“ rietest Du denn?
Trauer ist ein Prozess der Wut, der Verzweiflung, des Redens, der Hoffnung, der Vorangehens, des Schweigens, des Rückzugs, des „Besser-Machens“…
Mein Mann soll auch nicht „umsonst“ gestorben sein. Wenn ich der Nachwelt irgendetwas an meinen Gedanken, Erfahrungen mit seinem Krebs-Tod hinterlassen kann, dann fühle ich mich besser!
Aber jeder geht eben anders mit Trauer um!
Viele Grüße
Kathleen