"Er hat gern das letzte Wort. Ich aber auch" = korrektes Deutsch?

Hallo, sind die folgenden Sätze korrekt oder nicht?

  1. Er hat gern das letzte Wort. Ich aber auch.
  2. Ich bin groß darin, beleidigt zu gucken. Martin aber auch.
  3. Er ist bereits am Gehen und ich bereits betrunken.

Würde man die Sätze in einem Roman als Erzählerstimme (nicht als Zitat) lesen wollen? Danke!

Also zweimal „bereits“ hintereinander ist unmelodisch. Benutze lieber:
„und ich schon …“

Du sagst nicht, was genau denn dabei für dich fragwürdig ist: das „das leztzte Wort haben“, oder „groß sein in …“, oder der elliptische Ausdruck „ich/er aber auch“?

Ist alles jedenfalls standardsprachlich korrekt.

Aber das:

ist grammatisch ein faux pas.

Zum einen ist der „rheinische“ Progressiv „ist am + Infinitiv“ nicht in allen Gegenden als standardsprachlich akzeptiert.

Regelrecht falsch ist aber die Zusammenziehung (von „ist“) der beiden gleichgeordneten Nebensätze. Denn im ersten Satz steht die 3. Pers. Sing. und im zweiten Satz die 1. Pers. Sing. Im zweiten Satz ist nicht das „ist“ ausgelassen, sondern ein „bin“.

Und selbst, wenn in beiden Sätzen die 3. Pers. Sing. stünde („Sie ist bereits am Gehen und er bereits betrunken“), wäre es falsch. Denn im zweiten ist „ist“ eine Kopula und „betrunken“ ein Prädikativ. Im ersten aber gehört „ist“ zu der Progressiv-Konstruktion („ist am …“), hat also eine ganz andere grammatische Funktion. Man kann „ist“ also selbst dann nicht ausklammern. Nur ein Heinz Erhardt darf sowas machen :sunglasses:

Gruß
Metapher

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Schorsch und Metapher, Danke!

Metapher, ich würde nicht vorab sagen, was mir falsch erscheint, um andere nicht zu beeinflussen und zu lenken. Aber jetzt sage ich’s. Der Beispielsatz

Er hat gern das letzte Wort. Ich aber auch.

müsste auch meiner Sicht korrekt eindeutig so lauten:

Er hat gern das letzte Wort. Ich HABE das aber auch gern.

Der zweite Satz in der Vorlage lässt das Verb aus, das man sich aus dem ersten Satz dazudenken muss. Im ersten Satz hat das Verb aber 3. Person, und im 2. Satz braucht man 1. Person. Ist das nicht ein Mangel?

Vergleichbares gilt m.E. auch für mein 2. Beispiel. Aber vielleicht sehe ich das auch falsch? Mir ist klar, dass umgangssprachlich immer so geredet wird.

Ich hätte noch ein Beispiel (bisher nicht genannt):

Ich habe gern viel Zucker im Kaffee. Sie aber auch.

Gemeint ist (aus dem hier nicht zitierten Zusammenhang erkennbar), dass sie auch gern viel Zucker im Kaffee hat. So versteht man den Satz m.E. auch ohne Kontext. Grammatisch sagt der Satz aber m.E.:

Ich habe gern viel Zucker im Kaffee, und sie habe ich auch gern.

Ich wollte das deshalb hier zur Diskussion stellen, um herauszufinden, ob es klare Regeln gibt oder ob mein Sprachempfinden von dem der Allgemeinheit abweicht.

Das kann hier aber auch Stilmittel sein.

Egentlich ist im literarisch-künstlerischen Sinne fast alles erlaubt und daher akzeptabel.
Gruß

Es handelt sich dabei um eine Syllepsis:
eine rhetorische Figur, bei der ein Satzteil auf zwei oder mehr nach Person, Geschlecht oder Zahl verschiedene Subjekte bezogen ist

Siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Syllepse

Gruß
Kreszenz

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Nein, keineswegs nur das Verb. Denn dann würde der jeweils zweite Satz lediglich lauten
„… Ich habe aber auch“
„… Martin ist aber auch“
Das würde aber die Aussage ins Sinnlose entrücken.

