Entstehungsgeschichte eines Hl.Georg-Tür-Bildes

Hallo Zusammen,

meine Mutter arbeitet an einer Hauschronik mit in einem kleinen Dorf zwischen Schongau und Marktoberdorf im Allgäu (Bayern).
Im Rahmen ihrer Recherchen und Arbeiten kam sie mit mir als Fotograf auch in eine der ältesten erhaltenen und seit kurzem neu renovierten und wiederhergestellten Bauernhauses im Dorf.
In diesem Haus kam bei einer alten Tür unter der Bemalung ein Bild zum Vorschein.

Sicherlich ist es eine Abbildung von dem Hl.Georg, denn diesem ist auch die Ortskirche geweiht.

Link zum Bild: http://www.fotos.web.de/SaurChristian (unter chronik)

Unsere Fragen:

Aus welcher Zeit könnte die Malerei stammen?
Wer könnte der Maler sein?
Was ist links und rechts von dem Hl.Georg noch abgebildet?

Unsere Überlegungen:

Das Dorf liegt ca. 30 km entfernt von der Wieskirche.
In der Wieskirche gibt es ein großes Bild auf dem die Wieswallfahrt gemalt wurde. Eine abgebildete Gruppe stammt aus dem besagten Dorf. Der Maler dieses Bildes war Bernhard Ramis (gest. 1764).
Die Wieskirche wurde von Dominikus Zimmermann erbaut. Parallel zu dem Bau der Wieskirche wurde auch die Ortskirche des Dorfes von Zimmermann gebaut. Für die Malerei in der Wieskirche war der Bruder Baptist Zimmermann zuständig.
Es ist ja bekannt dass viel Handwerker auf ihrer Durchreise für die Übernachtung nicht mit Geld bezahlten sondern mit kleinen Dienstleistungen.

deshalb stellen sich die Fragen:

Könnte einer der erwähnten, ramis oder Zimmermann, in dem Haus übernachtet haben und sich hier mit einer Malerei verewigt haben?
Oder ist es nur eine Malerei eines künstlerisch begabten Hausbesitzers?

Auf dem Bild links des Georg scheinen die letzten zwei Ziffern einer Jahreszahl zu stehen, zwei 2er.
Der Georg schaut recht freundlich in den rechten Bildteil. Was könnte rechts abgebildet sein?

Auch ist die frühere Nutzung dieses Hauses noch nicht ganz klar.
Liefert diese Abbildung einen Hinweis auf die frühere Nutzung?

Über Hinweise und Erläuterungen wären wir sehr dankbar.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Saur
aus Augsburg

Hallo Christian!

Sicherlich ist es eine Abbildung von dem Hl.Georg, denn diesem
ist auch die Ortskirche geweiht.

Da wäre ich mir dennoch nicht so sicher, denn der Drache, der den Hl.
Georg als Attribut kennzeichnet, fehlt hier ja. - Das finde ich sehr
ungewöhnlich.
Auch die Körperhaltung des Reiters lässt nicht auf den Kampf mit dem Drachen
schließen.
Sehr ungewöhnlich für ein Heiligenbild vergangener Jahrhunderte wäre m.E. auch
die sehr heitere Miene des Reitersmannes. (Eine solche heitere Mimik hätte man
damals wohl bei der Darstellung eines Heiligen als zu profan erachtet.)

Aus welcher Zeit könnte die Malerei stammen?
Wer könnte der Maler sein?

Die Malerei ist kindlich naiv (vgl. Anatomie des Pferdes; die sehr „simple“
Ausführung des Gesichts, des Harnischs, etc.), daher würde ich einen
ausgebildeten Künstler doch ausschließen.
Aus dem selben Grund dürfte es auch kaum möglich sein, Stilmerkmale zu finden,
die eine genauere zeitliche Zuordnung der abgebildeten Türmalerei erlauben.

Was ist links und rechts von dem Hl.Georg noch abgebildet?

Könnte diese Malerei evtl. eine Prozession (die vielleicht alljährlich -
vielleicht mit Kostümierung - durchgeführt wurde) darstellen? - Dies könnte die
Körperhaltung und die doch recht heiter wirkende Miene des Reiters erklären.
Vielleicht hatte einer der früheren Hausbesitzer eine besonders ehrenvolle Rolle
in einer solchen Prozession, die dann (ihm zu Ehren) von einem Dorfkünstler auf
der Tür „verewigt“ wurde …?
Aber das sind nun reine Spekulationen meinerseits…!!!

