Hallo, Gemeinde der Polygoschen!
Eine weit verbreiteten Erklärung besagt, die (Zeitungs-, Labor- und sonstige) „Ente“ sei aus der Abkürzung „n.t.“ (für „non testatum“, also nicht verifiziert) entstanden.
Würd mich jetzt mal interessieren, wie in den anderen europäischen Sprachen solche Enten bezeichnet werden; nämlich: hat es da auch etwas mit „n. t.“ zu tun?
Im Französischen z. B. ja sicher nicht. Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen „canard“ (Canard Enchainé!) und „n.t.“
Wenn es sich nicht um eine Übernahme aus dem Deutschen handelt (wie lange gibt’s das Wort schon im Französischen?), muss man dann nicht sagen, die Erklärung mit „n.t.“ sei selber eine solche,
(und dann wäre die Erklärung im GRIMM ganz bestimmt die richtige: „eine in zeitungen verbreitete gleichsam fortschwimmende, wieder auftauchende fabel oder lüge … . früher hiesz es blaue ente“)
frägt
Euch grüßend
Hannes.
Hallo, Hannes,
auch dazu der Röhrich:
"Von blauen Enten predigen: Lügen, leeres Gerede verbreiten, besonders ironisch von der geistl. Predigt gebraucht, ist eine frühneuhochdeutsche Wendung, die in der Reformationszeit weit verbreitet war, bei Sebastian Brant, Thom. Murner oder bei Luther: »so kömpts doch endlich dahin, das an stat des evangelii und seiner auslegung wiederumb von blaw enten geprediget wird«.
Mit dieser heute nicht mehr gebräuchlichen Wendung hat die ›Zeitungsente‹ (lügenhafte Nachricht) nichts zu tun. Sie tritt erst nach 1850 auf als Übersetzung von französisch ›canard‹ = Ente, auch Flugblatt, Schnurre und später Falschmeldung; im Französischen hat ›donner des canards‹ schon im frühen 18. Jahrhundert den Sinn von: einem etwas vorlügen (heute ungebräuchlich).
›Canard‹ (Zeitungsente) geht zurück auf die im 16. und 17. Jahrhundert übliche sprichwörtliche Redensart ›vendre (oder: donner) un canard à (la) moitié‹: lügen, täuschen, jemandem etwas weismachen. Wer eine halbe Ente für eine ganze verkaufte, betrog, und wer eine Ente nur zur Hälfte verkaufte, verkaufte überhaupt nicht. Im Laufe des 17. Jahrhundert wurde dann der Zusatz ›à moitié‹ fortgelassen und die Bedeutung Lüge, Betrug, Täuschung auf das Wort ›canard‹ allein übertragen.
In einem anderen Deutungsversuch wird der Begriff ›Ente‹ im Sinne von Lüge zurückgeführt auf den Vermerk n.t. (non testatum), mit dem Zeitungsredaktionen unverbürgte Meldungen zu versehen pflegten, d.h. aus dem Satz: ›das ist eine n.t.-Meldung‹ könnte durch Weglassen des Wortes Meldung durchaus die Kurzfassung ›Das ist eine n.t.‹ (sprich ›Ente‹) entstanden sein. Ferner ist bemerkenswert, daß in der Reformationszeit als polemische Verdrehung des Wortes Legende die Ausdrücke ›Lügende‹ und ›Lugente‹ vorkamen.
Da alle Versionen als Erklärung für die Zeitungsente in Frage kommen können, liegt die Annahme nahe, daß der Ursprung durchaus bei der blauen Ente, Lügende oder Lugente zu suchen ist."
[Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: Ente. Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, S. 1528
(vgl. Röhrich-LdspR Bd. 2, S. 388) © Verlag Herder]
Gruß Fritz
Servus,
dazu noch dieser link: http://www.answers.com/topic/canard
Gegen Ende der Seite finden sich einige Übersetzungen.
LG aus dem Waldviertel, jenny
Hallo Hannes,
auf Spanisch kenne ich den Ausdruck „dar el pato“ und auch „dar gato por liebre“.
