Entstehung von Ethik-Kommissionen

Hallo!
Ich schreibe zur Zeit eine Facharbeit über Ethik-Kommissionen in der Medizin und um das Thema der Entstehung einzuleiten, würde ich gerne ein Fallbeispiel folgender Art beschreiben:
Ein Arzt hat eine Theorie, wie er eine Krankheit behandeln kann. Also wendet er diese unerprobte Methode bei vielen Menschen an, doch die meisten sterben. Dennoch beharrt er auf der Richtigkeit seiner Therapie und macht weiter und niemand hält ihn davon ab.
Solche Vorfälle müssen doch der Grund sein, warum Ethik-Kommissionen entstanden sind.
Bisher habe ich als Beispiel nur Joseph Broussais gefunden, der mit seiner Blutegel-Behandlung wohl einige Menschen umgebracht hat, doch diese Behandlung war ja trotzdem hilfreich und wird auch immer noch angewendet, nur halt in anderem Maße.
Dies ist mir als Beispiel allerdings nicht markant genug. Es sollten schon wirklich viele Menschen gestorben sein und die Behandlungsart für immer verbannt sein.
Kennt jemand einen passenderen Fall?
Danke für jede Hilfe!
Liebe Grüße, Jana

Hallo!

Ich schreibe zur Zeit eine Facharbeit über Ethik-Kommissionen
in der Medizin und um das Thema der Entstehung einzuleiten,
würde ich gerne ein Fallbeispiel folgender Art beschreiben:
Ein Arzt hat eine Theorie, wie er eine Krankheit behandeln
kann. Also wendet er diese unerprobte Methode bei vielen
Menschen an, doch die meisten sterben. Dennoch beharrt er auf
der Richtigkeit seiner Therapie und macht weiter und niemand
hält ihn davon ab.

Dass ein solches Vorgehen eines Arztes den Pflichten bei der ärztlichen Berufsausübung widerspricht, ist evident, dazu bedarf es keiner Ethikkommission. Neue ärztliche Verfahren dürfen nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen an Menschen ausprobiert werden. Siehe dazu auch die Deklaration des Weltärztebundes von Helsinki über ethische Grundsätze über die medizinische Forschung am Menschen, insbesondere Pkt. A 5: In der medizinischen Forschung am Menschen haben Überlegungen, die das Wohlergehen der Versuchsperson betreffen, Vorrang vor den Interessen der Wissenschaft und der Gesellschaft. http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/92Helsink…
In einem solchen Fall wie von dir geschildert würden sich daher keine Ethikkommissionen, sondern die Gerichte mit diesem Arzt beschäftigen, wegen zumindest fahrlässiger, unter Umständen vorsätzlicher Körperverletzungs- und Tötungsdelikte mit den entsprechenden straf-, zivil- und berufsrechtlichen Konsequenzen.
In der Vergangenheit, besonders im Nationalsozialismus sind derartige Menschenversuche vorgekommen (Josef Mengele). Diese Untaten waren keine nach ethischen Gesichtspunkten diskussionswürdigen Handlungen, sondern schlicht und einfach Kapitalverbrechen.
Grüße, Peter

Hi,

als Literatur zum Thema sei angeraten:

Kettner, Matthias: Ethik-Komitees. Ihre Organisationsformen
und ihr moralischer Anspruch, in: Erwägen – Wissen
– Ethik 16, 2005, 3-16

Engelhardt, Tristram: Healthcare Ethics Committees: Re-
Examining their Social and Moral Functions, in: HEC Forum
11, 1999, 87-100

Vieth, Andreas: Einführung in die Angewandte Ethik,
Darmstadt 2006, 24-41

Zentrale Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze
in der Medizin und ihren Grenzgebieten bei der Bundesärztekammer:
Stellungnahme zur Ethikberatung in der
klinischen Medizin, in: Deutsches Ärzteblatt 103, 2006,
A1703-A1707

Ley, Friedrich: Klinische Ethik. Entlastung durch Kommunikation?,
in: Ethik in der Medizin 17, 2005, 298-309