Na ja, vielleicht hilft´s ja doch ein wenig …

Gruß, Reinhard

Hallo Christian,

nicht vom Experten, aber von einem Zimmermann- und Steinhausen-Fän, der 18 Jahre lang in Schussenried gelebt und allerlei Restaurierungen dort neugierig verfolgt hat:

Sicherlich ist es eine Abbildung von dem Hl.Georg, denn diesem
ist auch die Ortskirche geweiht.

Unter Weglassung von „Sicherlich“ ist dieses möglich. Georg ohne Lanze ist selten. Der immer zum Georg gehörige Drachen könnte dort sein, wo der mögliche Georg hinblickt: irgendetwas war da schon (soweit mans vom Foto beurteilen kann).

Aus welcher Zeit könnte die Malerei stammen?

Sie kann schon zeitnah mit der Wies entstanden sein. Präziseres wäre durch eine Analyse des Materials leicht zu sagen, für diese baufreudige Zeit liegt sehr gutes Material zur Datierung von Holz anhand von Jahresringen vor, und die verwendeten Farben und Pigmente dürften ab ca. 1650 ohne unangemessen hohen Aufwand mehr oder weniger genau einzuordnen sein.

Dem Bildnis selber sieht man an, dass es trotz des spontan etwas „folkloristischen“ Eindrucks z.B. im Gesicht und in der ganzen Haltung des Mannes und des Pferdes feiner als die naiven bäuerlichen Malereien des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts gearbeitet ist. Typische anatomische Fehler in den Proportionen sind auch nicht da, man kann Eure Hypothese nicht von vornherein ausschließen. Der Pinsel ist fast „graphisch“ und schwungvoll eingesetzt, das ist bei den bekannten bäuerlichen Votivbildchen nicht zu finden.

Der abgebildete Reiter ähnelt von Gewandung und Rüstung her schon eher einem Kürassier des 18./19. Jahrhunderts als einem mittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Ritter (leichte Panzerung, Helm ohne Harnisch). Aber älter als 1822 (die beiden 2er) würde ich ihn schon nennen. Ab dem Klassizismus werden Figuren und Gesichter wieder malerischer aus der genau abgegrenzten Fläche dargestellt.

Eine Skizze zur Prozessions-Szene eher unwahrscheinlich: Der blank gezogene Degen gehört da eigentlich nicht hin.

Soweit man auf der Fotografie Einzelheiten erkennen kann, wurde die - wohl auch nicht so ganz neue - weiße Fassung der Tür mit etwas Dunklerem (Blau?) hinterlegt. Diese Technik wurde eher zufällig beim geringfügig älteren Schussenrieder Bibliotheksaal gefunden, wo anlässlich einer Totalrestaurierung in den siebziger Jahren der Restaurator und die Verantwortlichen von der Denkmalschutz sich heftig drüber stritten, ob die Schränke in der zuunterst gefundenen Fassung taubenblau gefasst oder zusammen mit dem - fand der Restaurator - zeitgleich darüber gelegten Weiß leicht opalisierend perlweiß. Der Denkmalschutz setzte sich durch, und die Schränke stehen heute in einem mit dem übrigen Dekor nur sehr mühevoll harmonierenden Blau da…

Wer könnte der Maler sein?

In der nur wenig älteren Schwester der Wies, dem mir gut bekannten Steinhausen, hat das winning Team Dominikus und Johann Baptist Zimmermann mit gleicher Aufgabenverteilung zusammengearbeitet wie an der Wies. Tatsächlich wurde nebenher die Wirtschaft zur Linde gegenüber der Wallfahrtskirche um die Fenster mit illusionistisch gemaltem Stuck dekoriert - dabei muss man allerdings sehen, dass „J. B. Zimmermann pinxit“ nicht die Signatur eines Künstlers, sondern eine Art Marke für die ganze Firma Zimmermann einschließlich Gesellen, Lehrlingen etc. war. Für so ein Nebenwerk wie die Fenster der „Linde“ werden eher die Mitarbeiter eingesetzt worden sein, die Übungsobjekte brauchten.

Was ist links und rechts von dem Hl.Georg noch abgebildet?