Das ist richtig. Du verweist damit ja auf dieselbe - auf den ersten Eindruck als grammatisch falsch erscheinende - Konstruktion, die ich ausführlich beim dritten Satz als tatsächlich falsch auseinanderlegte. Nämlich die Vermischung der grammatischen Person.

Während es sich aber bei 3. um eine sog. → „Zusammenziehung“ (von Teilsätzen) handelt (die dort aber fehlerhaft ist), haben wir bei 1. und 2. eine → „Ellipse“. Beides sind ähnliche Stilmittel („Zusammenziehung (von Teilsätzen)“ nicht mit der lediglich morphologischen „Kontraktion“ verwechseln!), die allerdings manchmal nicht eindeutig zu unterscheiden sind. Siehe dazu die Diskussion → hier.

Die Zusammenziehung läßt einen Satzteil aus, der in einem anderen Teilsatz vorhanden ist. Diese Auslassung muß aber grammatisch konsistent sein! Die Ellipse dagegen läßt semantische bzw, phraseologische Komplexe aus, die aus dem Kontext gedanklich ergänzt werden können. In diesem Fall muß diese Phrase keineswegs grammatisch konsistent sein. Wenn allerdings dieser semantische Komplex in einem anderen Teilsatz dennoch ausgedrückt ist, kann man sich streiten, ob es sich um eine Zusammenziehung oder um eine Ellipse handelt.

Beispiel:
„le später der Abend, desto schöner die Gäste“
Dies ist eine Ellipse, bei der die ausgelassenen Prädikate nicht identisch sind: „ist“ ↔ "„sind“.
man kann es aber auch als eine (grammatisch inkohärente) Zusammenziehung interpretieren.

In dem Beispiel (aus der verlinkten Diskussion):
„Die Uni besitzt, aber der Professor verwendet das teure Messgerät“
ist vielmehr das Satzobjekt ausgelassen. Hier kann man sich streiten, ob Zusammenziehung oder Ellipse.

In deinem Fall, Satz 1. und 2., ist jedenfalls im zweiten Teilsatz nicht ein Satzteil ausgelassen, sondern ein phraseologischer Komplex:
In 1. &rarr, „das letzte Wort haben“
In 2. → „groß darin sein, beleidigt zu gucken“
Die semantische Ergänzung wird dabei durch die Kombination der beiden Partikel „aber“ und „auch“ provoziert. Die gedankliche Operation rückt die grammatische Form dabei selbst zurecht. Oder anders gesagt: Die grammatische Form spielt dabei gar keine Rolle.

Dasselbe in deinem hübschenBeispiel:

„Ich habe gern viel Zucker im Kaffee. Sie aber auch“

Hier ist das Satzojekt ausgelassen. Und der Operator „aber auch“ ergänzt entweder „gern haben“ oder „Zucker gern haben“ und ist daher nicht eindeutig. Allerdings kann man dies auch als ein kokettes - also absichtlich mehrdeutiges- Spiel mit Worten auffassen. Das ist ja in deinen ersten Beispielen nicht der Fall.

Deshalb liegt in 1. und 2. - im Gegensatz zu 3. - kein grammatischer Fehler vor. Ebensowenig, wie etwa in der Ellipse (!) „Schönen Gruß“, die ja ein Akkusativ ist.

Kurz gefasst: Die Ellipse braucht sich um grammatische Konsistenz nicht zu kümmern. Die Zusammenziehung muss es tun.

Schönen Gruß
Metapher

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Du hast recht. „Syllepsen“ sind es in Satz 1. und 2., eher als „Ellipsen“. Aber das unten Gesagte trifft ja auch darauf zu. Sogar erst recht.

Sorry, jetzt erst gesehen

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Hallo zusammen, Danke für alle Anmerkungen.

Metapher und Kreszentia, Danke für sehr genaue Diskussion und interessante Links.

Die Dinge liegen also mal wieder nicht klar, wie ich es dachte und gern hätte.

Der heißt nicht nur Heinz Erhardt, sondern auch die Leute herzlich willkommen.

Ansonsten (auch an @Kreszentia): Ich schmachte dahin! Das da ein Unterschied zwischen 1/2 und 3 ist, war für mich schon deutlich spürbar, aber ihn so schön erklärt zu bekommen … herrlich!

Nein, das ist schon grammatisch korrekt, aber wie du sehr schön erkannt ist, kann die Formulierung ambivalent interpretiert werden.