Endungen der Ortsnamen

Beim Vergleichen von Ortsnamen fällt auf, daß in bestimmten Gegenden immer die gleichen Endungen verwendet werden: z.b. -heim(?), -burg(in Burgnähe), -ow (slawisch: in östlichen Gebieten), -au(?in Wiesennähe), -tann,-rode(in Waldgebieten).

  1. Kann man irgendwo eine Systematik erkennen oder nachlesen?
  2. Worauf deutet denn die Endung -lar (Wetzlar, Goslar, Fritzlar usw.) hin?
    Gruß Martin

Hallo Martin,

da hast du dir ein interessantes Kapitel der deutschen Sprache rausgesucht.

Ganz kurz nur:

-heim

= Siedlung, Heimat eines Stammes, eines Clans, einer Sippe, von fränkischen Siedlern bevorzugt; alamannische haben dafür: -ingen

-burg(in Burgnähe)

richtig, kann aber auch Stadt im Sinne von befestigter Platz bedeuten

-ow (slawisch: in östlichen Gebieten)

auch richtig

-au (?in Wiesennähe)

nicht ganz, meint eher von Wasser umgeben, am Wasser; vgl. Reichenau, Mainau, Lindau im Bodensee

-tann,

in der Nähe von einem Tannenwald

-rode(in Waldgebieten)

gerodetes Gebiet

  1. Kann man irgendwo eine Systematik erkennen oder nachlesen?

Natürlich! Hier ist ein Ansatz:
Die Wahrheit über Deppenhausen von Wolf-Henning Petershagen, ISBN 3-8062-1442-5 Buch anschauen [Buch anschauen].
Im Buch wird auf eine Menge Literatur verwiesen.

  1. Worauf deutet denn die Endung -lar (Wetzlar, Goslar,
    Fritzlar usw.) hin?

Da eben lässt mich das genannte Büchlein im Stich, da es nur baden-württembergische Ortsnamen erklärt. Es könnte sich aber auf ein Gewässer beziehen.

Gruß Fritz

Hallo Fritz, na das ist doch schon mal ein Anfang. Vielen Dank Martin

Hallo Fritz!

Ich habe auch schon öfter gelesen, dass die Endung auf -heim auf eine fränkische Siedlung hindeuten soll. Nun gibt es aber auch einige Orte mit dieser Endung, die nördlich der alten Stammesgrenze zwischen Franken und Sachsen auf dem Rothaarkamm liegen. Wie ist das zu erklären?

Viele Grüße und im Voraus vielen Dank!

Christoph

Hallo Christoph,

dafür gibt es mehrere mögliche Erklärungen.

Die Grenze zwischen den alamannisch besiedelten Gebieten hat sich nach der Schlacht von Zülpich das erste Mal und später vielleicht noch mal verschoben, so dass spätere fränkische Siedlungen auf früherem alamannischen Gebiet entstanden, wodurch dann neben einem älteren -ingen-Ort plötzlich ein jüngerer -heim-Ort liegt.

Es kann auch zu Umbenennungen gekommen sein. So behauptete unser längst verstorbener Dorfchronist, dass Pleidelsheim - erstmals erwähnt 794 als Blidovesheim - ursprünglich Blidofingen hieß. Woher er das wusste, ist mir unbekannt.

Pleidelsheim, der Ort, wo ich aufgewachsen bin, liegt im Bereich des fränkisch-alamannischen Überganggebietes zwischen Stuttgart und Heilbronn.
Nördlich liegen Besigheim, Hessigheim, Gemmrigheim, aber auch Güglingen und Schützingen,
parallel Steinheim, Ingersheim, Bietigheim, aber auch Bissingen,
südlich Benningen, Geisingen, Beihingen, aber auch Heutigsheim, - letztere drei jetzt gemeindereformiert: Freiberg - und Eglosheim; also keine klare Grenzziehung zu entdecken.

In diesen strittigen und unklaren Fällen muss stets durch Einzeluntersuchungen Gründungszeit und Gründerstamm ermittelt werden, ehe man sichere Aussagen machen kann.

So ungefähr.
Gruß Fritz

Hallo Fritz!

Erst mal vielen Dank für Deine sehr aussagekräftige Antwort! Die Orte, die Du aufgeführt hast, liegen allerdings alle in Süddeutschland, so, dass hier Überschneidungen logisch erscheinen. Was aber ist mit Orten wie Hildesheim, Northeim, Bad Bentheim usw? Diese liegen weit nördlich der ehemaligen Stammesgrenze und Alemannen haben im heutigen Niedersachsen auch nie gesiedelt. Andererseits gibt es in Norddeutschland auch Orte mit der Endung -ingen ( Göttingen z.B.), müssten also eigentlich alemmanischen Ursprungs sein, was aber mit einiger Sicherheit nicht der Fall war.

