Ende des römischen Atrium-Hauses

Basierend auf etruskischen Vorläufern war das Atrium - ein Raum mit Dachöffnung, um den sich die anderen Zimmer gruppierten - über viele Jahrhunderte hinweg ein zentrales Element der römischen Architektur.

Wann und warum wurde insbesondere auf der italienischen Halbinsel dieser Baustil aufgegeben?

:paw_prints:

Das atrium gehörte zu dem Teil des domus, das als pars urbana (sinngemäß der „öffentliche Teil“) bezeichnet wird und war dessen Zentrum. Es war insbesondere der Teil des Hauses, in dem die sozialen Riten der patronus / cliens - Beziehung inszeniert wurden. Entsprechend diente er als Empfangsraum (insbesondere für die salutatio) und auch als Vorzimmer / Wartezimmer für das tablinum (das „Büro“ des patronus). Dem öffentlichen Charakter des atrium entspricht auch, dass sich hier oder in den mit dem atrium in Verbindung stehenden alae (funktional unbestimmte Zimmer) gewöhnlich auch das lararium (der „Hausschrein“) fand sowie die Totenmasken aufbewahrt wurden. Die seitlich vom atrium abgehenden cubicula (Schlafräume) verloren ihre Funktion bereits recht früh, als es üblich wurde, die um das peristyl angeordnete pars rustica (den privaten Teil des domus, wesentlich durch griechische Vorbilder inspiriert) durch ein Stockwerk zu ergänzen, das dann für Schlafräume Platz bot.

Diese ausführliche Darstellung zur Verdeutlichung, dass das atrium ganz wesentlich eine soziale / öffentliche Funktion hatte - eben dieser Funktion folgte auch das architektonische Modell. Die soziale Inszenierung der patronus / cliens - Beziehung in dieser Form war typisch für die (späte) Republik und erfuhr in der Kaiserzeit einen deutlichen Wandel. Die durch den Vesuvausbruch 79 in Pompeii konservierten domuus stellen schon einen Endpunkt der Entwicklung dieser Hausform dar. Insbesondere im 2. Jahrhundert zeigt sich das Bedürfnis nach repräsentativeren Empfangs- und Audienzräumen, die dann zunehmend zum peristyl hin ausgerichtet werden. Einen Modell- und Vorbildcharakter hat dabei natürlich die imperiale Architektur. Solche Audienzräume ersetzten in ihrer Funktion atrium und tablinum, wodurch diese entbehrlich wurden und allmählich verschwanden. Ein typisches Beispiel für die Übergangsphase ist das Haus der Vettier in Pompeii, wo das atrium direkt in das peristyl übergeht und ein ‚klassisches‘ tablinum fehlt.

Literaturempfehlung:
https://press.princeton.edu/titles/5426.html und
http://www.cambridge.org/us/academic/subjects/arts-theatre-culture/architecture/roman-house-and-social-identity?format=PB&isbn=9780521735094#c1AoudWWgAVT4xAR.97
Hier eine Rezension zu Shelley Hales’ Arbeit: http://www.sehepunkte.de/2005/03/6931.html#fna1

Freundliche Grüße,
Ralf