Sinngemäß bedeuten hinterlistig sein und etwas ergaunen bzw. Menschen betrügen. Im ersten Ausdruck steht auch das spanische Wort für Ente („pato“), nicht so in dem zweiten.
Ausserdem keine von beiden beziehen sich auf Nachrichten, sondern auf alle möglichen Bereichen. z.B. Wenn jemand etwas (Teures) kauft ohne das genau geschaut zu haben und wenn er das auspackt, stellt sich fest dass es weit, weit unter dem Wert ist.
Ich weiß nicht ob das hilft aber ich wollte es erwähnen.
Schöne Grüße,
Helena
Hallo Hannes,
Wie du schon richtig vermutet hast, besteht kein Zusammenhang zwischen „Ente“ und „canard“ - im Pressebereich wohlgemerkt. „Canard“ ist schlicht umgangssprachlich für „Zeitung“.
„Zeitungsente“ o.ä. heisst auf frz. „canular“, geht auf „canularium“ zurück, womit eine Art Studentenstreich gemeint war, und fand schliesslich in der verkürzten Form Eingang in die frz. Sprache.
Ansonsten gibt’s noch „intox“ (kurz für „intoxication“, also „Vergiftung, Ansteckung“) und sogar den Anglizismus „hoax“ hier und da, was die Académie Française vermutlich wieder auf die Palme bringen wird…
Volker
Hallo, Volker,
„Zeitungsente“ o.ä. heisst auf frz. „canular“,
Nun, canular ist ein Scherz, oft auf Kosten anderer, möglicherweise auch durchaus in einzelnen Fällen von Zeitungen betrieben, aber für „Zeitungsente“ ist canard schon recht üblich.
Dazu:
„Fausse nouvelle souvent imaginée de toutes pièces et enflée jusqu’au mélodrame dans des journaux de seconde catégorie“
aus:http://www.cnrtl.fr/lexicographie/canard
Einen lieben Gruß aus dem Waldviertel, jenny
Hallo Jenny,
aber für „Zeitungsente“ ist canard schon recht
üblich.Dazu:
„Fausse nouvelle souvent imaginée de toutes pièces et enflée
jusqu’au mélodrame dans des journaux de seconde catégorie“Einen lieben Gruß aus dem Waldviertel, jenny
Inzwischen leider nicht mehr. „canard“ im Sinne von „Zeitungsente“ ist heutzutage ein Archaismus - auch im Zusammenhang mit der spannenden Etymologie, die Fritz Ruppricht ausgegraben hat. Das Lexikon, aus dem du zitierst, stammt aus dem Jahr 1892 und bringt als Belege Autoren der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Und schliesslich, den Begriff „canular“ gab es 1892 sehr wahrscheinlich noch nicht.
Man kann jetzt natürlich eine interessante Studie zum Thema „Wahrnehmung des Pressebetriebs“ anstellen und herausfinden, wie und warum der Begriff für Zeitungsente stellvertretend für die ganze Zeitung auftrat…
Einen lieben Gruss aus der Colonia Cuauhtémoc, Volker
Hallo, Volker,
ich beuge mich lächelnd:smile:
aber…http://www.cnrtl.fr/lexicographie/canular
und natürlich wird auch dieses recht häufig aktualisiert bis hin zum schönen französischen Wort „software“…schau mal nach:smile:
und auch mein sehr „gemochtes“ http://www.lexilogos.com/franzoesisch_sprache_woerte…
hilft mir (in deinem Sinne) nicht weiter. Und ich möchte doch so gerne ein Beispiel für deine - sicher richtige - Meinung.
Allerdings sind meine Zeiten im Lausanner Internat „scho a wengerl“
lange her…*lächel*
Nachmitternächtlichen lieben Gruß in die Ferne aus dem Waldviertel, jenny
Hallo, liebe Jenny et al.
wir wollen in diesem Zusammenhang natürlich auch nicht die 1915 gegründete Wochenschrift „Le Canard enchaîné“ vergessen.
http://fr.wikipedia.org/wiki/Le_Canard_encha%C3%AEn%…
Grüße
Eckard
Hallo, Volker!