LG

Chris

Hallo, nicht immer sorgt ein unverantwortliches Handeln dafür, dass das Verfahren verbannt wird, zB. http://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCbecker_Impfungl%…

Ausserdem hab ich bei Wiki gefunden „Beim Nürnberger Ärzteprozess (1947) wurde ein Nürnberger Kodex aufgestellt, der die Grundlage zur Durchführung von notwendigen und ethisch haltbaren medizinischen Versuchen mit Menschen darstellt.“ Artikel Medizinethik.
Demnach dürften zumindest in D auch die Menschenversuche in den KZs auschlaggebend gewesen sein.
Aus der Psychologie fallen mir einige Experimente ein (also eher Verhaltensstudien, nicht Versuche mit neuen Methoden oder Mittelchen), die heute nicht mehr machbar wären (Milgram „Gehorsam gegenüber Autoritäten“, Stanford-Gefängnisexp.)
Ein recht neuer Fall im medizinischen Bereich geisterte letztes JAhr durch Presse/TV, wo ein Arzt in seinem Privatkrankenhaus bei Operationen Zitronensaft (direkt aus der Frucht gepresst, nicht irgendwie isolierte Zitussäure) injiziert haben soll anstelle von Antibiotika o Desinfektionsmitteln. Dabei starben natürlich ein paar Patientinnen. Das hier dürfte der Fall gewesen sein:

http://www.anaesthesie-intensivmedizin.com/13.html?&…

Der ist vermutlich sinnvller als Broussais, da zu seiner Zeit Blutentziehung absolut das Mittel der Wahl bei allerlei Krankheiten war. Der Blutegel war sogar weitaus besser geeignet (sprich ein Fortschritt), da die Blutaufnahme beschränkt ist als der direkte Schnitt in die Vene, wie er zuvor üblich war. Bei letzterem ist so mancher verblutet, insbes. da damals zu oft und zuviel abgezapft wurde (noch hundert JAhre zuvor gabs nicht mal den Kreislauf und das Blut sollte immer wieder neu gebildet werden, weshalb insbes. auch bei Blutarmut Aderlässe durchgeführt wurden um die Blutbildung anzuregen)

Wenns um Blut geht, finde ich die ersten Versuche zur Bluttransfusion passender, wo durchaus auch versucht wurde Blut von Schafen auf den Menschen zu übertragen und mangels Kenntnis der Blutgruppen auch die Mensch zu Mensch Übertragung meist fehlschlug…

Ein weiteres schönes historisches Experiment wäre das von August Bier zur Lokalanästhesie (mittels Kokainlösung direkt in den Rückenmarkskanal), entgegen manchen Internetquellen nicht zuerst an sich selbst, sondern erst an seinem Assistenten Hildebrandt und erst als es dem nicht recht wohlbekam in etwas anderer Dosierung oder so an sich selbst (da er einen weiteren Versuch am Assistenten nicht verantworten wollte/konnte) wovon es ein paar schöne Beschreibungen der Reaktionen des Probanden gibt.
Deutschen Zeitschrift für Chirurgie 1899 Bier: „Versuche über Cocainisirung des Rückenmarkes“, siehe hierzu auch http://www.ärzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=s…
in diesem Artikel nicht erwähnt, aber Fakt: die anschließende Übelkeit und Kopfschmerzen schrieben die beiden der anschliessenden Feier zu (Alkohol, Zigarren und bis in die Puppen)

Ich bin grad nicht sicher, wo die Originalbeschreibungen zu finden sind, aber dies wird sicher in diesem Buch erwähnt: Ein Haus für die Chirurgie: 1802 -1986. Zur Geschichte der einzelnen Kliniken und ihrer Professoren an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.(In Zusammenarbeit mit Jürgen Voigt). Neumünster: Wachholtz- Verlag, 1986. 156 Seiten.

Gruß Susanne

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Ich bin beeindruckt, mit so vielen guten Antworten hatte ich gar nicht gerechnet :smile: Also, euch Dreien vielen Dank für die Mühen und ich werde mich dann mal an die Arbeit begeben.
Grüße, Jana