Hallo Christian,
nicht vom Experten, aber von einem Zimmermann- und Steinhausen-Fän, der 18 Jahre lang in Schussenried gelebt und allerlei Restaurierungen dort neugierig verfolgt hat:
Sicherlich ist es eine Abbildung von dem Hl.Georg, denn diesem
ist auch die Ortskirche geweiht.
Unter Weglassung von „Sicherlich“ ist dieses möglich. Georg ohne Lanze ist selten. Der immer zum Georg gehörige Drachen könnte dort sein, wo der mögliche Georg hinblickt: irgendetwas war da schon (soweit mans vom Foto beurteilen kann).
Aus welcher Zeit könnte die Malerei stammen?
Sie kann schon zeitnah mit der Wies entstanden sein. Präziseres wäre durch eine Analyse des Materials leicht zu sagen, für diese baufreudige Zeit liegt sehr gutes Material zur Datierung von Holz anhand von Jahresringen vor, und die verwendeten Farben und Pigmente dürften ab ca. 1650 ohne unangemessen hohen Aufwand mehr oder weniger genau einzuordnen sein.
Dem Bildnis selber sieht man an, dass es trotz des spontan etwas „folkloristischen“ Eindrucks z.B. im Gesicht und in der ganzen Haltung des Mannes und des Pferdes feiner als die naiven bäuerlichen Malereien des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts gearbeitet ist. Typische anatomische Fehler in den Proportionen sind auch nicht da, man kann Eure Hypothese nicht von vornherein ausschließen. Der Pinsel ist fast „graphisch“ und schwungvoll eingesetzt, das ist bei den bekannten bäuerlichen Votivbildchen nicht zu finden.
Der abgebildete Reiter ähnelt von Gewandung und Rüstung her schon eher einem Kürassier des 18./19. Jahrhunderts als einem mittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Ritter (leichte Panzerung, Helm ohne Harnisch). Aber älter als 1822 (die beiden 2er) würde ich ihn schon nennen. Ab dem Klassizismus werden Figuren und Gesichter wieder malerischer aus der genau abgegrenzten Fläche dargestellt.
Eine Skizze zur Prozessions-Szene eher unwahrscheinlich: Der blank gezogene Degen gehört da eigentlich nicht hin.
Soweit man auf der Fotografie Einzelheiten erkennen kann, wurde die - wohl auch nicht so ganz neue - weiße Fassung der Tür mit etwas Dunklerem (Blau?) hinterlegt. Diese Technik wurde eher zufällig beim geringfügig älteren Schussenrieder Bibliotheksaal gefunden, wo anlässlich einer Totalrestaurierung in den siebziger Jahren der Restaurator und die Verantwortlichen von der Denkmalschutz sich heftig drüber stritten, ob die Schränke in der zuunterst gefundenen Fassung taubenblau gefasst oder zusammen mit dem - fand der Restaurator - zeitgleich darüber gelegten Weiß leicht opalisierend perlweiß. Der Denkmalschutz setzte sich durch, und die Schränke stehen heute in einem mit dem übrigen Dekor nur sehr mühevoll harmonierenden Blau da…
Wer könnte der Maler sein?
In der nur wenig älteren Schwester der Wies, dem mir gut bekannten Steinhausen, hat das winning Team Dominikus und Johann Baptist Zimmermann mit gleicher Aufgabenverteilung zusammengearbeitet wie an der Wies. Tatsächlich wurde nebenher die Wirtschaft zur Linde gegenüber der Wallfahrtskirche um die Fenster mit illusionistisch gemaltem Stuck dekoriert - dabei muss man allerdings sehen, dass „J. B. Zimmermann pinxit“ nicht die Signatur eines Künstlers, sondern eine Art Marke für die ganze Firma Zimmermann einschließlich Gesellen, Lehrlingen etc. war. Für so ein Nebenwerk wie die Fenster der „Linde“ werden eher die Mitarbeiter eingesetzt worden sein, die Übungsobjekte brauchten.
Was ist links und rechts von dem Hl.Georg noch abgebildet?
Bevor man weiter Farbe abträgt: Gibt es eine Möglichkeit, mit vertretbarem Aufwand eine Röntgenaufnahme zu machen? Wenn es rechts von der Reiterfigur einen Drachen (oder Türken oder Ketzer oder irgendwas) gab, der möglicherweise unter der weißen Fassung wäre, könnte man diesen damit schon sichtbar kriegen.
Der Georg schaut recht freundlich in den rechten Bildteil. Was
könnte rechts abgebildet sein?
Im Rokoko wurde viel geschmunzelt. Im Zweifelsfall auch aus Siegesgewissheit usw. An dieser Stelle darf man wohl nicht zu weit interpretieren.
Auch ist die frühere Nutzung dieses Hauses noch nicht ganz
klar.
Dieses würde ich lieber nicht anhand der Malerei weiter verfolgen. Gibt es keine Hebebücher, Kataster etc. von vor 1803 mehr? Hier wieder der Vergleich zu Schussenried mit der Wies-Schwester Steinhausen: Dort wurde angesichts der Bedeutung der Herdstellen für allerlei Abgaben im 18. Jahrhundert ziemlich genau dokumentiert, wer und was in welchem Haus war.
Schöne Grüße
MM