…und wenn ich schreibe lang, dann meine ich lang. *g*
Enron war das siebtgrößte Unternehmen der USA, das fast ein Viertel des Strom- und Gashandels in den USA abgewickelt hatte. Zum Milleniumswechsel meldete der Konzern einen Umsatz von 101 Mrd. Dollar. Der Aktienkurs erreicht seinen Höchststand bei 89,94 Dollar. Nach dem Konkurs im Dezember sind die Aktien mittlerweile nur noch 67 Cent wert. Dies ist die größte Firmenpleite in der Geschichte der USA, die nicht nur bislang 4.500 Leute ihren Job gekostet hat. Diese Leute wurden auch ihrer Ersparnisse beraubt und ihre Pensionsgelder, die sie zumeist in Enron-Aktienfonds angelegt hatten, sind verschwunden. Enron hatte, sobald die Finanzprobleme des Unternehmens bekannt wurden, den Fonds gesperrt, sodass die Angestellten ihre Enron-Aktien nicht verkaufen konnten und hilflos zusehen mussten, wie deren Wert sich praktisch in Luft auflöste. Mehrere andere Energieunternehmen sind im Folge des Konkurs von Enron auch ins Trudeln geraten.
Enron war ein Lieblingskind der Börse, da sie stets viel Gewinn einfuhren. Lange Zeit war nicht klar, wie Enron dies schaffte. Das Geheimnis bestand aus einer Vielzahl von Nebenunternehmen, an denen Enron sämtliche Anteile hielt, die aber nicht in der Bilanz von Enron auftauchten. Mit ihrer Hilfe wurden Gewinne aufgebauscht und Verluste versteckt. Nebenher bereicherten sich die beteiligten Manager.
Der rasante Aufstieg war eine Luftblase. Enron spekulierte im ebenso lukrativen wie riskanten Geschäft mit Derivaten: Diese meist außerbörslich gehandelten Wertpapiere sind Wetten auf künftige Preisschwankungen - bei Rohstoffe wie Erdöl oder Kakao, bei Devisen oder Zinsen.
Anders als Banken oder Finanzinstitute, die Erfolg oder Misserfolg ihrer Geschäfte mit Derivaten absichern und offen legen müssen, konnte der branchenfremde Scheinriese Enron Milliardenverluste in den Bilanzen eigens gegründeter Partnerfirmen verstecken. Außerdem investierte Enron in ausländische Märkte und neue Geschäftsfelder, so auch IT.
Laut Konkursunterlagen war Enron bei seinem Zusammenbruch mit 13,1 Mrd. Dollar verschuldet. Dazu kamen jedoch noch einmal 18 Mrd. Dollar Schulden bei Tochterunternehmen und mindestens 20 Mrd. Dollar Schulden, die außerhalb der Bilanzen in irgendwelchen Personengesellschaften versteckt waren.
Der Aktienkurs begann mit dem Ende der Internet-Euphorie abzusacken. Der Kursverfall beschleunigte sich exponentiell, nachdem der Enron-Vorstand im Oktober auf den Abschreibungsbedarf aufmerksam gemacht hatte; zugleich wurden die Schuldverschreibungen von den Rating-Agenturen als hoch spekulative Schrottanleihen eingestuft.
Ins Zwielicht geraten nun zunehmend auch die externen Wirtschaftsprüfer von Arthur Andersen. Arthur Andersen musste vergangene Woche einräumen, dass offenbar Tausende Enron-Dokumente und elektronische Dateien in seinem Besitz vernichtet wurden, bevor die Börsenaufsicht ihre Enron-Untersuchungen aufnehmen konnte. Wer die Papiere und Dateien aus dem Weg geräumt hat, wann und warum, ist unklar.
Unproblematisch ist dies jedoch für die Enron-Manager, denn 600 Spitzenmanager bekamen noch im November, nur Tage vor dem Konkurs, Prämien in Höhe von insgesamt 100 Millionen Dollar.
Jetzt ist eine ganze Armada mit der Rekonstruktion der Skandal-Pleite befasst: Börsenaufsicht und Finanzministerium, Zentralbank und Justizministerium. Mindestens vier Ausschüsse im Senat und Repräsentatenhaus starten eigene Anhörungen.
