Ich habe einen Artikel von Christian hervorgekramt aus dem Archiv, auf dem ich damals nicht antworten konnte. Die Zitate stammen aus der heutigen Zeit (ein sehr langer und sehr guter Artikel).
verschwunden. Enron hatte, sobald die Finanzprobleme des
Unternehmens bekannt wurden, den Fonds gesperrt, sodass die
Angestellten ihre Enron-Aktien nicht verkaufen konnten und
hilflos zusehen mussten, wie deren Wert sich praktisch in Luft
auflöste.
Zum Beispiel diese Stelle. M.W. wurden die Fonds schon
vor Bekanntwerden (das im übrigen auch relativ ist, dazu
später mehr) der Probleme gesperrt. Ist auch ganz logisch,
weil sonst die Insiderproblematik aufgetreten wäre, und
die wird in den USA ja nicht so ignoriert, wie das bei uns
der Fall ist.
„Während im Herbst der Kurs purzelte“, d.h. die Schwierigkeiten waren schon bekannt, wenn auch nicht in diesem Ausmaß, „wechselte Enron - Zufall oder nicht - gerade den Treuhänder seines Pensionsfonds aus. In dieser Phase durfte niemand über seine Anteile verfügen. Als es wieder erlaubt war, hatte sich das Altersruhegeld an der Wall Street in nichts aufgelöst. Rod Jordan“, ein ehemaliger Enron-Angestellter, „bekam, als er im Dezember mit 4500 anderen entlassen wurde, eine halbe Stunde Zeit, den Enron-Turm zu verlassen. Über eine Internet-Seite (www.enronX.com) hielt er Kontakt mit den ehemaligen Kollegen, und im Laufe des Januars wurde langsam das Ungeheuerliche öffentlich: während jeder Angestellte eine Schlusszahlung von 4500 Dollar erhielt, genehmigte sich die kleine Schar von Topmanager nach amerikanischen Medienberichten 50 Millionen Dollar Abfindung. Dieselben Leute hatten in den vergangenen Jahren privatim Enron-Aktien im Wert von einer Milliarde Dollar verkauft - bis in jene Herbsttage hinein, in denen Angestellten der Verkauf untersagt war.“
Enron war ein Lieblingskind der Börse, da sie stets viel
Gewinn einfuhren. Lange Zeit war nicht klar, wie Enron dies
schaffte. Das Geheimnis bestand aus einer Vielzahl von
Nebenunternehmen, an denen Enron sämtliche Anteile hielt, die
aber nicht in der Bilanz von Enron auftauchten. Mit ihrer
Hilfe wurden Gewinne aufgebauscht und Verluste versteckt.
Nebenher bereicherten sich die beteiligten Manager.
Eigentlich liegt das an den Besonderheiten des
Energiegeschäftes einerseits und des amerikanischen
Bilanzsystems andererseits. Ohne das ausweiten zu wollen: Im
Prinzip ist das der Metallgesellschaftseffekt, nur umgekehrt.
Außerdem hat Enron mit jedem Sch… gehandelt, Energie, Metalle,
Schweinehälften, Internetanschlüsse. Und hier würde ich eher
die Krux sehen. Sobald man bei denen anrief und mit irgendwas
handeln wollte, haben die direkt zugeschlagen, ohne von der
Materie Ahnung gehabt zu haben. Wie Enron es geschafft haben
soll, diverse Mehrheitsbeteiligungen nicht zu bilanzieren,
erwähnt der Autor nicht, obwohl das ein zentraler Punkt wäre.
„Weitgehend rekonstruiert ist bereits, wie Enron an die Kapitalmengen kam, die es für sein rasantes Wachstum brauchte. Als Mitte der neunziger Jahre die Geldquellen versiegten, weil die Banken wegen Überschuldung die Kredite verweigern, kommt einer dieser jungen Finanzjongleure und stellt eine scheinbar brillante Idee vor. Der Mann heißt Anfrew Fastow, wird später Finanzchef des Konzerns und gilt heute als der böseste aller Enron-Bösewichte. Er ist der Gefängniszelle näher gerückt als irgendein anderer Manager.
