Erbinformationen neben den Genen

Hi Leute,

mein erster Post seit dem www-relaunch :smiley:

Mal ne Frage zur Gen-Forschung. Ich habe mal vor längerer Zeit einen Fernsehbeitrag gesehen, der davpn erzählte, das es neben den Genen noch weiteres „Erbgut“ gibt. Irgendwelche Chemikalien die wichtige Merkmale beinhalten, und die beim DNS-klonen keine Beachtung finden.

Ich erinner mich nur dunkel, weiß jemand was ich meine? Vielleicht hat jemand einen link oder buchtipp,

Schönen Sonntag,

O

Hallo,

Ja, es gibt in den Zellen noch „Informations“-Speicher, die nicht DNS (engl: DNA) sind und die durchaus einen Einfluß auf die Entwicklung von (Tochter-)Zellen haben.

Diese Information ist aber nicht unabhängig von der DNA und sie ist auch nicht so „unveränderlich“ wie die DNA. Die meisten dieser „extra-genomischen“ (außerhalb des Genoms befindlichen) „Informationseinheiten“ (ich weiß gar nicht, wie man das nennt) dienen dazu, die Aktivität normaler Gene zu regulieren.

In unseren Zellen spielt dabei zB. die chemische Veränderung mancher DNA-Bausteine eine Rolle, nämlich die Methylierung von Cytosinen. Das Muster der Cytosin-Methylierung im Genom ist nicht in der DNA festgelegt; es ergibt sich erst durch die Lebensprozesse der Zelle und ist abhängig vom Differenzierungszustand der Zelle (es definiert ihn). Was die Zelle macht, hängt damit nicht nur von der „in Stein gemeißelten Information“ in der DNA ab, sondern auch von den relativ flexiblen Methylierungsmustern.

Analogie zur Vorstellung: Deine Küche ist eine Zelle. Im Genom, also dem Kochbuch, stehen alle Rezepte. Was du aber so kochst, hängt davon ab, welche Seite des Kochbuchs gelesen wird. Wenn Seiten oder ganze Kapitel im Kochbuch verklebt sind, dann wirst du diese nicht öffnen und nicht lesen (diese Seiten sind also „methyliert“). Zwar stehen immer noch alle Rezepte im Buch, aber Du wirst nur die Rezepte der unverklebten Seiten kochen/backen/braten. Ein Freund von Dir könnte das gleiche Kochbuch haben und trotzdem vorwiegend ganz andere Sachen kochen als Du, weil bei ihm andere Seiten verklebt sind.

Ein anderer „Informationsspeicher“ von Zellen sind Vorräte an langlebigen „Blaupausen“ (RNA) und auch von Proteinen, die ihrerseits die Aktivität von Genen steuern (Transkriptionsfaktoren und DNA-packende Proteine wie die Histone).

Mit den Histonen ist es ähnlich wie mit den Methylierungen: Auch die werden chemisch modifiziert und verbinden sich dann so mit der DNA, dass bestimmte Bereiche der DNA nicht mehr abgelesen werden können. Das Vorhandensein von bestimmten Transkriptionsfaktoren führt dazu, dass bestimmte Gene auch aktiv sind. Und schließlich bedingt das Vorhandensein bestimmter RNAs auch, welche Proteine die Zelle herstellt und welche Gene sie abliest.

Zurück zur Analogie: Natürlich steht in deinem universal-Kochbuch, wie man Löffel, Rührgeräte, Schüsseln, Töpfe, Pfannen usw. herstellt. Die Seiten mit der Anleitung zur Herstellung von Rührgeräten sind bei dir aber verklebt, darum hast Du keine. Also kannst Du keine Rührteige usw. machen. Naja, und dann das Problem mit den Zutaten. Klar steht im Kochbuch, wie und woher du alle Zutaten bekommst. Doch wenn auch die Seite für Zucker verklebt ist, wirst Du wahrscheinlich nicht viel Süßkram machen. Und wie oben gilt: Dein Freund mit dem gleichen Kochbuch könnte alleine schon deshalb ganz andere Sachen Kochen wie Du, weil er gerade andere Arbeitsgeräte und Zutaten in der Küche hat.