Inzwischen leider nicht mehr. „canard“ im Sinne von „Zeitungsente“ ist heutzutage ein Archaismus
Wie kommt es dann, dass es in den beiden - zugegeben kleinen Wörterbüchern, die ich habe, noch aufgeführt wird?
- auch im Zusammenhang mit der spannenden Etymologie, die Fritz Ruppricht ausgegraben hat.
Wenn du ausgraben sagst, so klingt das fast so, wie „aus der Nase gepopelt“ oder „an den Haaren herbei gezogen“
Ich würde das Nachschlagen in einem renommierten Lexikon nicht „ausgraben“ nennen.
Gruß Fritz
Hallo Jenny,
ich beuge mich lächelnd:smile:
Beuge mich ebenfalls. Mmmh, ich lllliebe diese Wiener Eleganz! ))
aber…http://www.cnrtl.fr/lexicographie/canular
und natürlich wird auch dieses recht häufig aktualisiert bis
hin zum schönen französischen Wort „software“…schau mal
nach:smile:
Nun, die Franzosen haben ja quasi im Alleingang Computerbegriffe „eingefranzösischt“, z.T. mit Hilfe der Frankokanadier; siehe so ulkige Begriffe wie „partagiciel“, „gratuiciel“ oder „pourriciel“ (i.e. Shareware, Freeware, Spam).
und auch mein sehr „gemochtes“
http://www.lexilogos.com/franzoesisch_sprache_woerte…hilft mir (in deinem Sinne) nicht weiter. Und ich möchte doch
so gerne ein Beispiel für deine - sicher richtige - Meinung.
Och, da gibt es einige im Netz:
http://www.hoaxbuster.com/
oder halt die unvermeidliche Wikipedia:
http://fr.wikipedia.org/wiki/Canular
Gruss aus der Ferne,
Volker
Hallo Fritz!
Wie kommt es dann, dass es in den beiden - zugegeben kleinen
Wörterbüchern, die ich habe, noch aufgeführt wird?
In meinen Wörterbüchern auch, aber es ist ja eine Binsenweisheit, dass Lexika dem aktuellen Wortgebrauch hinterherhinken. Das Problem liegt vielmehr darin, dass durch den Nachrichtenoverkill (in Foren, Blogs etc.) auch der Entenprozentsatz steigt und dafür nach neuen Begriffen gesucht wird, auch solchen, die nicht oder noch nicht in Wörterbüchern stehen. Da findet momentan eine ziemlich rasante Entwicklung statt.
Wenn du ausgraben sagst, so klingt das fast so, wie „aus der
Nase gepopelt“ oder „an den Haaren herbei gezogen“Ich würde das Nachschlagen in einem renommierten Lexikon nicht
„ausgraben“ nennen.
Ich dachte eigentlich mehr an Indiana Jones und andere Jäger verlorener Schätze, aber Metaphern sind natürlich dehnbar. Und à propos, „Nachschlagen“, klingt das nicht verdammt brutal?
Gruss, Volker
schlagenhaft
Hallo, Volker,
du magst Recht haben mit diesen Hinweisen:
Binsenweisheit, dass Lexika dem aktuellen Wortgebrauch
hinterherhinken.
da findet momentan eine ziemlich rasante Entwicklung
statt.
Doch mir ist eigentlich nur wichtig, dass ich von einem Franzosen verstanden werde, wenn ich das Wort „canard“ verwende, auch wenn ich die Zeitungsente meine.
Umgekehrt kann ein Franzose damit rechnen, dass ich weiß, was er meint, wenn er mir bedeutet, dass er eine holde Maid kennen gelernt habe.
Und à propos, „Nachschlagen“, klingt das nicht verdammt brutal?
Mit so einem enpfindsamen Sprachgefühl begibst du dich der in meinen Ohren keineswegs brutalen Wendungen:
ein Buch aufschlagen, es einschlagen, die Seite umschlagen, einen Text vorschlagen, ein Angebot auschlagen, sich mit anderen Meinungen herumschlagen, eine Bedeutung unterschlagen, den Verlust überschlagen, Gewinn herausschlagen usw.