Damals jedoch, während jener Konferenz der Enron-Führungskräfte, erntet Fastow bewundernde Blicke. Er stellt sieben ratlosen Managrn am 5. November 1997 ein Konzept vor, seine Idee trägt den Namen Chewco. Das ist eine Abkürzung von Chewbacca, den Namen des pelzigen Piloten aus Star Wars. Ein Scherz, es sollte nicht der letzte sein. Chewco wird als Partnerunternehmen gegründet, de facto völlig von Enron kontrolliert, doch auf dem Papier nicht dem Konzern zugeordnet. Dazu bedarf es eines buchhalterischen Tricks: Der Enron-Manager Michael Kopper kauft privat einen Anteil von drei Prozent an Chewco, die anderen 97 Prozent bleiben bei Enron. Das reicht, um Chewco aus den Büchern verschwinden zu lassen. So etwas ist nach amerikanischen Buchhaltungsregeln legal. Chewco kauft eine weitere Enron-Partnerfirma auf, Jedi, die damit ebenfalls in den Büchern getilgt wird. Chewco und Jedi machen fleißig Schulden, schustern aber der Mutterfirma bloß die Gewinne zu. Wie von Geisterhand verbessert sich die Ertragslage des Konzerns. Die Expansion kann weitergehen. In den Konzernberichten schrumpfen die Partnerfirmen zu Fußnoten.
Im Juni 1999 wird eine neue Partnerschaft gegründet, LJM Cayman. Die Buchstaben stehen für die Initialen von Andrew Fastows Ehefrau und seiner Kinder. Die karibischen Cayman Islands sind der verschwiegene und steuergünstige Ort, an dem das Unternehmen registriert ist. Die nächste Gründung heißt LJM2 - und am Ende zählt Enron 3500 Partnerfirmen mit Namen wie Raptor, Talon oder Marlin. Im Jahr 2000 erhält der Konzern mehr als 40 Prozent seines Einkommens (vor Steuer) von seinen Partnern. Verschuldet sind die Partner, nicht Enron. Das ist gut für die „Story“, gut für die Börse.
Ein toller Trick, nicht illegal und in Amerika nicht mal ungewöhnlich. In den neunziger Jahren luden zahlreiche schnell wachsende Unternehmen Schulden auf externe Partner ab. Doch Enron - glauben die Ermittler - ging noch weiter als die anderen. Erstens waren die Schulden nämlich gar nicht wirlich „abgeladen“: Komplexe Klauseln und Fußnoten in den Verträgen machten Enron am Ende doch haftbar. Zweitens waren die Partner nicht „extern“. Es waren Strohleute, die die Unternehmenskreaturen verwalteten. Enron-Manager, gelegentlich kleinere Angestellte und ihre Verwandten, Geschäftsfreunde und Bankiers, die dabei bis zum Hals in Interessenkonflikten versanken. Am Ende verhandelten Ehepartner sowie Chefs und Untergebene miteinander: der eine auf der Seite Enrons, der andere auf der Seite der „Partner“. Zu stören schien es keinen. Es verdienten ja alle. Und wie. Andrew Fastow bekam für die Pflege seines Firmenparks 30 Millionen Dollar. Michael Kopper 10 Millionen, mitllere Manager stiegen zu Millionären auf. Als die ganze Dotcom-Euphorie verfliegt, muss Enron eigentlich Verluste melden, im März 2001 zum Beispiel geschätzte 500 Millionen Dollar. Doch das macht sich gar nicht gut. Ein Schock für die Investoren würde den Aktienkurs in die Tiefe reißen, Partner aussteigen lassen. Enron ist auf Droge, und die Droge heißt Börse. Wieder hilft die Bilianzzauberei…
Die große Frage lautet nun: Sind Skilling“ der damalige Enron-Chef " Fastow und ihre Assistenten irgendwann zu Beschaffungskriminellen geworden? Oder war alles nur aggressiv und unmoralisch, aber letzten Endes legal? Die Antwort werden am Ende Richter geben."