Ersatzmitglied des Betriebsrates & Kündigungschutz - ab wann?

Hallo, angenommen A arbeitet bei Firma Z. Firma Z hat einen Betriebsrat, für den sich A hat aufstellen lassen. Aufgrund zuweniger Stimmen ist A kein reguläres Mitglied des Betriebsrates geworden, sondern könnte lediglich als Nachrücker bei einer Sitzung teilnehmen. Der Fall tritt ein, A wird vorab zur Betriebsratssitzung eingeladen. A freut sich schon, jedoch wird ihm kurz vor Beginn der Sitzung  eine „Notfallaufgabe“ seines Vorgesetzten zugeteilt - der nichts von dem Betriebsratssitzung wusste, diese Sonderaufgabe also nicht aus taktischen Gründen zugeteilt hat. Es kommt wie es kommt, A verpasst die Teilnahme an der Sitzung knapp.

Fraglich ist: Genießen Ersatzmitglieder den besonderern Kündigungsschutz des Betriebsrates gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KSch erst ab bzw. (quasi im Nachhinein) DURCH die erfolgte Teilnahme an der späteren Sitzung, zu der sie eingeladen wurde

oder

wäre die Einladung zur Sitzung, also ohne dieTeilnahme an der Sitzung schon ausreichend für diesen Kündigungsschutz?

Vielen Dank für Eure Meinungen & Expertise dieser theoretischen Begebenheit.

Hallo,

Hallo,

Fraglich ist: Genießen Ersatzmitglieder den besonderern
Kündigungsschutz des Betriebsrates gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1
KSch erst ab bzw. (quasi im Nachhinein) DURCH die erfolgte
Teilnahme an der späteren Sitzung, zu der sie eingeladen wurde

Nein, Sitzungsteilnahme ist nicht notwendig

oder

wäre die Einladung zur Sitzung, also ohne dieTeilnahme an der
Sitzung schon ausreichend für diesen Kündigungsschutz?

Ja, spätestens der Zugang der Ladung begründet durch die Vorbereitung auf die Sitzung den Vertretungsfall (BAG, 17.1.1979). Der daraus resultierende Schutz geht auch dann grundsätzlich nicht verloren, wenn nach der Ladung beim EBRM selbst ein Vertretungsfall eintritt (BAG 9.1.1977).

Vielen Dank für Eure Meinungen & Expertise dieser
theoretischen Begebenheit.

Alles sehr praktisch (bei übelwollenden AG) und deswegen schon lange geklärt. Vergl. auch ErfK, Koch, § 25 BetrVG, Rn.8

Im Übrigen wäre aber im geschilderten Fall erst noch die Dauer des „nachlaufenden“ Kü-Schutz für einen Wahlbewerber nach § 15 Abs. 3 KSchG zu prüfen.
&Tschüß
Wolfgang

@ Wolfgang - verstehe. Erst wäre zu prüfen, ob nicht noch die K-Schutzfrist des Wahlbewerbers den ehemaligen „Bewerber“ schützt, richtig? Andere Frage, die sich mir jetzt stellt: Wie stehen die beiden Schutzfristen zueinander? Verdrängt § 15 Abs. 3 KSchG Abs. 1? Denn dann wäre eine frühere Kündigung eventuell von Nachteil für die Dauer der „Unwirksamkeit“ der Kündigung, aus Sicht des Arbeitnehmers… Vielen Dank noch einmal!

Hallo Thule,

der besondere Kündigungsschutz tritt für Ersatzmitglieder nur ein, wenn sie tatsächlich vertretungsweise tätig werden. Der Kündigungsschutz für ein Ersatzmitglied greift auch dann, wenn der Betroffene zur Vertretung aufgefordert worden war, er aber an der Betriebsratssitzung deshalb nicht teilnimmt, weil ihm sein Vorgestzter dies wegen „Unabkömmlichkeit“ untersagt.
Es dürfte hier im Zweifelsfall ein Streitfall werden, was gewesen wäre, wenn der Vorgesetzte informiert worden wäre, was im Übrigen als eine Pflichtverletzung des Ersatzmitgliedes
ausgelegt werden könnte.
Gruß wannsee

Vielen Dank @ Wannsee! --> Was jedoch, wenn demVorgesetzte 2 Stunden vor der Sitzung Bescheid gegeben wurde, dass diese Sitzung stattfindet und man dort gerne teilnehmen würde - und der Vorgesetzte nachdrücklich darum gebeten hat, diese doch - aufgrund der Dringlichkeit der Aufgabe - zu verschieben bzw. nicht teilzunehmen?

…> Gemäß hrer netten Erklärung muss man also zwischen Kündigungsschutz für ein Ersatzmitglied und besonderem K-Schutz für ein Ersatzmitglied unterscheiden? Andernfalls verstehe ich Ihre Erklärung leider nicht…wo liegen hier die Unterschiede bzw. wo sind diese beiden geregelt? Danke nochmals!

Hallo,

ich gehe mal davon aus, dass es hier nicht um eine theoretische Begebenheit geht, sondern der Fall sich so praktisch zugetragen hat. Ansonsten hätte ich ein Problem damit, hier nach meiner Expertenmeinung gefragt zu werden. Denn schließlich kostet es ja auch Zeit, sich mit solchen Dingen zu befassen. Diese wäre mir für theoretische Fälle, die niemandem direkt helfen, einfach zu schade.