Ich komme übrigens nicht aus Niedersachsen, sondern aus dem Sauerland und in dieser Gegend gibt es sehr viele Dörfer, die auf -hausen enden. Weiß jemand zufällig, worauf diese Endung hindeutet? Eigentlich scheint es klar zu sein. Hausen ist eben die Wohnstätte bestimmter Siedler gewesen. Aber warum nannte man sie in anderen Gegenden des Sachsenlandes nicht auch Hausen? In Norddeutschland ( ja eigentlich schon im Norden Westfalens und das Sauerland liegt im Süden Westfalens ) findet man diese Endung kaum noch. Die Geschichte der Ortsnamensgebung scheint doch ziemlich verwickelt zu sein.

Viele Grüße!

Christoph

Hallo, Martin,

da bin ich nochmal mit einem Nachschlag. Ich habe die noch nicht ganz geklärten Punkte nachgeschlagen und zwar in:
Duden Taschenbuch Geographische Namen in Deutschland, ISBN 3-411-06252-5 Buch anschauen

Das als weiteren Literaturtipp.

Die Nachsilbe -ow bei Städtenamen geht auf das slawische -ov zurück und zeigt die Zugehörigkeit an. Malchow meint also: der Wohnort des Malach.

Die Nachsilbe -lar hat die Bedeutung: eingezäuntes Stück Land, Umfriedung, Hürde, Viehweide.
Nach dem genannten Büchlein ist es über ahd. *(h)lar, *(h)lari auf eine idg. Wurzel *klei- mit der Bedeutung "neigen, lehnen. Das dazugehörige Nomen bedeutete "Gestell, Gerüst, Hürde. Dabei ist wohl an altertümliche Großhürden zur Viehhaltung zu denken; aber auch kultische Bezirke können durch solche Hürden geschützt werden.
[Das * vor einem Wort meint, dass diese Wörter nur erschlossen, und nicht belegt sind.]

Dieses -lar ist oft mit Flussnamen verbunden; Wetzlar ist die Viehweide am Wetzbach, Goslar, die an der Gose. Bei Fritzlar ist es mit fridu verbunden, das „Schutz, Sicherheit“ bedeutet. Hier dürfte also ein germanischer Kultplatz gewesen sein.

Göttingen ist eine welfische Gründung des 12. Jhdts. Die Welfen sind ein uraltes fränkisches Adelsgeschlecht, stammen also aus Süddeutschland und haben die dort längst vertraute -ingen-Endung mitgebracht. Dass sie nicht das ursprünglich fränkische -heim genommen haben, sondern das alemannische -ingen deutet darauf hin, dass um 1200 dieser Unterschied nicht mehr wahrgenommen wurde.

So, das war der nachgeschlagene Nachschlag.

Gruß Fritz

Stopp: -ingen/-heim Richtigstellung!
Das Ganze stopp!

Hallo, Martin und auch die anderen, die mitgelesen haben,

das Beste an WWW ist, das habe ich schon oft bemerkt, dass man hier unheimlich viele und wissenswerte Sachen lernen kann. Nicht nur als Frager, sondern gerade auch als Antworter. Denn man muss ja seine Antworten immer wieder überprüfen und so lernt man die Themen, zu denen man antwortet, zwangsläufig immer besser kennen.

Und - man stößt auf fehlerhafte Antworten, die man einmal gegeben hat, weil man es noch nicht besser wusste. So ist es mir mit den „fränkischen -heim- und den alemannischen -ingen-Dörfern“ gegangen. Das ist Quatsch, so habe ich eben heute gelernt.

Vergesst das also.

Hier kommt ein längerer Text aus dem Vorwort des Dudenbändchens: Geographische Namen in Deutschland , der die Verhältnisse richtiger darstellt. Ich unterstreiche die wichtigste Passage.