Bevor man weiter Farbe abträgt: Gibt es eine Möglichkeit, mit vertretbarem Aufwand eine Röntgenaufnahme zu machen? Wenn es rechts von der Reiterfigur einen Drachen (oder Türken oder Ketzer oder irgendwas) gab, der möglicherweise unter der weißen Fassung wäre, könnte man diesen damit schon sichtbar kriegen.

Der Georg schaut recht freundlich in den rechten Bildteil. Was
könnte rechts abgebildet sein?

Im Rokoko wurde viel geschmunzelt. Im Zweifelsfall auch aus Siegesgewissheit usw. An dieser Stelle darf man wohl nicht zu weit interpretieren.

Auch ist die frühere Nutzung dieses Hauses noch nicht ganz
klar.

Dieses würde ich lieber nicht anhand der Malerei weiter verfolgen. Gibt es keine Hebebücher, Kataster etc. von vor 1803 mehr? Hier wieder der Vergleich zu Schussenried mit der Wies-Schwester Steinhausen: Dort wurde angesichts der Bedeutung der Herdstellen für allerlei Abgaben im 18. Jahrhundert ziemlich genau dokumentiert, wer und was in welchem Haus war.

Schöne Grüße

MM

Hallo Christian,

Grüsse nach Augsburg. In meinem „Lexikon der Kunstmotive“ steht zum Stichwort „Georg“ „… in erster Linie mit dem Drachen, aber auch mit Bleikessel, dem Rad, den Pferden, die ihn schleifen sollen…“ dargestellt. In einem anderen Buch werden als Attribute des Georg Drachen, Fahne, Pferd, Rad und Ritter aufgeführt.
Es ist natürlich äussert schwierig, irgendwas zu deuten, da nur noch wenig von dem Bild erkennbar ist. An der Stelle, an der du die zwei Ziffern erkennen zu meinst, denke ich, es könnten auch Buchstaben (Initialen) sein. BZ? Das würde die Theorie von Zimmermann stützen. Was hält der vermeintliche Georg in der rechten Hand? Vielleicht doch eine Fahne? Und welche Form hat der Gegenstand an seiner rechten Seite? S-förmig! Mit ein bisschen Phantasie ein Drachenschwanz? Wie gesagt, dass sind alles nur Interpretationen von Gemälderesten.
Auf jeden Fall viel Erfolg beim Entziffern.

Grüsse aus dem Schwabenland von

Evi (Akrimo)

Je länger ich auf das Bild schaue, um so sonderlicher werden meine Eindrücke. Klar hält die Person auf dem Bild eine Fahne in der rechten Hand! Keine rechteckige Flagge, sondern eine Art Wimpel (ist das der richtige Ausdruck?) Der Stoff der Fahne ist ganz deutlich an seinem Helm zu erkennen. Denke dir die Stange in seiner rechten und die geschwungene Fläche (ähnlich einer Welle) direkt an seinem Helm als eine Einheit - das sieht doch sehr nach einer Fahne aus. Und welche Bewegung führt er mit der linken Hand aus? Welchen Gegenstand hält er darin. Nach der Legende tötet er den Drachen mit einer Lanze, aber ob er das mit links getan hätte. Und wäre die Handhaltung bei einer Lanze nicht anderst?
Noch ein anderer Gedankengang: War die Tür schon immer eine Tür? Die Abbildung ist nur in einem Farbton gehalten (blau), diente das Holz vielleicht nur als Untergrund für eine Skizze und wurde dann Jahre später bemalt und als Tür verwendet? Besteht das Türblatt aus mehreren Latten, spricht es eher dafür, dass das Bild auf die Tür gemalt wurde. Besteht das Türblatt aus einem zusammenhängenden Stück Holz (also keine Verleimung ect.) wäre die Theorie mit der Skizze denkbar.
Ich hör jetzt auf, das Bild anzustarren, sonst werden meine Ideen noch verrückter. Wie heisst die Ortschaft, in der das Haus steht? Würd ich nur gerne interessehalber wissen, hab einen Faible für alte Kirchen

-) Wenn die Wies wirklich nur 30 km entfernt ist, mach einen schönen Ausflug dorthin und schau dir die Bilder von J. Baptist Zimmermann an. Vielleicht gibt es auch einen Bildband/ Kirchenführer, dann könntest du Vergleiche anstellen. Und gibt es irgendwelche Hinweise, wie er seine Fresken signiert hat?

Gruss

Evi