Hat die Regierung von diesem Desaster frühzeitig gewusst? Enron-Chef Kenneth Lay hat kurz vor dem Konkurs zwei Kabinettsmitglieder von Bush, Finanzminister Paul O’Neill und Wirtschaftsminister Don Evans, der wiederum eng mit Bush befreundet ist, angerufen und sie über die Probleme informiert. Offenbar wollte er erreichen, dass der Staat als Retter des angeschlagenen Konzerns einspringt.
Zugleich gab das Büro des Vizepräsidenten Dick Cheney zu, dass sich die von ihm geleitete Energie-Taskforce im vergangenen Jahr mindestens sechsmal mit Enron-Vertetern getroffen hat. „Das Weiße Haus wusste, das Enron wahrscheinlich zusammenbrechen würde, tat aber nicht, um unschuldige Mitarbeiter, die die Ersparnisse für ihren Lebensabend verloren haben, zu schützen“, schimpft der Kongressabgeordnete Henry Waxman, führender Demokrat im Ausschuss für Regierungsform.
Lay ist nicht nur seinerseits ein langjähriger Freund Bushs. Zufällig ist seine in Houston, Texas, ansässige Firma auch der größte Spender für Bush gewesen, und zwar schon seit dessen Zeit als Gouverneur von Texas. Der kämpft nun darum, sich aus dem Strudel freizuschwimmen, und spielt seine Verbindungen mit Enron herunter. Dabei gehen die Verbindungen weit. Der Washingtoner Enron-Lobbyist Marc Racicot wurde auf Bushs Wunsch Vorsitzender der Republikanischen Partei, während Enron-Berater Robert Zoellick Handelsbeauftragter wurde; seinen Kollegen Lawrence Lindsay machte Bush zum Chefökonomen im Weißen Haus.
Dennoch weist das Weiße Haus jeden Gedanken zurück, dass der Präsident auf das Schicksal des Konzerns Einfluss genommen haben könnte. O’Neill und Evans wollen den Präsidenten erst vorige Woche über die Notanrufe aus Houston in Kenntnis gesetzt haben. Bush-Sprecher Ari Fleischer rückte die Telefonseelsorge in möglichst unverfängliches Licht: „Es handelt sich hier um einen Fall, wo ein Spender anruft und Bitten äußerst, sie aber nicht gewährt bekommt.“ Im Übrigen veröffentlichte das Weiße Haus Besucher-Eintragungen des Secret Service, die belegen, dass Kenneth Lay seit Bushs Amtstritt lächerliche zweimal vorbeigeschaut habe. Und nie habe er, sagt der Präsident, „mit Herrn Lay die finanzielle Probleme seines Unternehmens besprochen.“
Für die Demokraten ist der Enron-Fall ein gefundenes Fressen, obwohl wie in Deutschland Flick Enron vorsorglich alle großen Parteien mit seiner Gunst bedacht hat. Joseph Lieberman, ehemaliger demokratischer Kandidat für die Vizepräsidentschaft und vielleicht der nächste Präsidentschaftskandidat, will als Vorsitzender des Senatsausschuss für Regierungsangelegenheiten unter anderem untersuchen, inwieweit Enron die gesamte Energiepolitik der Regierung Bush beeinflusst hat. Mindestens 250 Kongressabgeordente sollen Spenden von Enron erhalten haben. Der Bundesstaatsanwalt John Ashcroft muss sich seinerseits wegen Parteilichkeit aus den Ermittlungen heraushalten. Er hat 57.000 Dollar Wahlkampfspenden von Enron erhalten.
Ende 2000 verabschiedete der Kongress von den meisten unbemerkt einen kleinen Anhang zum Haushaltsgesetz, durch den Enron und andere Energiehandelsfirmen von staatlicher Aufsicht freigestellt wurden. Durchgedrückt hatte diese Lex Enron Phil Gramm, Senator aus Texas, dessen Frau Wendy Lee Gramm im Enron-Aufsichtsrat sitzt.
Der Verbraucherverband Public Citizen wies im Dezember darauf hin, dass unmittelbar nach der Verabschiedung des Gesetzes die Energiekriese in Kalifornien losging, die im Wesentlichen durch Angebotsknappheit ausgelöst wurde, eine Knappheit, so Public Citizen, die durch Enron bewusst gesteuert worden sei.
Ich hab inzwischen mal alles nachgelesen, was sich so im Archiv beider Zeitungen finden ließ. Bei der Taz war nicht ein einziger Artikel fehlerfrei, zu den Fehlern kamen meist noch Ungenauigkeiten und Spekulationen.