Gruß Fritz
Hallo, Gemeinde der Polygoschen!
Vielen Dank, dass Ihr Euch in den CANARD so verbissen habt!
Aber ich hatte ja gehofft, hinsichtlich dieser Enten auch für die anderen europäischen Sprachen Aufschluss über Bedeutungsentwicklung usw. zu erhalten.
Kann da wer zwischen Rhein/Mosel und Waldviertel noch was beitragen,
frägt, hoffend,
Hannes.
Pourri(ci)el
Salut Volker,
„pourriciel“ (i.e. Spam).
Ist das ein Tippfehler oder regional? Ich kenn’s nur als „pourriel“, gebildet in Analogie zu m „courriel“.
Gruß
Kubi
Hallo, Hannes,
Hallo auch, Fritz!
auch dazu der Röhrich:
"Von blauen Enten predigen: Lügen, leeres Gerede verbreiten,
besonders ironisch von der geistl. Predigt gebraucht, ist eine
frühneuhochdeutsche Wendung, die in der Reformationszeit weit
verbreitet war, bei Sebastian Brant, Thom. Murner oder bei
Luther: »so kömpts doch endlich dahin, das an stat des
evangelii und seiner auslegung wiederumb von blaw enten
geprediget wird«.Mit dieser heute nicht mehr gebräuchlichen Wendung hat die
›Zeitungsente‹ (lügenhafte Nachricht) nichts zu tun. Sie tritt
erst nach 1850 auf als Übersetzung von französisch ›canard‹ =
Ente, auch Flugblatt, Schnurre und später Falschmeldung; im
Französischen hat ›donner des canards‹ schon im frühen 18.
Jahrhundert den Sinn von: einem etwas vorlügen (heute
ungebräuchlich).›Canard‹ (Zeitungsente) geht zurück auf die im 16. und 17.
Jahrhundert übliche sprichwörtliche Redensart ›vendre (oder:
donner) un canard à (la) moitié‹: lügen, täuschen, jemandem
etwas weismachen. Wer eine halbe Ente für eine ganze
verkaufte, betrog, und wer eine Ente nur zur Hälfte verkaufte,
verkaufte überhaupt nicht. Im Laufe des 17. Jahrhundert wurde
dann der Zusatz ›à moitié‹ fortgelassen und die Bedeutung
Lüge, Betrug, Täuschung auf das Wort ›canard‹ allein
übertragen.In einem anderen Deutungsversuch wird der Begriff ›Ente‹ im
Sinne von Lüge zurückgeführt auf den Vermerk n.t. (non
testatum), mit dem Zeitungsredaktionen unverbürgte Meldungen
zu versehen pflegten, d.h. aus dem Satz: ›das ist eine
n.t.-Meldung‹ könnte durch Weglassen des Wortes Meldung
durchaus die Kurzfassung ›Das ist eine n.t.‹ (sprich ›Ente‹)
entstanden sein. Ferner ist bemerkenswert, daß in der
Reformationszeit als polemische Verdrehung des Wortes Legende
die Ausdrücke ›Lügende‹ und ›Lugente‹ vorkamen.Da alle Versionen als Erklärung für die Zeitungsente in Frage
kommen können, liegt die Annahme nahe, daß der Ursprung
durchaus bei der blauen Ente, Lügende oder Lugente zu suchen
ist."[Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: Ente. Lexikon der
sprichwörtlichen Redensarten, S. 1528
(vgl. Röhrich-LdspR Bd. 2, S. 388) © Verlag Herder]
Mir ist, als drehten wir uns da doch etwas im Kreis. Den Röhrich, hatten wir den nicht schon?
Wie heißen diese Enten nun in den europäischen Sprachen?
Gruß!
Hannes
Hallo Kubi,
„pourriciel“ (i.e. Spam).
Ist das ein Tippfehler oder regional? Ich kenn’s nur als
„pourriel“, gebildet in Analogie zu m „courriel“.
Korrekt. „Pourriel“ muss es heissen. Mein Fehler.
Gruss,
Volker