wobei Timo einen wesentlichen Vorteil gegenüber
konventionellen Videotheken hat: er hat über die Tankstelle
schon eine gute Infrastruktur (Personal, Räume,
Innenausstattung, Werbung, Stammkunden usw.) und
wahrscheinlich eine unschlagbare 24h-Öffnungszeit.
Hallo Sven,
ist ein Video-Verleih tatsächlich eine sinnvolle Ergänzung zu einer Tankstelle? Was bleibt an Synergiechanchen, wenn man sich die von Dir genannten Punkte ansieht?
Personal: Ist auf einer Tankstelle zwar vorhanden, aber sind das Leute, die sachkundig jemanden beraten können, der einen Film sucht? Es handelt sich wohl eher um Personal, das eine Kasse bedienen kann. Damit gleitet der Videothek-Zweig in die unqualifizierte Masse der Wettbewerber ab.
Räume: Sind zwar vorhanden, aber eine Videothek braucht viel Platz, um die Breite des Angebotes zu präsentieren. Es sei denn, das Angebot beschränkt sich auf wenige gerade gängige Jedermann-Schinken.
Innenausstattung: Es ist nicht zu erkennen, daß nennenswerte Teile vorhandener Ausstattung für den Video-Zweig Verwendung finden können. Vielmehr muß man beide Geschäftszweige so trennen, daß sie sich nicht in negativer Weise beeinflussen. Der Reisende, der nur tanken und sofort weiter will, möchte nicht lange an der Kasse warten, weil dort Verleihformalitäten erledigt werden. Wer sich in Ruhe einen Film aussuchen möchte, mag sich nicht von hin und her eilenden Leuten mit Waschmarken und Bierdosen stören lassen.
Werbung: Eigene Werbeaktivitäten von Tankstellen, die über das Material der Mineralölgesellschaft hinaus gehen, sind i. d. R. eher bescheiden oder gar nicht vorhanden. Vielmehr ist die Notwendigkeit, Werbung zu betreiben und z. B. per Postwurfsendungen im Einzugsgebiet über Film-Neuerscheinungen zu informieren, eine ganz neue Aktivität für den Betreiber.
Stammkundschaft: Ob es überhaupt Stammkunden in nennenswertem Umfang gibt, hängt sehr von der Art der Tankstelle ab. Das Potential z. B. der Jugendlichen unter 18 gehört jedenfalls mehrheitlich nicht dazu.
24-h-Öffnungszeit: Zum Tanken und für den Zigarettenverkauf stimmt das. I. d. R. aber findet der Verkauf in den Nachtstunden aus Sicherheitsgründen über einen Nachtschalter statt, so daß der Kunde den Verkaufsraum nicht betritt. Für ein Verleihgeschäft ist der Nachtschalter ungeeignet.
Ich sehe sogar negative Beeinflussungen der verschiedenen Geschäftszweige, indem z. B. ein Tankkunde beim Stöbern im Filmangebot über längere Zeit eine Zapfsäule blockiert, weil die Tankstellen-Fahrbahnen plötzlich zum Parkplatz werden.
Insgesamt kann ich keine sinnvolle Geschäftsergänzung erkennen. Zudem ist der Videofilmverleih eine längst mit einer ausreichenden Anzahl besetzte, wenn nicht sogar überbesetzte Branche. Verleihgeschäfte, die ohne sachkundiges Personal nur auf den Massengeschmack setzen, gibts an jeder Ecke. Schon von daher ist ohne weiteres auf diesem Gebiet keine Gewinnchance zu sehen. Solche Ideen kommen 10 Jahre zu spät. Ich prognostiziere dem Neuling deshalb eine bittere Bauchlandung mit dem Verlust seiner Investitionen.
Tankstellenpächter sind eher Scheinselbständige. Freie Unternehmer sind sie angesichts vertragsmäßiger Gängelung durch die Mineralölgesellschaft jedenfalls nicht. So kann ich nachvollziehen, wenn jemand eigenständige Geschäfte sucht, die über den Verkauf von Marlboro und Cola hinaus gehen, zumal die Gesellschaften inzwischen ihre Hand immer härter auf dem gesamten Warensortiment halten. Nur die kleine Minderheit von Tankstellenbetreibern, die nicht Pächter sind, sondern auf eigenem Grund und Boden arbeiten, haben einen ordentlichen Stand gegenüber der Mineralölgesellschaft.
Der Filmverleih riecht sehr danach, daß ein Vertreter dem Tankstellenpächter etwas aufschwatzt, was sich vorhersehbar nicht rechnet. Ich rate dem Fragesteller von dieser Art der Geschäftsergänzung dringend ab.
Gruß
Wolfgang