Gruß Fritz

Namen deutscher Herkunft

Wenden wir uns nun den deutschen Siedlungsnamen zu, so ist auch hier festzustellen, dass die ursprünglichste Art der Ortsnamengebung die Stellenbezeichnung ist. Ortsnamen dieser Art können allerdings zu jeder Zeit und wohl in allen Sprachen entstehen. Zwei Beispiele seien genannt, um zu zeigen, was gemeint ist: 1126 Stenvorde war die Burg >an der mit Steinen gesicherten FurtHaus, Wohnort, Heimatweil man immer noch der alten, längst überholten Meinung begegnet, dass die Verbreitung der Namen auf -ingen und -heim mit den Siedlungsgebieten der Alemannen und der Franken im 5./6. Jh. zusammen- hänge; die -ingen-Orte seien alemannisch und die -heim-Orte fränkisch. In Wirklichkeit hat hier der sprachliche Ausgleich zwischen den Kulturlandschaften gewirkt. Sehr deutlich zeigt sich das auch im Elsaß, wo die große Zahl der -heim-Orte in der Rheinebene zwischen Hagenau und Mülhausen bestimmt nicht auf einer starken fränkischen Siedlung in diesem Raum alemannischer Mundart beruht, wohl aber auf der engen politischen Bindung des Gebiets an den fränkischen Staat des frühen Mittelalters und wortgeographisch gesehen auf einer Strahlung von Norden her, d. h. aus dem fränkisch besiedelten Gebiet der Pfalz und Rheinhessens (Bach 1953/54, § 677 und Karten 54 und 65).
Die im Vorstehenden behandelten Spannungen zwischen den Ortsnamen auf -ingen und -heim sind ein Teil der großen Auseinandersetzung zwischen römischer und germanischer Welt im frühen Mittelalter. Der Übergang vom alten Personalprinzip der Ortsnamengebung zum Territorialprinzip spiegelt die Tendenz der sozialen Oberschicht wider, die Siedlungen als Grundlage von Verwaltung und Herrschaft auch sprachlich hervorzuheben. Das gilt besonders für die Verhältnisse im merowingisch-karolingischen Frankenreich.

Auch in einem anderen Bereich haben pluralische Personennamen, genauer Personengruppennamen, territorialen Sinn bekommen, nämlich bei Volks- und Stammesnamen wie die Hessen, die Bayern, die Schwaben, die zu singularischen Länder- und Staatennamen geworden sind. Wenn es im althochdeutschen Ludwigslied des 9. Jh.s heißt hier in Vrankôn >hier bei den Frankenbei den Schwabenda bei den Burgunden, so war ihr Land genanntüber das Land der Franken…liegt Schwaben, das früher Alemannia hieß

Hallo,

-rode(in Waldgebieten)

gerodetes Gebiet

als Betroffenem liegt mir besonders diese Endung am Herzen. Sie findet sich auch als ~rath, ~ried, ~roth usw. in praktisch ganz Deutschland und geht nach meinem Informationen auf das frühe Mittelalter zurück, in dem man im Zuge der Ausweitung der Landwirtschaft und natürlich der Besiedlung erstmalig dem in Deutschland vorherrschenden Urwald systematisch größere Lichtungen entriß. Wer also in einem riedrathrothrode wohnt, hat gute Chancen, daß sein Dörfchen über 1.000 Jahre alt ist.

Gruß
Christian

Hallo, Christian

auf das frühe Mittelalter zurück

Hmmm, eher auf das „hohe Mittelalter“, also 11./12. Jhdt. Die systematischen Rodungen und Neugründungen setzten so richtig erst in der Ottonenzeit ein.

Wer also in einem riedrathrothrode wohnt, hat gute Chancen, daß sein Dörfchen über 1.000 Jahre alt ist.

Nicht immer; s. o. aber so 8/900 auf jeden Fall.

Beispiele:
Bayreuth, ca. 1194,
Gernrode, im Übergang 11./12. Jh.,
Wernigerode Anfang 11. Jh.,

aber:
Walsrode 986!!!

Gruß Fritz

*haarspalt*
Moin,

Hmmm, eher auf das „hohe Mittelalter“, also 11./12. Jhdt. Die
systematischen Rodungen und Neugründungen setzten so richtig
erst in der Ottonenzeit ein.

*räusper*
Ottonen: Otto I.-III.
Otto I.: 936-973
Otto II.: 973-983
Otto III.: 983-1002

Na gut, die letzten 2 Jahre reißen es wieder raus, da lasse ich noch gerade Gnade vor Recht ergehen. :wink:

Aber eigentlich hat es die Jahre ja eh nicht gegeben (Illig).

Gruß
Christian

*räusper*
Ottonen: Otto I.-III.
Otto I.: 936-973
Otto II.: 973-983
Otto III.: 983-1002

Na gut, die letzten 2 Jahre reißen es wieder raus, da lasse
ich noch gerade Gnade vor Recht ergehen. :wink:

Na, wo du Recht hast, hast du Recht!

Aber eigentlich hat es die Jahre ja eh nicht gegeben (Illig).

Die schon, die 360 davor nicht!

Fritz

Die schon, die 360 davor nicht!

614 - 910

Gruß

Wolfgang Berger

So schludrig
habe ich schon lange nicht mehr gearbeitet.
Verzeiht mir bitte!
Fritz

Hallo, ich hatte gar nicht mit so viel Interesse auf meine Unwissenheit gerechnet. Vielen Dank. Gruß Martin

Dafür gibt´s auch von mir Sternchen!

Gruß

Christoph