Ach ja, die Links:

http://de.wikipedia.org/wiki/DNA-Methylierung
http://de.wikipedia.org/wiki/Histonmodifikation
http://de.wikipedia.org/wiki/RNA-Interferenz
http://de.wikipedia.org/wiki/Transkriptionsfaktor
http://de.wikipedia.org/wiki/Genregulation

u.v.a.m.

LG
Jochen

Hallo!

Mal ne Frage zur Gen-Forschung. Ich habe mal vor längerer Zeit
einen Fernsehbeitrag gesehen, der davpn erzählte, das es neben
den Genen noch weiteres „Erbgut“ gibt. Irgendwelche
Chemikalien die wichtige Merkmale beinhalten, und die beim
DNS-klonen keine Beachtung finden.

Zusätzlich zu dem was Jo… schon gesagt hat: Beim Klonen wird der Zellkern einer Körperzelle in eine Eizelle transferiert, deren Zellkern entfernt wurde. In der Eizelle sind Dinge enthalten, die nicht mitgeklont wurden, sondern vom Eizellen-Spenderorganismus stammen. Bei der natürlichen Vermehrung (durch Befruchtung einer Eizelle) gibt es den gleichen Effekt, weil das Spermium praktisch keine eigene Substanz außer dem Erbgut mitbringt. Man nennt diesen Effekt den „maternalen Effekt“. Neben den Proteinen und RNA-Molekülen, die Jo… erwähnt hat, gehören dazu Mitochondrien (und bei Pflanzen: Plastiden), also Organellen, die über eigenes Erbgut verfügen. Dieses Erbgut ist zwar ebenfalls DNA, gehört aber nicht zum eigentlichen Genom, also zu den Chromosomen. Daher auch das Schlagwort: „extrachromosomale Vererbung“.

Michael

Hallo!

Ich denke, die Vorredner haben beide nicht das Wort Epigenetik in den Mund genommen, weil das dem …mhmm… momentanen Zeit zu sehr entspricht. Dennoch passt es als Überbegriff:
Epigenetik beschäftigt sich mit sämtlichen vererbbaren Varianten der
Genexpression, die ohne eine eigentliche Veränderung der DNA-
Sequenz einhergehen.
Schlagworte, die ich dazu hier grad noch weniger gelesen habe sind
X-Chromosominaktivierung, repeat induced silencing, micro RNAs, genomic imprinting.
Säuger brauchen einen maternalen und paternalen haploiden Chromosomenssatz. „Eizellen“ mit zwei maternalen haploiden Sätzen sind gynogenetisch und letal, Eizellen mit zwei paternalen haploiden Sätzen sind androgenetisch und ebenfalss letal.

Gruß, Stefan

Tach!

Abgesehen davon gibt es noch Chaperone und Prionen.

Das sind Enzyme, die anderen Proteinen dabei helfen, sich richtig zu falten.

Das hört sich jetzt nicht nach vererbung an, aber es kann sein, das ein Protein sich durch eine Mutation anders faltet als „vorgesehen“, sich aber mit Hilfe eines Chaperons immer noch in die richtige Form faltet, und in seiner Funktion nicht beeinträchtigt ist.

Sobald aber die Zelle unter Stress steht, und ihre Chaperone für andere Dinge braucht, oder sie nicht mehr die Ressourcen hat welche herzustellen, werden aus den stillen Mutationen oben plötzlich unter Umständen Phänotypen.

Da kann man sich jetzt fragen, ob das „Erbgut“ im eigentlichen Sinne ist, effektiv ändert sich der Phänotyp, der ja auf dem Erbgut beruht.

Viele Grüße!
Ph.

Danke euch allen!! Hat mich ein Stück weitergebracht!

Keine Antwort, aber ein Denkanstoß:
Angenommen, eine übermächtige Intelligenz wäre im Besitz des menschlichen Genoms und des genetischen Codes (welches Codon für welche Aminosäure). Was könnte sie über den menschlichen Organismus aussagen?

Keine Antwort, aber ein Denkanstoß:
Angenommen, eine übermächtige Intelligenz wäre im Besitz des
menschlichen Genoms und des genetischen Codes (welches Codon
für welche Aminosäure). Was könnte sie über den menschlichen
Organismus aussagen?

Nicht viel; könnten auch die Gene von Affen oder Kühen sein…