Im vorliegenden Fall gehe ich davon aus, dass dieses Ersatzmitglied den Schutz des BetrVG genießt. Unabhängig davon, ob er tatsächlich an einer Sitzung teilnimmt oder nicht. Entscheidend ist für mich die Tatsache, dass er ein ordentliches BR-Mitgied vertritt. Diese Vertretung gilt nicht nur im Falle einer Sitzung, denn Betriebsrat (bzw. Ersatzmitglied) ist man immer und nicht nur bei Sitzungen. Dass dieses Mitglied seinen Vorgesetzten nicht über die Teilnahme an der Sitzung informierte, steht auf einem ganz anderen Blatt und hat mit der Sache an sich nichts zu tun.

Gruß W.

volle Zustimmung

Hallo Werner, ja, selbstverständlich handelt es sich um eine praktische Begebenheit, nur werden so gestellte Fragen schnell von dem Betreiber der Seite entfernt! :wink:

Vielen Dank für die Einschätzung, die mir sehr nachvollziehbar erscheint. Hinsichtlich der voherigen Information des Vorgesetzten: Diese geschah, jedoch (erst) 2 Stunden vor Beginn der Sitzung, und zwar dann, als der „Engpass“ offensichtlich war. Gibt es eine Regelung, wann der Vorgesetzte informiert werden muss bzw. was könnte es denn - auch wenn das auf einem anderen Blatt steht - schlimstenfalls für den „Betriebsrat“ zur Folge haben, wenn er nicht rechtzeitig informiert hat? Vielen Dank nochmals!!!

@ Wolfgang - verstehe. Erst wäre zu prüfen, ob nicht noch die
K-Schutzfrist des Wahlbewerbers den ehemaligen „Bewerber“
schützt, richtig?

Richtig, da dieser Schutz recht einfach zu berechnen ist und vom AG kaum strittig gestellt werden könnte. Sofern es sich um turnusmäßige Wahlen in diesem Frühjahr gehandelt hätte, wäre diese Frist noch nicht abgelaufen.

Andere Frage, die sich mir jetzt stellt: Wie
stehen die beiden Schutzfristen zueinander? Verdrängt § 15
Abs. 3 KSchG Abs. 1?

Nein. Gelten mehrere Anspruchsgrundlagen gleichzeitig, kann man sich jederzeit auf die stärkere berufen.
Der nachwirkende Kü-schutz nach § 15 Abs. 3 KSchG ist etwas schwächer (keine Zustimmung des BR nötig), als der Kü-Schutz für ein amtierendes EBRM nach § 15 Abs. 1 KSchG
Denn dann wäre eine frühere Kündigung

eventuell von Nachteil für die Dauer der „Unwirksamkeit“ der
Kündigung, aus Sicht des Arbeitnehmers…

Verstehe ich nicht

Vielen Dank noch
einmal!

&Tschüß

Schwierige Frage. Nach meiner Rechtsauffassung reicht die Einladung zu einer tatsächlich durchgeführten Sitzung aus. Wenn das Ersatzmitglied an dieser Sitzung nicht teilgenommen hat, ist das eine Pflichtverletzung und steht sozusagen auf einem anderen Blatt.Um sicher zu sein sollte man sich die Kommentare zum Gesetz und die Rechtsprechung der entsprechenden Gesetze reinziehen. Für einen theoretischen Fall aus meiner Sicht zu viel Aufwand.

Hallo Werner, ja, selbstverständlich handelt es sich um eine
praktische Begebenheit, nur werden so gestellte Fragen schnell
von dem Betreiber der Seite entfernt! :wink:

Vielen Dank für die Einschätzung, die mir sehr nachvollziehbar
erscheint. Hinsichtlich der voherigen Information des
Vorgesetzten: Diese geschah, jedoch (erst) 2 Stunden vor
Beginn der Sitzung, und zwar dann, als der „Engpass“
offensichtlich war. Gibt es eine Regelung, wann der
Vorgesetzte informiert werden muss

Der AN muß über Verhinderungsgründe (dazu gehört auch die Teilnahme an einer BR-Sitzung) „ohne schuldhaftes Zögern“ den AG informieren.
Dies ist idR so auszulegen, daß bei Erhalt der Ladung zur BR-Sitzung der AG zu informieren ist.

bzw. was könnte es denn -
auch wenn das auf einem anderen Blatt steht - schlimstenfalls
für den „Betriebsrat“ zur Folge haben, wenn er nicht
rechtzeitig informiert hat?

Zumindest im Wiederholungsfall kann § 23 Abs. 1 BetrVG zum Tragen kommen, falls durch das Verhalten des eBRMs die ordnungsgemäße Beschlußfassung des BR gefährdet wird.
http://www.gesetze-im-internet.de/betrvg/__23.html

Vielen Dank nochmals!!!

Leider (zumindest teilweise) falsch!

Hallo Thule,

Hallo wannsee

der besondere Kündigungsschutz tritt für Ersatzmitglieder nur
ein, wenn sie tatsächlich vertretungsweise tätig werden.

Hat das BAG nach langem Zögern und kontroverser Diskussion in der Fachliteratur 2011 anders entschieden. Der bloße Tatbestand der Verhinderung eines ordentlichen BRM reicht in bestimmten Fällen (zB durch Urlaub) auch ohne Tätigwerden oder Ladung aus:
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 8.9.2011, 2 AZR 388/10
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsp…
Insbes. Rn 33
Zum Thema „automatische“ Verhinderung bei AU wollten sie anscheinend ihre alte z. T. abweichende Rechtsprechung noch nicht angleichen (RN 32).
Aus welchem Anlass der Vertretungsfall entstand, ist aus der Fallschilderung nicht klar ersichtlich

Gruß wannsee

&Tschüß
Wolfgang

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