Liebe Wissende,
auf welchen Grundlagen und Entscheidungen welcher Gremien entsteht eigentlich das sog. „EU-Recht“, das dann immer zwingend mehr oder weniger flott in das jeweilige nationale Recht aufge- und übernommen werden muß?
Danke und
herzliche Grüße
Helmut
Hallo Helmut,
es gibt auf EU-Ebene verschiedene Arten von Recht und auch verschieden Modi, wie diese entstehen. Die EU hat das mit großem Abstand komplizierteste Gesetzgebungsmodel der Welt.
Mit EU-Recht zum Beispiel würden eigentlich nur Gesetzte der 2. und 3. Säule, also GASP (Außenpolitik), EPJZ (Sicherheitspolitik) und etliche kleinere Projekte bezeichnet. Der eigentliche Kern ist das Gemeinschaftsrecht (EG-Recht, ja es gibt die EG(s) noch, obwohl der ganze Laden jetzt EU heißt).
Grundlage allen Rechts sind die Verträge (die jeweils nach dem Tagungsort benannt sind: Rom, Maastricht, Amsterdam um wichtige zu nennen). Die neue Verfassung soll dann die Verträge ablösen und eine Grundlage in einem Dokument bieten. Außerdem wird die oben genannte Säulenstruktur noch weiter aufgelöst und die Entscheidungsmechanismen verändert.
Du siehst schon, es ist sehr komplex und überhaupt sehr viel (habe mich durch insgesamt 3 Vorlesungen durchgequält, um einen Überblick zu bekommen). Keiner kann dir das hier mal schnell erklären, aber ich hab nen Link für dich:
http://www.europa-digital.de/dschungelbuch/
ist immerhin ein Anfang. Ich kann dir auch Unterlagen aus Vorlesungen zuschicken, aber die sind ohne Vorwissen wahrscheinlich nur schwer zu verstehen.
Viel Spaß,
Hannes
Danke, Hannes, für den informativen Link.
Aber, eine Bemerkung sei mir noch (mit fragendem Gesichtsausdruck) erlaubt:
Mit parlamentarischer Demokratie, wie ich sie kenne und schätze
und „Volkes Stimme“ hat die verpflichtende Rechtsgestaltung durch EG + EU wohl, so wie ich es verstanden habe, recht wenig zu tun, oder irre ich mich da?
Herzliche Grüße
Helmut
Hallo Helmut,
erstmal einen Link zum Demokratiedefizit:
http://www.rossleben2001.werner-knoben.de/doku/kurs7…
Der ist ganz verständlich und klärt jedenfalls ein Teil der Materie.
Ganz kurz vielleicht zu deinen Schlagwörtern:
parlamentarische Demokratie:
Es gibt eine Lücke in der Kontrolle und Legitimation durch die Parlamente (national und EP). Diese klafft überhaupt in der 2. und 3. Säule, während die 1. Säule schon weitgehend unter Kontrolle des EPs steht.
Die nationalen Parlamente hätte zwar durchaus die Möglichkeit zu mehr Kontrolle und verbindlicheren Entscheidungen, aber sie sind meistens hierfür überfordert. In Deutschland (was eines der best ausgerüsteten Parlamenten in Europa hat) ist das kaum, in kleinen Mitgliedsländern wie Österreich überhaupt nicht möglich. Das Parlament in Österreich wird erschlagen von einer Dokumentenflut, die nicht zu bearbeiten ist.
Eine Bindung der Regierung auf bestimmte Verhandlungsergebnisse durch das Parlament ist nicht nur machttechnisch unrealistisch, sondern würde auch den Verhandlungsprozess der EU erschweren.
Volkes Stimme:
Nun Volkes Stimme hat ja mehrere Wege sich Gehöre zu verschaffen. Mittel der direkten Demokratie stehen in der neuen EU-Verfassung (Europavolksentscheid). Ich lehne diese Volksentscheididee allerdings aus demokratietheoretischen und auch praktischen Gründen ab.
Über Parteien und Medien werden normalerweise Stimmungen aus dem Volk in die Machtzentren getragen. Bisher sind sowohl Medien, als auch Parteien auf EU-Ebene unterentwickelt, was ein weiteres Demokratiedefizit in sich bringt. Wobei hier eine langsame Entwicklung eintritt.
Letztendlich ist es auch immer entscheidend, was man unter Demokratie versteht. Allerdings will wahrscheinlich keiner abstreiten, dass die Exekutiven die Möglichkeit EU genutzt haben, um gewisse politische Entscheidungen der parlamentarischen Kontrolle zu entziehen. Das liegt in der Natur der Exekutive und ist in einem gewissen Rahmen auch okay. Es kommt nur darauf an, wie groß dein Rahmen ist.
Viele Grüße,
Hannes
Hallo,
auch mir „danke“ für den Link. Hat mir sehr geholfen. Du bekommst ein virtuelles Sternchen, da ein reales hier ja nicht möglich ist.
Gerhard